Während die CFL die Umgestaltung des hauptstädtischen Bahnhofs plant, sollen Obdachlose und Drogenabhängige in Container jenseits der Bahngleise verfrachtet werden.
„Ich habe etwas gegen Absperrungen“, erklärt Georges Bach. Der Präsident der christlichen Eisenbahnergewerkschaft Syprolux spielt auf die Pläne der CFL an, den Bahnhof in Luxemburg Hauptstadt umzugestalten. Zu diesen Umbauplänen gehört nach Syprolux-Informationen nicht zuletzt ein etwa 1,20 Meter hohes Gitter in der Nähe des Eingangs zur Empfangshalle.
Das Gitter soll vor allem die Drogenabhängigen und Obdachlosen, die sich sonst auf dem Bahnhofsvorplatz aufhalten, auf Distanz zu dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude bringen. „Ich verstehe ja, dass der Bahnhof die Visitenkarte der Bahn ist“, sagt Bach und fügt hinzu: „Aber für mich sind Drogenabhängigkeit und Obdachlosigkeit gesellschaftliche Probleme, die auch auf gesellschaftliche Weise gelöst werden müssen. Man kann die betroffenen Menschen nicht einfach vertreiben.“
„CFL wollen hart durchgreifen“ hieß es am 13. Oktober im Tageblatt. Gemeint waren besagte Umbaupläne: Am Rande einer Syprolux-Tagung sei bekannt geworden, dass die Eisenbahngesellschaft den Bahnhofsvorplatz „sauber“ halten wolle. Die Zeitung setzte kommentierend nach: „Von einem Betrieb, dessen größter Aktionär der Staat ist, hätte man sich eine etwas intelligentere Lösung erwartet als die, die der Direktion offenbar eingefallen ist.“
Von Zäunen sei keine Rede, sagt hingegen Nicolas Biver, „Chef des Zones“ am hauptstädtischen Bahnhof. Zwar gebe es ein Umbauvorhaben, bestätigt der Eisenbahner gegenüber der woxx, diese beträfen jedoch vor allem die Verlegung des Zeitungsladens, des Fremdenverkehrsamts und des Infopoints innerhalb des Gebäudes. Ebenso soll die Polizei ab November ihre Dienststelle dort bekommen. Außer einiger Änderungen „aus Sicherheitsgründen“ im Bereich des Haupteingangs sei jedoch nichts Weiteres geplant.
Schall und Rauch?
Sind folglich alle Pläne, den Brennpunkt Bahnhof zu entschärfen und die dortige Drogenszene zu entfernen, nur Schall und Rauch? Die CFL wäre die unliebsamen Gäste am liebsten los. „Schließlich sind wir auf die Gefühle unserer Reisegäste bedacht“, so Biver. Um die Schicksale der Drogenabhängigen und Obdachlosen sorgen sich derweil Organisationen wie Abrigado Szenekontakt, Jugend- an Drogenhëllef und Stëmm vun der Strooss. Dabei leiden die Organisationen zusehends unter einer drückenden Überbelastung: Im Jahr 2002 haben 648 Obdachlose bei der Stëmm Zuflucht gefunden, bis zum 1. September diesen Jahres waren es bereits 703. „Wir können diesen Zuwachs nicht länger verkraften“, gab der Direktor der Organisation, Marcel Detaille, bei einer Pressekonferenz im vergangenen Monat zu bedenken.
Besorgnis erregend ist vor allem das Alter der Obdachlosen: 7,5 Prozent der „Strummerten“ sind jünger als 20 Jahre. Nach den Worten René Kneips vom sozialen Hilfswerk der Caritas gibt es in Luxemburg bereits mehr als 1.000 Betroffene. Einzige Unterbringungsmöglichkeit über Nacht ist das „Foyer Ulysse“ in Bonneweg. Doch reichen die 64 Betten dort bei weitem nicht aus. Und die Drogenabhängigen unter den Obdachlosen finden dort erst gar keinen Einlass. Selbst Familienministerin Marie-Josée Jacobs bestätigte deshalb unlängst die dringende Notwendigkeit neuer Strukturen.
Die Hoffnungen ruhten lange Zeit auf einem in der Hollericher Straße geplanten Nachtfoyer mit angeschlossener Fixerstube. Dazu hatte das Gesundheitsministerium ein Baugesuch an die Stadt Luxemburg gestellt. Die lange erwartete Antwort kam erst vor kurzem: Technisch gesehen habe die Stadt keine Einwände, sagt der Drogenkoordinator des Gesundheitsministeriums, Alain Origer gegenüber der woxx. Zwar sei die Einrichtung eines Nachtfoyers möglich, dennoch sei man aufgefordert worden, das Projekt aufzugeben. In der Hollericher Straße gebe es zu viel Nachtleben, habe es seitens der Stadt geheißen.
Absage der Stadt
Angesichts sinkender Temperaturen und steigender Obdachlosen- und Drogenabhängigenzahlen ist der Druck auf die Behörden gestiegen. Zudem ist den LuxemburgerInnen das Debakel vom vergangenen Winter noch in Erinnerung. Damals stellte zunächst die CFL den Pavillon grand-ducal zur Verfügung, nachdem die Stadt Luxemburg zahlreiche leer stehende Häuser hatte zumauern lassen, um HausbesetzerInnen abzuhalten. In der Not stellten die beteiligten Organisationen also 22 Feldbetten in den Bahnhofspavillon. Danach wurden die Obdachlosen in Container in der Rue de Fort Neiperg gesteckt. Eine ähnliche Odyssee soll dieses Jahr vermieden werden. Doch nach der Absage der Stadt in puncto Hollericher Straße war der Traum von einem Nachtfoyer als Dauerlösung vorerst ausgeträumt.
Stattdessen bahnt sich ein weiteres Provisorium an: Nach woxx-Informationen soll die Einrichtung eines Nachtfoyers auf einem staatlichen Gelände an der Route de Thionville gesichert sein. Dort werden bis Mitte Dezember Container aufgestellt, in denen etwa 40 Personen Platz haben werden. Für die Betreuung der Betroffenen sollen nach den Worten von Alain Origer 6,5 neue Posten geschaffen werden. Insgesamt seien für das Projekt 125.000 Euro an Kosten veranschlagt, erklärt der Psychologe. Damit betraut werde unter anderem Abrigado, die aber ihren Container als Anlaufstelle von Drogenabhängigen am Bahnhof vorerst beibehalten.
„Ein guter Standort, wo wenig Leute wohnen“, nennt Origer das Gelände zwischen Route de Thionville und Eisenbahnschienen. Doch letztendlich sei es wieder nur eine provisorische Struktur „für zwei bis drei Jahre“. Nach woxx-Informationen dürfte es erst Mitte Dezember so weit sein, dass die Container, die in Frankreich gebaut werden, fertig gestellt und bezogen werden können. Bis dahin sind es noch fast zwei Monate – mit wohl etlichen kalten Nächten.