LINKSPARTEI: Oskar trifft den rechten Ton

Links sein und rechte Sprüche klopfen – das alles bringt Oskar Lafontaine ganz leicht unter einen Hut. In der künftigen Linkspartei stört das nur wenige.

„Die Linke spricht die Sprache der Rechten“, kritisiert Oskar Lafontaine und macht selbst vor, wie das geht. (Fotos: Eye on Davos)

„Die Linke spricht die Sprache der Rechten“, kritisiert der Ex-SPDler Oskar Lafontaine in seinem jüngsten Werk „Politik für alle“. Am 17. Juni las der Saarländer in Chemnitz aus dem zweiten Kapitel „Korruption der Sprache und des Denkens“ vor und zitierte dabei reichlich Camus, Horkheimer und Adorno. Nicht zu vergessen Victor Klemperer und dessen Buch „Lingua Tertii Imperii“ über die Sprache des Nationalsozialismus. Zufall kann es also nicht gewesen sein. Knapp eine Stunde vor der Lafontain’schen Lesung zeigt der Ex-SPD-Chef selbst, wie gut sich ein Linker in der Sprache der Rechten auszudrücken vermag: „Der Staat ist verpflichtet, seine Bürger zu schützen, und muss verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen.“

Um zu wissen, dass der Begriff „Fremdarbeiter“ aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch stammt und für ausländische Zwangsarbeiter steht, die aus den besetzten Gebieten nach Deutschland deportiert wurden, muss man nicht Victor Klemperer studiert haben. Schon gar nicht, um sich des protektionistischen und xenophoben Inhalts des Satzes bewusst zu werden.

„Grenzen dicht für Lohndrücker“ hatte die National Demokratische Partei Deutschlands (NDP) die Message in ihrem Slogan für den sächsischen Wahlkampf knackig zusammengefasst. Oskar Lafontaine jedoch ist nicht in der NDP, sondern das prominente Zugpferd des möglichen Zusammenschlusses von PDS (Partei Demokratischer Sozialisten, ehemals SED) und WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit). War Lafontaines Aussage ein Ausrutscher?

Ganz sicher nicht. Zwar rief sein Fremdarbeiter-Satz bei PDS und WASG Empörung hervor. Doch dazu, dass man den Saarländer nicht mehr in den eigenen Reihen aufnehmen oder gar die zuvor nicht stattgefundene Auseinandersetzung mit seinen politischen Inhalten angehen wollte, führten weder dieses noch andere Lafontaine-Zitate.

Dabei gäbe es durchaus Diskussionsbedarf. Etwa wenn sich Oskar Lafontaine in seiner Kolumne in der Bild-Zeitung für einen begrenzten Zuzug von Aussiedlern ausspricht und ganz im rechten Stil des Boulevardblattes regelrecht über die Zuwanderer aus dem Osten herzieht: Die meisten von ihnen seien „ohne deutsche Wurzeln“, bezögen „Leistungen aus den Sozialkassen“ und seien „junge Aussiedler bilden Banden und werden straffällig“. Oder wenn sich der Saarländer für Folter als Verhörmethode und für die Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika ausspricht. Beispiele über nicht besonders linke Aussagen des Oskar Lafontaine gibt es reichlich. Wem das nicht reicht, der werfe einen Blick auf seine Politik als Finanzminister, die zwar keynesianischer war als die des Hans Eichel, aber dennoch wohl kaum das Prädikat „links“ verdiente. Früher als andere forderte er flexiblere Arbeitszeiten, Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich sowie Zwangsarbeit für Arbeitslose.

Rechte Doppelspitze

Doch daran mag sich der nunmehr von der Berliner Politelite angeekelte Oskar Lafontaine heute nicht erinnern. Mit seinen wenigen Erklärungsversuchen reitet er sich zudem noch tiefer in den braunen Sumpf hinein. Das Wort Fremdarbeiter sei nicht nationalsozialistisch geprägt. „Denn die Nationalsozialisten waren nicht fremdenfeindlich, sondern rassistisch. Denn Fremde wurden hier sehr wohl beschäftigt, sofern sie arischer Abstammung waren.“ In seinem neuesten Buch bediene Lafontaine mehrmals populistische Ressentiments, sagt der Politologe Peter Lösch. Der „linke“ Politiker bezeichnet das „deutsche Volk als Schicksalsgemeinschaft“ oder spricht davon, dass die Zeit herannahe, in der sich deutsche Politiker in der Sprache der Zuwanderer den Millionen Zugewanderten zu stellen hätten, weil sie keine andere Möglichkeit mehr hätten, sie zu erreichen. „Das ist in meinen Augen ein ungeschminkter Appell an Fremdenfeindlichkeit“, kommentiert der Historiker Hans-Ulrich Wehler.

„Eine Erneuerung der Politik setzt eine andere Sprache, eine neue Begrifflichkeit im Sinne der Aufklärung und eine andere geistige Orientierung voraus“, schreibt Lafontaine in seinem Buch. Er selbst verweigert meist die Antwort, wenn er auf seine rechtslastige Sprache angesprochen wird. Viel lieber betont er, der früher selbst in der Berliner Schaltzentrale saß, dass es so nicht mehr weiter geht in der Politik. „Der Wahlbetrug ist zur Konstante in der Politik geworden“, sagt der Ex-SPDler, der damals von seinen Ämtern zurückgetreten ist, „weil ich es ernst meine“, und der nun wieder die aufrichtige, die glaubhafte Politik in den Berliner Bundestag tragen will.

Mitte Juni wurde Oskar Lafontaine zum Spitzenkandidaten der WASG gewählt. Diesen Sonntag stimmt nun die PDS auf ihrem Bundesparteitag darüber ab, ob sie mit der WASG die neue „Linkspartei“ bilden wird. Schon steht PDS-Promi Gregor Gysi in den Startblöcken, um mit Oskar auf Wahlkampftour zu gehen. Dass sich die kritischen Stimmen innerhalb der PDS in Grenzen halten, hat sicher damit zu tun, dass die PDS mittlerweile dort, wo sie regiert, gezeigt hat, wie „sozial“ ihre Politik in der Realität aussieht. Einige Restlinke in der PDS sind jedoch nicht sehr begeistert davon, mit Lafontaine in den Wahlkampf zu ziehen. Damit würde, so zum Beispiel die Europa-Abgeordnete Sahra Wagenknecht, linke Politik „die wir uns trotz allem erkämpft haben“, aufs Spiel gesetzt. Es ginge letztlich darum, „ob sozialistische Politik endgültig auf den Radius eines keynesianisch gebändigten Kapitalismus eingedampft wird“. Letzteres hat die PDS zu großen Teilen auch ohne den Saarländer Ex-SPD-Mann geschafft. Dennoch hätte sich eine parteipolitische Linke, die nun Zugpferde vom Format eines Oskar Lafontaine bedarf, ihren Untergang redlich verdient.


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