Eine Studie der Universität Luxemburg gibt Hinweise, wieso die Umsetzung des 2018 verabschiedeten LGBTI-Aktionsplans so langsam vorankommt.
Mehr als fünf Jahre nach Inkraftreten des nationalen Aktionsplans für die Förderung der Rechte lesbischer, schwuler, bisexueller, trans und intergeschlechtlicher Menschen (PAN LGBTI), veröffentlichte das Ministerium für Gleichstellung und Diversität diese Woche den im Dezember von der Universität Luxemburg fertiggestellten, ursprünglich für 2021 geplanten Zwischenbericht. Das Fazit: Viele Maßnahmen besagten Aktionsplans wurden bisher noch nicht oder nur teilweise umgesetzt.
Für den Zwischenbericht wurden die Einschätzungen der zehn für die Umsetzung des PAN LGBTI zuständigen Ministerien, sowie von Organisationen der Zivilbevölkerung eingeholt. Erstere erhielten im Herbst 2022 einen Online-Fragebogen, letztere wurden im Frühling 2023 in Interviews befragt.
Wie aus den Fragebogenantworten hervorgeht waren zum Erhebungszeitpunkt 73 Prozent der insgesamt 93 Maßnahmen bereits bearbeitet worden; nur 59 Prozent davon galten jedoch als „vollständig umgesetzt“. Als häufigsten Grund für nicht umgesetzte Maßnahmen, wurde die Covid-19-Pandemie angegeben. Bei 10 Maßnahmen ist eine Umsetzung mittlerweile nicht mehr vorgesehen. So wurden etwa zwei Maßnahmen innerhalb des Kapitels Gesundheit („Eine spezielle Untersuchung zu den gesundheitlichen Bedürfnissen von LGBTI-Personen durchführen“, sowie „Eine Untersuchung durchführen, um die Qualität der Gesundheitsdienstleistungen für LGBTI-Personen zu bewerten“) auf Eis gelegt. Genaue Gründe dafür wurden von Seiten der befragten Ministerien keine genannt.
Nach welchen Kriterien die Maßnahmen als „vollständig umgesetzt“ eingestuft wurden, gehen aus dem Bericht nicht hervor. „Die Vielfalt im Allgemeinen und insbesondere die Familienvielfalt fördern, indem bei jeder internen und externen Kommunikation der Schulen und aller sonstigen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen über die heteronormative Denkweise hinausgegangen wird“, lautet etwa eine Maßnahme im Kapitel Bildung. Da es sich hier nicht um eine punktuelle Maßnahme handelt, sondern um eine Leitlinie, die es bis auf unbestimmte Zeit zu berücksichtigen gilt, scheint eine Kategorisierung als entweder teilweise oder vollständig umgesetzt hier kaum möglich. In der Evaluation ist diese Maßnahme jedoch als „vollständig umgesetzt“ vermerkt. Als Begründung werden ein Leitfaden des SNJ, ein Dokument vom IFEN, eine Informationswoche, ein Film und ein Theaterstück aufgezählt.
Das Chaos, das daraus zum Teil erfolgte, beschreiben die Forscher*innen im Kapitel „Schwierigkeiten in Erhebung & Analyse“. Dort ist von Angaben die Rede, die teils „widersprüchlich bzw. nur schwer interpretierbar“ gewesen seien. Wenn nämlich Maßnahmen von demselben Ministerium sowohl als „vollständig umgesetzt“ als auch als „teilweise umgesetzt“ vermerkt waren. Oder ein Ministerium das eine, ein anderes wiederum das Gegenteil davon sagte.
Die Organisationen der Zivilbevölkerung ihrerseits wurden nicht danach befragt, welche Maßnahmen zu welchem Grad umgesetzt wurden – eine Entscheidung die die Forscher*innen nachträglich bedauern. In ihrer allgemeinen Einschätzung äußerten die Organisationen durchgängig „eine wahrgenommene Tendenz zur Stagnation“ in puncto LGBTIQA-Rechte.
Wie geht’s weiter?
Als einen Grund für den mangelnden Fortschritt nannten die Ministerien unter anderem „Probleme in der Definition der Maßnahmen bzw. Anlaufschwierigkeiten“. Diesbezüglich empfehlen die Forscher*innen dem Ministerium für Gleichstellung und Diversität, „solche Definitionsprobleme gezielt anzusprechen und zu klären“. Zudem sei es „unabdingbar Daten darüber zu gewinnen, welche Einstellungen und Überzeugungen in der Luxemburger Bevölkerung bestehen“, um diese in die Konzeption von Sensibilisierungskampagnen einfließen lassen zu können.
Die LGBTIQA-Organisationen fordern laut Bericht, den Fokus verstärkt intersektional und auf vulnerable Gruppen – vor allem auch auf Kinder – auszurichten. Von den Organisationen sei zudem der Wunsch nach „einer transparenteren Kommunikation und einem intensiveren Austausch aller am PAN LGBTI beteiligten Akteure“ geäußert worden.
Die zuständige Ministerin Yuriko Backes (DP) kündigte in einem Presseschreiben an, das interministerielle Komitee zur Förderung der Rechte lesbischer, schwuler, bisexueller, trans und intergeschlechtlicher Menschen reformieren zu wollen. Ein entsprechendes „arrêté gouvernemental“ wurde am Montag vom Regierungsrat angenommen.