REFORM DES KOOPERATIONSGESETZES: Ziviler Ungehorsam

Im März deponierte die Regierung ein neues Entwicklungshilfegesetz. Das Endprodukt wurde vom Cercle des ONGD gewogen und als zu leicht befunden.

Gut fünfzehn Jahre sind seit der letzten Revision des Luxemburger Entwicklungshilfegesetzes vergangen. Inzwischen ist einiges passiert: Luxemburg hat sein Kooperationsbudget kontinuierlich erhöht und ist dem exklusiven Club der Nationen beigetreten, die – wie schon 1970 versprochen – mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe einsetzen. Vor kurzem wurde sogar die Ein-Prozent Marke überschritten.

Das Gros der von Luxemburg getätigten bilateralen Hilfe wird von Lux-Development abgewickelt, einer privatrechtlichen Einrichtung, die inzwischen zur Gänze dem Staat gehört. Seit den 90er Jahren setzt Luxemburg seine Mittel auch gezielter ein und hat mit rund zehn Zielländern sogenannte PICs – programmes indicatifs de coopération – vereinbart, die über mehrere Jahre laufen und Rechte und Pflichten beider Seiten festlegen. Und auch in der multilateralen Entwicklungshilfe operiert Luxemburg trotz seiner, in absoluten Zahlen gemessen, eher bescheidenen Möglichkeiten inzwischen mit einer gewissen Routine.

Es wäre also an der Zeit gewesen, die Gesetzgebung diesen veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Schon 2002 hatten die sozialistischen Abgeordneten Lydie Err (Ende der 1990er Jahre Staatssekretärin im Kooperationsministerium) und Marc Angel eine Gesetzesinitiative vorgelegt, in der die neuen Strukturen der Luxemburger Entwicklungshilfe genauer beschrieben waren. Als im vergangenen Jahr der Staatsrat den AutorInnen über weite Strecken eine gute Arbeit bescheinigte, kündigte das Kooperationsministerium an, selber eine Gesetzesreform vorlegen zu wollen.

In der gemeinsamen Arbeitsgruppe der Luxemburger Entwicklungshilfeorganisationen (ONGD) und des Ministeriums wurden zwar mehrfach die großen Prinzipien der neuen Gesetzgebung diskutiert, doch der eigentliche Gesetzestext wurde den Organisationen so lange vorenthalten, bis er in der Chamber deponiert war. Änderungsvorschläge, geschweige denn eine Neuorientierung des Textes, sind damit nur noch mit dem parlamentarischen Instrument der Amendements zu realisieren – sofern die VertreterInnen der Koalitionsparteien bereit sind, diesen Weg zu beschreiten.

Dass der Cercle des ONGD die ministerielle Vorlage kritisieren würde, war vorauszusehen (siehe auch woxx 1102), denn anders als der Entwurf von Err und Angel bleibt sie weit hinter den Erwartungen zurück. Weder Lux-Development noch die PICs, weder die Zielländer noch die multilateralen Verpflichtungen finden eine angemessene Erwähnung im neuen Text. Das Argument: Das Gesetz solle so viel Flexibilität wie möglich bieten und lediglich die großen Prinzipien der Luxemburger Förderung darstellen.

Die ONGD zeigen sich in ihrem Gutachten skeptisch, ob diese Strategie langfristig erfolgreich sein wird. Der aktuell vorherrschende positive Grundtenor gegenüber der Entwicklungshilfe habe bislang zwar vieles leichter gemacht. Eine weniger gutgesinnte Mehrheit könnte aber mit einem eher vage abgefassten Gesetz ganz schnell den Hahn wieder zudrehen. Außerdem führten die schon im 1996er Gesetz vorhandenen Ungenauigkeiten zu einer gewissen Beliebigkeit, durch die die Kontrollfunktion der Abgeordnetenkammer empfindlich eingeschränkt werde.

Die ONGD kritisieren ebenfalls, dass das Prinzip der politischen Kohärenz nicht in das neue Gesetz aufgenommen wurde. Es hätte das zuständige interministerielle Komitee dazu verpflichtet, alljährlich einen Bericht über die Luxemburger Gesamtpolitik aus dem Blickwinkel der Entwicklungspolitik zu erstellen – so wie es die OCDE noch im Juli 2010 für Luxemburg verlangt hatte.

Die ONGD haben es sich mit ihrer Kritik am Gesetz nicht leicht gemacht, fordern sie doch, auch für ihre eigene Anerkennung, strengere Richtlinien. Doch dass sie „ihrem“ Ministerium jetzt eine schlechte Note ausstellen müssen, hat dieses wohl sich selber zuzuschreiben. Denn was die Verantwortlichen als zivilen Ungehorsam empfinden, ist ein gesundes Regulativ im demokratischen Zusammenspiel. Und eine Denkanregung für die zuständige Chamberkommission, die die entsprechenden Amendements nur noch abzuschreiben braucht.


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