STADTPLANUNG: Autofreie Zukunft

Bis 2010 soll der „Plan d’Aménagement Général“ (PAG) der Hauptstadt spruchreif sein. Nach dem Vago- und dem Jolyplan der dritte Versuch seit Ende des Zweiten Weltkriegs, das urbanistische Wachstum in den Griff zu bekommen.

Das erweiterte Stadtzentrum soll sich entlang der geplanten Tramtrasse entfalten.

Flächendeckende 30-Stundenkilometerzonen in den Stadtvierteln, entschärfte Hauptachsen mit einer reellen 50-Stundenkilomterbegrenzung, Passiersperren im Stadtzentrum, das komplett als Fußgängerzone ausgewiesen ist: Das liest sich wie das grüne Wahlprogramm aus den 80er-Jahren, steht aber in der von den Verkehrsplanungsbüros Adeus, Traf-fico und Zeyen+Baumann angefertigten „étude préparatoire“ zum PAG, die Stadtbürgermeister Paul Helminger Ende letzter Woche vorstellte.

Allein die Vorschläge zur künftigen Organisation des Verkehrs in der Hauptstadt machen den Paradigmenwechsel deutlich. Als in den 60er-Jahren der französische Urbanist Vago beauftragt wurde, die Stadt für das 21. Jahrhundert fit zu machen, lautete die Devise: Straße frei für das Automobil. Der Trambahn hatte man sich wenige Jahre zuvor entledigt, das gesamte innerstädtische Straßennetz wurde in ein Einbahnsystem verwandelt, welches „freie Fahrt für freie Bürger“ garantieren sollte.

Doch die Autolawine kam schneller als erwartet, und so wurde über 30 Jahre lang versucht, mit Penetranten, Umgehungen und Untertunnelungen den Verkehr zu bewältigen – zu einer Zeit, wo andere Metropolen sich bereits eines Besseren belehren ließen.

Noch zur Jahrtausendwende wurden in Luxemburg-Stadt Wahlen mit dem Versprechen gewonnen, möglichst viele Parkhäuser in und um das Stadtzentrum zu platzieren. Spätestens seit dem Koalitionswechsel 2004 scheint die Zeit zum Umdenken gekommen. „Ich bin bekanntlich ein Autonarr“, sagt Paul Helminger, „aber mir machen Autos nur dann Spaß, wenn ich damit herumfahren kann, nicht wenn ich im Stau stehe!“ Allen Unkenrufen zum Trotz steht er hinter dem Konzept, das Autofahren in der Stadt unattraktiv zu machen. Denn bei der DP-Stammklientel sind überbreite Busspuren und abschreckende Verkehrsführungen alles andere als beliebt.

Die PAG-Vorläuferstudie räumt auch mit einigen Vorurteilen auf: Die Zahl der Einwohner in Luxemburg-Stadt steigt seit den 90er-Jahren wieder kontinuierlich an – zuletzt auf 85.859. Freilich gibt es Unterschiede je nach Wohnviertel – so wurden in der Oberstadt 2006 4,7 Prozent weniger EinwohnerInnen gezählt als noch 1997, während der Stadtteil Cents in der gleichen Zeit um 47,5 Prozent zulegte.

Das Gefühl, die Stadt werde von PendlerInnen geradezu erdrückt, fand dagegen seine statistische Bestätigung: Auf jeden gemeldeten Einwohner kamen 2006 1,58 Arbeitsplätze – mit der Konsequenz, dass es pro Tag 420.000 Verkehrsbewegungen allein mit privaten Fahrzeugen gab. Kumuliert man Einwohnerzahlen und Arbeitsplätze, so werden sich in 20 Jahren an normalen Werktagen schätzungsweise fast 400.000 Menschen in der Stadt aufhalten. Um die aufnehmen zu können, soll das Stadtzentrum durchgehend vom Campus „Geessekneppchen“ bis hin zum Kirchbergplateau ausgeweitet und sollen sekundäre Zentren in der Peripherie angelegt werden (siehe Schaubild). Dazwischen dürfen sich die Menschen vor allem mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrädern und per pedes bewegen – und müssen auf Autos weitestgehend verzichten. Am Ende war dann die Sorge um die Standfestigkeit des Pont Adolphe vielleicht umsonst: Eine Stadtautobahn wie jetzt wird ja nicht mehr gebraucht.


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