Der Energiepass muss seit 2010 bei jeder Immobilientransaktion vorgelegt werden. Das soll mehr Transparenz im Markt schaffen. Gespräche mit Käufern, Mietern und Maklern zeigen, dass dieses Ziel bisher nur teilweise erreicht wurde.
Die Suche nach einer geeigneten Bleibe verläuft selten nach Schema F. Im Gegenteil spiegeln sich in ihr die unterschiedlichsten Lebensgeschichten. André D.1 und seine Frau, beide Lehrer, haben insgesamt über sechzig Häuser besichtigt und erst nach einem Jahr das „perfekte“ Bauernhaus auf dem Land entdeckt. Catharina P., Künstlerin, hat binnen zwei Wochen eine neue Bleibe finden müssen und sich für eine kleine Mietwohnung in einem „noch nicht gänzlich gentrifizierten“ Hauptstadtviertel entschieden, die ihr bescheidenes Budget nicht sprengt. Marco H., Beamter, hat bereits ein Haus, wollte aber wegen der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise „an de Steen investéieren“ um sich zukünftig als Vermieter eine Rendite zu sichern. Niloufar M. und ihr Mann haben einen Neubau beim Fonds de Logement erworben, nachdem sie jahrelang vergeblich auf dem privaten Immobilienmarkt nach einem geeigneten Haus für sich und ihre drei Kinder gesucht hatten. Eine Gemeinsamkeit findet man dennoch in den verschiedenen Erfahrungsberichten: alle sind während ihrer Suche und spätestens beim Unterzeichnen des Miet- oder Kaufvertrags dem Energiepass begegnet.
Dessen Herzstück sind die neun Energieeffizienzklassen, in die jedes Gebäude gemäß seinem Energieverbrauch eingestuft wird. Fast alle Interviewpartner konnten die Buchstaben A, B, C und D mit den Begriffen Passiv-, Niedrigenergie- und Energiesparhaus in Verbindung bringen. Bei den Klassen E bis I wird keine Unterscheidung mehr gemacht, außer dass diese eben die „schlechten“ Klassen seien. Der Pass hat somit ein wichtiges Ziel erreicht: Wenn zwischen energetisch besseren und energetisch schlechteren Gebäuden unterschieden wird, so meint Tom Eischen von der Direction Générale de l`Energie im Wirtschafts- und Außenhandelsministerium, habe der Energiepass einen Einfluss auf den Markt. Ein „guter“ Energiepass sei heute ein Qualitätssiegel, das den Konsumenten durch transparente Information ein umweltbewusstes Kaufverhalten ermöglichen soll, ähnlich wie beispielsweise ein Label für energieeffiziente Haushaltsgeräte.
Zudem beobachte man, dass die Einführung von Energieklassen im Neubausektor eine stärkere Nachfrage für energieeffiziente Wohngebäude geschaffen habe. Auch hier hat der Energiepass seine Mission erfüllt.
Auch wenn natürlich nicht jeder, der zwischen „guter“ und „schlechter“ Energieklasse unterscheidet, auch eine entsprechende Entscheidung trifft. Dafür gibt es unter anderem finanzielle Gründe: Unter den Befragten war das Einkommen in dieser Hinsicht entscheidend ? ausschließlich Besserverdienende haben sich energieeffiziente Neubauten auf dem privaten Markt leisten können. Dies trifft beispielsweise auf Manoel C. zu, ein Spitzenverdiener der per Hausbau „seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten“ will. Ein anderes Beispiel ist Marco. H., der eine Zweitwohnung der Klasse B gekauft hat, weil „man eine hohe Miete nur einfordern kann, wenn man den neusten Stand der Technik anbietet“.
Auch das Wirtschaftsministerium schließt nicht aus, dass der Energiepass als Instrument „in unterschiedlichen Bevölkerungsschichten unterschiedlich wahrgenommen wird“, unterstreicht aber gleichzeitig, dass der Energiepass kein sozialpolitisches Instrument sei, sondern eben lediglich Informationen über Energieverbrauch im freien Immobilienmarkt liefere.
Im Altbausektor, der nach Energieeffizienzkriterien als sanierungsbedürftig gilt und derzeit etwa 160 000 (von insgesamt rund 190 000) Wohneinheiten im Land ausmacht, stellen sich die Probleme anders dar. Hier bremsen administrative Hürden und Desinteresse bei Maklern und Kunden eine stärkere Berücksichtigung des Energiepasses während der Wohnungssuche. Erstaunlicherweise gaben alle befragten Personen, die sich für einen Altbau entschieden haben, unabhängig von ihrem Einkommen an, den Energiepass gar nicht konsultiert zu haben. Dabei enthält das insgesamt fünfseitige Dokument einige Detailinformationen, die den Wohnungssuchenden durchaus nützlich sein könnten.
Angebot und Nachfrage
Eine mögliche Erklärung ist, dass es keinen Bedarf für diese Informationen gibt. Viele vertrauen ihrer eigenen „Laienexpertise“: Ein kurzer Blick auf den Zustand der Fenster, der Heizanlage, des Dachs und des Kellers liefere den nötigen Eindruck, so ein häufiges Argument. Dass man auf Seite zwei des Energiepasses erfahren kann, wie viel Kilowattstunden (kWh) theoretisch pro Jahr zum Heizen und Wasserwärmen verbraucht werden und auf Seite vier der tatsächliche Verbrauch (ebenfalls in kWh) die vorherigen Bewohner während der letzten drei Jahre steht, wusste keiner der Gesprächspartner. Ebenso wenig, dass sie auf Seite fünf auch noch das Energiesparpotential zukünftiger Sanierungsarbeiten hätten finden können, diesmal in Euro ausgedrückt.
Das geringe Interesse für dieses Informationsangebot rührt teilweise daher, dass der Pass ohnehin zu spät im Entscheidungsprozess auftaucht. Allenfalls nimmt man die Energieklasse zur Kenntnis, der gesamte Energiepass aber wird als reine Formalität wahrgenommen. Negative Überraschungen sind hier nicht ausgeschlossen. Eine Interviewpartnerin hatte sich nur informell beim Makler nach der Energieklasse erkundigt. Dieser hatte ihr versichert, ihre frisch sanierte Altbauwohnung liege in der Klasse C. Als ihr beim Notar dann die Unterlagen zum Unterschreiben vorgelegt wurden, stand auf der ersten Seite des Energiepass ein großes E. Der Makler habe das mit einem „Ups“ kommentiert und sie sei zu dem Zeitpunkt schon zu verliebt in die Wohnung gewesen, um noch kurzfristig abzuspringen. Solchen Zwischenfällen kann womöglich vorgebeugt werden, wenn die Reform des Energiepasses, die sich derzeit auf dem Instanzenweg befindet, in Kraft tritt und eine offizielle Angabe der Energieklasse bereits in den Immobilienanzeigen obligatorisch wird.
Woran diese Reform jedoch nicht unbedingt etwas ändern wird, ist das geringe Interesse der Immobilienmakler am Energiepass besonders im Altbausektor, wo Energieeffizienz selten ein Verkaufsargument darstellt. Diese Mittelspersonen spielen eine Schlüsselrolle: Sie wickeln in Luxemburg rund 90 Prozent der Immobilientransaktionen ab und bleiben häufig die einzigen Fachleute mit denen Wohnungssuchende in Kontakt kommen. Manche Makler haben eine kurze Einführungsveranstaltung besucht und kennen sich mit den Grundzügen des Passes aus ? welche Informationen ihre Kunden über die Energieklasse hinaus in dem Dokument finden können, wussten die befragten Vermittler aber nicht.
Makler ohne Makel?
Zudem machten einige Makler im Gespräch keinen Hehl daraus, dass sie den Energiepass für sinnlos halten und dies auch ihren Kunden vermitteln. Die Skepsis geht aber nicht ausschließlich auf die Befürchtung zurück, mehr Transparenz könne dem Geschäft schaden. Sie nährt sich teilweise auch aus negativen Alltagserfahrungen: Da viele Verkäufer oder Vermieter noch keinen Energiepass haben, wenn sie den Makler mit der Vermittlung ihrer Immobilie beauftragen, sind die meisten Immobilienbüros eine Verbindung mit einem Ingenieur oder Architekten ihrer Wahl eingegangen, der ihnen die fehlenden Pässe möglichst schnell erstellt. Einige Makler sind nicht davon überzeugt, dass diese Experten immer mit der gebotenen Gewissenhaftigkeit vorgehen. Der Escher Immobilienmakler Fabrice S. hat bereits mit unterschiedlichen Ingenieurbüros zusammengearbeitet. Sein Eindruck: Sie arbeiten oberflächlich und halten den Pass selber für „kompletten Schwachsinn“.
Ein Architekt erachtet dies als eine übertriebene Unterstellung, bestätigt aber hinter vorgehaltener Hand, dass es möglich sei, den Energiepass mit weniger Aufwand als vorgesehen anzufertigen. Auch bei seriösen Pässen könne man etwas schummeln und das Resultat „verbessern“. Im Wirtschaftsministerium geht man dennoch nicht von regelmäßigem Betrug bei der Erstellung von Energiepässen aus. Man sei sich bewusst, so Eischen, dass die Qualität der Energiepässe kontrolliert werden muss, um gegebenenfalls Experten, die fehlerhafte Energiepässe erstellt haben, zur Verantwortung zu ziehen. Derzeit führe man Kontrollen durch, die in den kommenden Monaten abgeschlossen werden sollen.
Der Energiepass wurde erst im Jahr 2008 eingeführt und ist, wie die zahlreichen Reformen seit seiner Einführung zeigen, noch wandlungsfähig. Tom Eischen versteht die in den Interviews zum Vorschein getretenen Probleme als „Geburtskomplikationen“. Das Instrument an sich sei gut, und ohnehin habe die EU-Gebäuderichtlinie hier keine Wahl gelassen. Die verbleibenden Startprobleme sollen mittels gezielter Sensibilisierungsarbeit durch die Beratungsstelle „my energy“ behoben werden. Ob sich der Energiepass im Kontext des angespannten Luxemburger Immobilienmarkts langfristig aber wirklich als das geeignete Mittel zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden bewährt, bleibt abzuwarten.
1 Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
Dieser Artikel beruht auf 23 Interviews, welche die Autorin diesen Sommer im Rahmen ihrer Abschlussarbeit an der London School of Economics durchgeführt hat.
Siehe auch ENERGIEWOCHEN 2011