Das Stück vom Koalitionskuchen, das sich die LSAP abschneidet, wird nicht sehr groß ausfallen. Und es könnte vergiftet sein.
Jean Asselborn ist wegen seiner direkten und freundlichen Art in der Partei allgemein beliebt. Doch es gibt auch Mitglieder, die den LSAP-Parteipräsidenten nicht mögen. Die erzählen derzeit hämisch, ihr Spitzenkandidat lerne fleißig Englisch im Hinblick auf den ihm zustehenden Posten als Außenminister. Man malt sich dabei die verzweifelten Bemühungen des Gemeinde- und Parteipolitikers aus, sich im Schnellverfahren das Handwerkszeug des echten Jet-Set-Politikers anzueignen. Und sein enttäuschtes Gesicht, wenn Jean-Claude zu ihm sagen wird: „Jhang, du hast das doch nicht ernst gemeint?“
Dass Jean Asselborn nicht der geborene Außenpolitiker ist, wusste man spätestens, als er vor 16 Monaten Erklärungen stammelte, warum seine Partei gegen den Irak-Krieg ist. Doch mangelnde Fähigkeiten waren noch nie ein Hindernis, diesen Posten zu ergattern. Jean Asselborns wirkliches Problem: Jean-Claude Juncker will diesen Schlüsselposten im Hinblick auf die EU-Présidence 2005 „stark und schwarz“ besetzen. Inhaltlich wird das der LSAP kaum Probleme bereiten, denn in Sachen Außenpolitik hat sie in fünf Jahren Opposition kaum je Flagge gezeigt.
Soziales – geschenkt
Umso wichtiger ist es für die Glaubwürdigkeit der sozialistischen Partei, bei den sozialen Themen zu punkten. Gegenüber der woxx bezeichnet Mars di Bartolomeo diese Politikbereiche als die wichtigsten, sieht allerdings keine großen Unterschiede zur CSV. Bei einem Regierungsprogramm gehe es eben nicht nur darum, wer sich in welchen Streitfragen durchsetzt. „Es gibt auch neue gute Ideen von der einen oder anderen Seite, die ins Programm aufgenommen werden können.“ Mars di Bartolomeo ist sich sicher: „Dieses Koalitionsabkommen wird eine andere Handschrift tragen als jenes der vorhergehenden Regierung.“ Das heißt wohl, dass man das Ausscheiden der DP bemerken wird, beantwortet aber nicht die Frage, ob die Handschrift der LSAP durchscheinen wird.
Die sozialen Ressorts wird die CSV den Sozis wohl bereitwillig überlassen, allen voran das Gesundheitsministerium, zumal das nächste Milliardenloch bei den Krankenkassen sich schon ankündigt. Ministrabler Nummer 1 wäre in diesem Bereich Mars di Bartolomeo, Düdelinger Bürgermeister und Erstgewählter im Süden. Wahrscheinlich würde dann Alex Bodry das Bürgermeisteramt in Düdelingen zufallen, ein Posten, um den er bei den Gemeindewahlen 1999 hart gekämpft hatte – damals ohne Erfolg.
Eine der am schwersten einzuschätzenden Personalfragen ist die, ob John Castegnaro Minister wird. Auf sein Wahlergebnis – Fünftgewählter im Süden – kann er sich jedenfalls nicht berufen. Allerdings könnte auch der Koalitionspartner Interesse haben, den Gewerkschaftsboss ins Boot zu nehmen, in der Hoffnung, dadurch künftigen Sozialkonflikten vorzubeugen. Dafür würde die CSV womöglich sogar das Arbeitsministerium hergeben. Noch-Arbeitsminister François Biltgen könnte als Außen- oder Europaminister berufen werden, um an Junckers Seite die Présidence zu gestalten. Und dabei europäische Erfahrungen und Lorbeeren sammeln im Hinblick auf die Nachfolge des Premiers.
Klarer ist die Sache beim Wirtschaftsressort: Indem Jean Asselborn bereits am Wahlabend Robert Goebbels Erfolg bei den Europawahlen würdigte – eine Fahrkarte „Straßburg, Aller simple“ – machte er endgültig den Weg für Jeannot Krecké frei, um die Nachfolge Henri Grethens anzutreten. Die CSV wird sich dem umso weniger widersetzen, als Jeannot Krecké sich während der Wahlkampagne besonders nett gegenüber seinem Wunsch-Koalitionspartner verhielt.
Auch im Bereich Verkehr gibt es ein nahe liegendes Szenario: Über BTB durchs Stadtzentrum wird man sich einig und bringt damit die hauptstädtische DP in die Rolle der Bremserin – die Gemeindewahlen stehen für den Herbst 2005 an. Als Besetzung würde sich Mady Delvaux-Stehres anbieten, LSAP-Zweitgewählte im Zentrum und Transportministerin von 1994 bis ’99.
Um das Schulministerium dagegen wird die CSV vermutlich mit Zähnen und Klauen kämpfen, und ihr Wunschkandidat ist – die Spatzen pfeifen es von den Dächern – Claude Wiseler, hauptstädtischer Schulschöffe und brillanter Zweiter im Wahlbezirk Zentrum. Was das für die Schulpolitik bedeutet, ist unklar. Claude Wiseler wird vermutlich pragmatischer vorgehen als Anne Brasseur, aber den Reformstau im Luxemburger Schulsystem aufzulösen dürfte ihm kaum gelingen. Denn die etwas fortschrittlicher denkende LSAP wird in diesem Dossier außen vor bleiben, und der Premier persönlich hat die Grenzen abgesteckt: Er habe nie an die Möglichkeit einer „Bildungsoffensive“ geglaubt, wie sie Anne Brasseur vor fünf Jahren angekündigt hatte.
Kröten schlucken wird die LSAP auch bei den gesellschaftspolitischen Fragen: Adieu Homo-Ehe, Adieu Euthanasie. Auch die doppelte Staatsbürgerschaft dürfte in einer restriktiven CSV-Variante eingeführt werden. Und die von linken MilitantInnen traditionell hochgehaltene Trennung von Kirche und Staat wird in den kommenden fünf Jahren „lettre morte“ bleiben.
Das stellt die LSAP vor ein Problem: Im Sozialen, wo sich die Programme gleichen, wird sie nicht als Gewinner dastehen, im Gesellschaftspolitischen dagegen als Verlierer. Und riskiert, in fünf Jahren die Zeche zu zahlen. Mars di Bartolomeo will davon nichts wissen: „Das ist Defätismus.“ Die LSAP sei eine starke und stolze Partei, auch die CSV werde Konzessionen machen müssen. Und er wählt einen überaschenden Vergleich: die rot-grüne Koalition in Deutschland. „Dort hat es der kleineren Partei auch nicht geschadet, als Juniorpartner in eine Koalition zu gehen.“