TYRANNENGELDER: Transparenz ungenügend

Noch vor einigen Tagen hieß es, es gebe keinerlei Verbindung zwischen dem Finanzplatz und dem Regime in Libyen. Jetzt werden vorsorglich Konten gesperrt.

Angriff ist die beste Verteidigung. Nach diesem Motto handelt derzeit der Finanzminister, wenn es darum geht, über etwaige Verbindungen des Luxemburger Finanzplatzes mit den in Bedrängnis geratenen Regimen in Afrika und dem Mittleren Osten Aufschluss zu geben.

Noch vor wenigen Wochen wurde eine von den Grünen gestellte Frage zu möglichen Konten des ehemaligen tunesischen Präsidenten Ben Ali mit dem knappen Bescheid abgetan, derartige Diktatoren-Guthaben seien in Luxemburg unbekannt und die Regierung werde zu gegebener Zeit die Vorgaben der EU umsetzen. Jetzt erklärt der für das Finanzwesen zuständige Minister Luc Frieden, man habe „vorsorglich“ zwei libysche Konten gesperrt. Und weil es ja darum geht zu beweisen, dass Luxemburg von sich aus alles tut, um sich jedes Verdachtes zu entledigen, ist man auf die jetzt durchgeführte Aktion unverkennbar stolz: Man sei aus eigenem Entschluss und ganz ohne Befehl von oben tätig geworden, denn schließlich stünden die fraglichen Konteninhaber nicht auf der Liste der 16 von der EU als dem Ghaddafi-Clan zugehörig erklärten Familien. Und die Guthaben befänden sich „unterhalb der Milliardengrenze“ – also alles nur Pipifax?

Ganz nebenbei tauchten auch dubiose tunesische Konten auf, die nun ebenfalls gesperrt werden. Demnach ist klar: Der Minister war jeweils zu dem Zeitpunkt, wo die Regime in Nordafrika zu wanken begannen, nicht darüber informiert, welche finanziellen Bande zwischen unserem Finanzplatz und den Staaten, beziehungsweise den Regimen und den an ihrer Spitze stehenden Potentaten, tatsächlich bestanden. Das ist auch gar nicht vorgesehen. Denn die Banken sind zwar zur Meldung verpflichtet, wenn es einen begründeten Verdacht gibt, dass mit den von ihnen verwalteten Geldern etwas nicht in Ordnung ist. Geschieht dies aber auch tatsächlich? Die Justiz weiß es nicht und kann nur hoffen, dass ihr alle Vorkommen tatsächlich gemeldet werden.

In der Schweiz, die sich gerne brüstet, eine Pionierrolle im Aufspüren und Blockieren von Tyrannengeldern eingenommen zu haben, ist inzwischen eine Diskussion darüber entbrannt, wie weit die allein auf die Deklaration der Banken ausgerichtete gesetzliche Regelung überhaupt funktionieren kann. Tatsächlich hat die Schweiz in den Fällen Ben Ali und Mubarak jeweils mehr als einen Tick schneller reagiert als Luxemburg. Dennoch zeigt sich die um Entwicklung und Menschenrechte bemühte Zivilgesellschaft auch dort enttäuscht über die zu späte und vor allem wenig transparente Vorgehensweise der Behörden.

Moniert wird vor allem, dass diemeldepflichtigen Verdachtsmomente zu eng gefasst sind. Viele illegale Gelder erreichen die Finanzzentren in Europa nicht direkt, sondern fließen erst durch undurchsichtige Kanäle, bevor sie als sauberes Investmentkapital in die wichtigen Zentren gelangen.

So entstand der Wunsch, den Geltungsbereich der Meldepflicht auf vermeintlich „harmlose“ Gebiete, wie den Rohstoffhandel oder internationale Immobiliengeschäfte, auszuweiten. Auch die Frage, ob es Banken nicht generell verboten werden sollte, mit Unrechtsregimen in Geschäftskontakt zu treten stellt sich. Da ja immer geleugnet wird, dass es eine solche Zusammenarbeit überhaupt gibt, dürfte dies den einzelnen Häusern eigentlich keine Bauchschmerzen bereiten…

Allerdings kann man von den Banken kaum verlangen, moralischer zu sein als die hiesige Politik und große Teile der Wirtschaft, die beide am billigen Bezug von Rohstoffen aus diesen Teilen der Welt ein vitales Interesse haben.

Es bleibt also nur die Hoffnung, dass wenigstens dann, wenn Diktatoren und ihre Cliquen geschasst werden, die unrechtmäßig im Ausland gehorteten Gelder zurückgelangen und zum Nutzen der Bevölkerung eingesetzt werden. Doch mangelnde Transparenz macht es den rechtmäßigen Besitzern schwer, auch nur zu wissen, was eigentlich ihr Eigentum ist. Von einer Auszahlung ganz zu schweigen: Die Haitianer warten noch immer auf das blockierte Vermögen ihres vor 25 Jahren gestürzten Despoten.


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