EURO-RETTUNG: Triumph der Märkte

Beim Euro-Gipfel sind die Banken glimpflich davongekommen. Darüber sollten sie sich nicht zu sehr freuen. In der Bevölkerung sinkt die Bereitschaft, eine solche „wirtschaftsfreundliche“ Politik zu akzeptieren.

Sind die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom Mittwochabend wirklich eine globale Antwort auf eine „globale Krise“, wie es Jean-Claude Juncker darstellte? Gewiss, die gefürchteten Panikreaktionen der Börsen auf den Schuldenschnitt Griechenlands sind fürs erste ausgeblieben. Dennoch wirken andere Einschätzungen realistischer: Angela Merkel sprach von einem „vertretbaren Risiko?, Weltbank-Chef Robert Zoellick von einem „Zeitgewinn?. Es scheint demnach, als habe sich die Politik gegen die wirtschaftlichen Interessen durchgesetzt. Doch in Wirklichkeit verfolgen die Politiker wie gebannt die Reaktionen der Märkte. Obwohl die Banken zum Teil nachgeben mussten, ist die Macht des Finanzkapitals erkennbar ungebrochen.

Die Ohnmacht der Politik sei selbstverschuldet, lautet ein Vorwurf, die einen Länder hätten „über ihre Verhältnisse gelebt?, die anderen zu lange dabei zugeschaut. Solche orthodox-liberalen Erklärungsversuche haben an Überzeugungskraft eingebüßt, werden aber immer noch gerne vorgebracht, um neue Austeritätsmaßnahmen zu fordern. Treffender ist da schon der Vorwurf, die Brüsseler Elite habe es seit Beginn der Krise an Entschlossenheit fehlen lassen. Doch selbst für sozial orientierte, entschieden pro-europäische PolitikerInnen dürfte es nicht leicht sein, den Erpressungsversuchen der globalen Finanz und dem Populismus zu Hause zu trotzen.

Ungerechtfertigt ist auch die Unterstellung, das Kräftemessen mit den Banken sei ein abgekartetes Spiel. Die politische Sphäre und ihre Akteure haben gegenüber der Wirtschaft starke Eigeninteressen. Wiedergewählt zu werden, ist eines davon, andere sind der Machterhalt der Nationalstaaten und, ganz allgemein, die Förderung der öffentlichen Wohlfahrt, wie auch immer diese definiert sein mag. Allerdings lassen die PolitikerInnen sich vom herrschenden Wirtschaftssystem vereinnahmen – was zu fragwürdigen Kompromissen wie dem von Mittwochabend führt. Die Banken haben lediglich auf Geld verzichtet, das sowieso futsch war, und für die Restschuld eine Teilgarantie erhalten. Vor allem: Es klafft ein Abgrund zwischen der Konsequenz, mit der Brüssel in den Euroländern eine orthodoxe Finanzpolitik forciert und der Zögerlichkeit bei allen Maßnahmen, durch die die Banken in die Pflicht genommen werden. Bei der Finanztransaktionssteuer gibt es immerhin eine grundsätzliche Einigung, doch weder massive Eingriffe in die Strukturen der Finanzwelt noch EU-weite, harmonisierte Steuererhöhungen stehen auf der Tagesordnung.

Dass die Politik eine Konfrontation mit dem Finanzkapitalismus vermeidet, liegt auch daran, dass innerhalb der politischen Eliten der Eindruck vorherrscht, es gebe keine Alternativen. Jahrzehntelang wurden kritische Funktionäre und Experten an den Rand gedrängt und die Brüsseler Gedankenwelt von Wirtschaftslobbyisten und ihren marktgläubigen Lakaien in den Verwaltungen gestaltet. Auch wenn von deutschen Sozialdemokraten und französischen Grünen manche interessanten Anregungen kommen, ein EU-weiter „Green New Deal? wird nicht von heute auf morgen spruchreif werden. Die radikale Linke kann vielleicht als Protestbewegung punkten, wenn sie sich in Deutschland mit dem Steuerzahlerproletariat solidarisch erklärt und in Frankreich den Ausstieg aus dem Euro und der Welt ankündigt – als konstruktive Alternative wird das nicht durchgehen.

Auch die weltweite „Occupy?-Bewegung riskiert – in Ermangelung einer politischen Fundierung -, wie in Griechenland zwischen Polizei und Provokateuren zerrieben zu werden. Andererseits hat der Triumph der Finanzmärkte, drei Jahre nach Beginn der großen Krise, etwas von einem Pyrrhussieg. Staatliche Haushaltsdefizite werden mit Darlehen anderer Staaten abgesichert, die Ratings von Banken und Ländern abgestuft, die Löhne und damit die Kaufkraft beschnitten. So suchen die von der „unsichtbaren Hand? gelenkten Märkte ihren kurzfristigen Vorteil und zerstören dabei die eigene Geschäftsgrundlage. Am Ende dieses Weges steht wieder ein neues Gleichgewicht: Kein Staat kann mehr Geld verleihen, alle Länder sind herabgestuft und alle BürgerInnen geschröpft. Bad deal.


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