EMBRYONEN: Gesetzeslücke?

Weniger ein Gesetz als vielmehr ein pragmatisches Herangehen fordert die Ethikkommission in ihrem Gutachten zur Embryonenforschung und zur künstlichen Befruchtung.

„Die ethischen Werte sind zeitbedingt. Sie verändern sich und hängen mit der Entwicklung der Gesellschaft zusammen. Hier spielen auch Technik und Wissenschaft, die sich laufend entwickeln, eine große Rolle“, meint Paul Kremer, Präsident der nationalen Ethikkommission, zu der sich wandelnden Bewertung von gesellschaftlichen Fragen. Anlass zu dieser Äußerung gab die Vorstellung des Gutachtens „Aspects éthiques de la médicalisation de la conception humaine“, das diese Woche vorgestellt wurde. Es behandelt zwei mit dem werdenden Leben zusammenhängende Themen: die künstliche Befruchtung und die Forschung an Embryonen. Das Gutachten ist die Stellungnahme der nationalen Ethikkommission, um die der Gesundheitsminister und der Minister für Forschung ersucht hatten.

Statt eine philosophische Diskussion über den Rechtsstatus des Embryos zu führen, hat die Ethikkommission eine eher pragmatische Herangehensweise gewählt und sich auf die Praxis der künstlichen Befruchtung bezogen, die seit mehr als fünf Jahren im „Centre hospitalier“ (CHL) der Stadt Luxemburg realisiert wird ? bislang ohne Zwischenfälle und frei von Kritik. Eine künstliche Befruchtung wird heterosexuellen Paaren ermöglicht, wenn ihr Kinderwunsch ernsthaft und solide erscheint und die Frau nicht älter als 43 Jahre ist. Den rechtlichen Rahmen für diese Intervention legen bisher weniger gesetzliche Regelung zur künstlichen Befruchtung als vielmehr bestehende Einrichtungen wie das Collège médical, dem die Ärzte unterstellt sind, und die verantwortliche CHL-Verwaltung fest. Dass diese Strukturen als Kontrollinstanzen ausreichen, stellt die Kommission nicht in Frage. Sie regt aber die Einrichtung einer Samenbank an ? mit unvergüteten Spermaspenden. Frauen, die Eizellen zur Verfügung stellen, sollen dagegen eine finanzielle Entschädigung erhalten, da der Eingriff aufwendiger sei.

Zudem befürwortet die Ethikkommission, dass die SpenderInnen anonym bleiben sollen. Was die Rechte der so gezeugten Kinder anbelangt, gelte in Luxemburg die UN-Kinderrechtskonvention. Auf Basis dieser Konvention befürwortet die Ethikkommission ein dreistufiges Informationsrecht: Ein Kind habe das Recht auf erbbiologische Datenangaben zu seinen biologischen Eltern. In einem zweiten Schritt dürfe es auch deren persönliche Merkmale und Interessen erfahren. Wolle das Kind dagegen die Identität eines biologischen Elternteils in Erfahrung bringen, müsse dieser – dem zuvor Rechtssicherheit zuzusichern sei – seine Einwilligung geben. Und falls es dann zu einer Kontaktaufnahme komme, seien materielle Ansprüche jeglicher Art ausgeschlossen.

Auch bei den Fragen zur Embryonenforschung, die bisher zumindest offiziell in Luxemburg nicht praktiziert wurde, weicht die Ethikkommission einer ethischen Grunddiskussion aus und geht eher pragmatisch vor: Erlaubt ist die Forschung an überschüssigen befruchteten Eizellen während der Zeit, in der diese in einem nicht natürlichen Umfeld überleben: Das sind rund 10 Tage. Vorausgesetzt ist jedoch auch, dass die SpenderInnen dieser überschüssigen befruchteten Eizellen mit der Verwendung einverstanden sind.

Die Alternative zur Forschung wäre, solche Embryonen irgendwann zu zerstören. „Dann ist es rational, sie wenigstens für die Forschung zu nutzen“, meint Kremer. Ein Embryonenschutzgesetz wie das in Deutschland geltende, das die Forschung einerseits verbietet, jedoch an importierten embryonalen Stammzellen gestattet, sei heuchlerisch. Auch eine übermäßige Regelung der Forschung, wie in Frankreich, sei unsinnig. „Gerade diese Gesetze haben aufgrund der wissenschaftlichen Entwicklung ein schnelles Verfallsdatum“, so Kremer. Die Ethikkommission orientiert sich deshalb eher an der belgischen Gesetzesregelung, die die Entscheidungen letztlich dem Einzelnen überlässt. In Belgien kann zum Beispiel jeder Spender selbst entscheiden, ob er anonym bleiben will oder nicht.

 


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