ÖFFENTLICHE BAUTEN: Wunderpille PPP?

Public Private Partnership – besonders in Zeiten klammer Staatskassen ist das Modell in aller Munde. Doch hilft es der öffentlichen Hand wirklich aus der Klemme?

Exzellent, weltoffen, innovativ? Die Hamburger Elbphilharmonie gilt als mahnendes Beispiel für ein schlecht angelegtes PPP-Vorhaben. Zurzeit herrscht dort teilweiser Baustopp, die Kosten übersteigen die Planungen um ein Vielfaches.

Ein rotes Tuch am roten Freitag? In der am heutigen Freitagabend von „déi Lénk“ organisierten Veranstaltung dürfte es spannender werden, als das doch etwas langweilig anmutende Thema der „Public Private Partnerships“ erwarten lässt. Der Vortragsredner Philip Breuer sieht sich nämlich nicht als Gegner des PPP-Prinzips. Der Luxemburger Bauingenieur, dessen Diplomarbeit von 2006 den Titel „Entwicklung von Risikoprofilen für PPP-Projekte im öffentlichen Hochbau am Beispiel von Schulen“ trägt, behauptet von sich, der Problematik neutral gegenüberzustehen. In seinem Vortrag will er vor allem mit einer Reihe von Missverständnissen und Vorurteilen in Bezug auf PPPs aufräumen. Nicht alle Thesen des in Deutschland in einer privatrechtlichen Beraterfirma arbeitenden Spezialisten für kommunales Facility-Management dürften nach dem Gusto der anwesenden linken Zuhörerschaft sein ? einige Denkanstöße dazu, wie aus linker Sicht der in Luxemburg in den letzten Jahren immer wieder aufflammenden PPP-Begeisterung in etwas differenzierterer Weise entgegengetreten werden könnte, werden sie aber sicherlich liefern.

Breuer, der besonders die Situation in Deutschland genau kennt, weiß, wo die Grenzen des PPP liegen. Dass in Luxemburg vielfach schon von PPP geredet wird, bevor überhaupt ein Vorhaben in Angriff genommen wurde, erscheint ihm jedenfalls mehr als bedenklich. „Die PPPs sind nicht per se eine Alternative“, so Breuer gegenüber der woxx. Erst wenn alle Details, vor allem auch die finanztechnischen, für den gesamten Zeitraum des Vorhabens geprüft wurden, kann eingeschätzt werden, ob sich eine Zusammenarbeit mit privaten Investoren überhaupt rentiert.“

Aber auch linke Bedenken will Breuer ausräumen, zum Beispiel die Befürchtung, PPPs würden grundsätzlich zu Personalabbau im öffentlichen Dienst führen. Dieser Effekt kann eintreten, muss es aber nicht, so Breuer. Gute PPPs könnten sogar Kompetenzen, die bis dato durch die Planungs- und Bautätigkeiten gebunden waren, für andere Aufgaben freistellen.

Eine Gesamteinschätzung, wie weit sich in Deutschland die PPPs aus Sicht der öffentlichen Hand insgesamt rentiert haben, will Breuer derzeit noch nicht abgeben: „Es gibt die PPP in Deutschland erst seit etwa zehn Jahren, die Briten haben einige Jahre vorher damit angefangen. Eine Endrechnung wurde bisher bei keinem Projekt erstellt, dafür sind die Vertragszeiträume von mehreren Jahren zu lang. Es gibt lediglich Prognosen, die von Effizienzgewinnen in der Größenordnung von 5-10 Prozent ausgehen.“

Thatcher light

Die englische Namensgebung deutet auf den Ursprung des „Public Private Partnership“-Konzepts hin. Nachdem Tony Blairs „neue“ Labour Partei in Großbritannien die Macht übernommen hatte, hieß es, die alte Politik Thatchers mit anderen Mitteln fortzusetzen. Da, wo die Eiserne Lady voll auf Privatisierung gesetzt hatte – zum Beispiel im Schulbau oder im Transportwesen – propagierte Blair nun die „Partnerschaft“ zwischen privatem Kapital und öffentlichen Aufgaben.

Nach Jahrzehnten des Steuerdumpings hatten Thatcher und ihr konservativer Nachfolger zumindest eines erreicht: Der britische Staat war finanziell soweit ausgemergelt, dass größere Investitionen nicht mehr mit öffentlichen Mitteln zu realisieren waren. Dafür suchten die Inhaber von Privatvermögen – nun noch wohlhabender geworden – nach Anlagemöglichkeiten für ihr neues Geld. Labour wollte mit dem PPP-Trick einen Teil der Steuergeschenke zurücklenken in die Finanzierung öffentlicher Vorhaben. Die anfallenden Zinsen, die ja neben der Miete aus den Steuereinnahmen finanziert werden mussten, sollten durch den Kostenvorteil, den man sich von den effizienter wirtschaftenden privaten Unternehmen erhoffte, zumindest teilweise wieder hereingeholt werden.

Auch wenn es große Unterschiede zwischen den einzelnen PPP-Vorhaben gibt, sieht die Bilanz nach zwei Jahrzehnten im Ganzen nicht so rosig aus wie anfangs gedacht, als bei manchen Projekten Effizienzgewinne von 25 und mehr Prozent prognostiziert wurden.

Nach dem Vereinigten Königreich hatte vor allem auch das infolge der Wiedervereinigung finanzklamme Deutschland stark auf die PPP-Karte gesetzt. Inzwischen gibt es zahlreiche Beispiele, die darauf hindeuten, dass schlecht durchdachte PPP-Vorhaben, über die ganze Dauer betrachtet, teurer werden als rein öffentlich realisierte.

Der deutsche Publizist Werner Rügemer hat in seinem mehrfach aktualisierten Buch „Heuschrecken im öffentlichen Raum, Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments“ zahlreiche Beispiele aufführen können, die nicht nur die Rentabilität der PPP für die öffentlichen Partner in Frage stellen, sondern auch belegen, dass PPPs sogar gänzlich scheitern können.

Sein Fazit: PPP-finanzierte Gebäude sind zwar in der Regel billiger für die Investoren, weil tatsächlich „billiger“ gebaut wird. Für die öffentlichen Nutzer werden sie aber oft teurer, weil die Miet- und Rückzahlungsverträge immer so ausgelegt sind, dass zwar der Investor zuverlässig an sein Kapital und die großzügig berechneten Zinsen kommt, die Behebung von späteren Mängeln der Infrastruktur aber dem Träger allein aufgebürdet wird.

Rügemer entlarvt auch eine andere Verheißung der PPP-Ideologie als Mythos: Die heilsame Entbürokratisierung aller Abläufe hat nicht stattgefunden. Jedem PPP liegt eine Projektgesellschaft zugrunde, die von den zahlreichen beteiligten Firmen beschickt wird und ihrerseits oft noch Subunternehmen kreiert, um Teile der Vorhaben in anderer Zusammensetzung durchzuführen. Daneben gibt es noch ein Heer von Mitverdienern, da die Kommunen und die staatlichen Stellen auf „unabhängige“ Beraterfirmen zurückgreifen müssen, um die PPP-Deals einzufädeln.

Philip Breuer bewertet die Rolle der Beraterfirmen selbstverständlich anders. Sie sind in seinen Augen die Voraussetzung dafür, dass sich die öffentlichen Auftraggeber überhaupt an ein PPP heranwagen können. Sie bündeln berufliche Kompetenzen, die bei den Kommunen, die ja nicht alle Tage Gebäude errichten, nicht vorhanden sind. Unbedingt erforderlich ist natürlich die tatsächliche Unabhängigkeit der Beraterfirmen von den privaten Investoren.

Mangel an Transparenz

Ein weiter Mangel der PPPs aus Sicht der Kritiker: Eine demokratische Kontrolle kann bei ihnen kaum noch geübt werden, da die dafür notwendige Transparenz von vornherein nicht gegeben ist. Die zwischen den öffentlichen Trägern und privaten Investoren ausgehandelten Verträge sind nicht nur sehr kompliziert, sondern enthalten häufig auch Geheimhaltungs-Vereinbarungen, die mit der Begründung – beziehungsweise unter dem Vorwand – geschlossen wurden, die internen Betriebsverfahren des privaten Investors gegen die Einblicke der Konkurrenz abzuschirmen. Doch werden nicht selten durch solche nicht-öffentlichen Vereinbarungen spätere Schadensersatzklagen – für Pfusch am Bau, ungerechtfertigte Kostensteigerungen, Extraberechnungen von eigentlich im Ausschreibungsvolumen enthaltenen Investitionen und ähnlichem – vertraglich ausgeschlossen.

Verfechter der PPP sehen darin lediglich unvermeidliche Unzulänglichkeiten eines noch recht jungen Finanzierungs-Instruments und verweisen auf mögliche Anpassungen der entsprechenden Gesetzgebungen. Kritiker wie Rügemer sehen allerdings das Problem im Prinzip der PPP angelegt: Der Staat gibt seine Verantwortung für öffentliche Vorhaben an private Unternehmer ab. Die parlamentarische Kontrolle, die ja schon bei „normalen“ öffentlichen Projekten oft überfordert ist, beschränkt sich auf den sichtbaren Teil des Eisbergs. Und die privaten PPP-Finanzierer denken gar nicht daran, ihre Karten offenzulegen.

Besonders bei PPPs, deren Konstruktion ein kommerzielle, rein privat finanzierte Dimension – zum Zweck der Reduzierung der laufenden Kosten – aufweist, ändert sich meist der ganze Charakter des Projekts. Ein Paradebeispiel hierfür dürfte der zurzeit heiß diskutierte Bau des neuen Nationalstadions in Liwingen sein. Weil eine solche Anlage naturgemäß nur sporadisch für den Zweck benutzt wird, für den sie errichtet wurde, soll anderes, nämlich ein Geschäfts- und Outletzentrum, dafür sorgen, dass die teuren, weil auf der grünen Wiese erstellten, Parkplätze, Autobahnauffahrten usw. auch wochentags fleißig genutzt werden und so das Ertragsdefizit des Stadions verringern helfen.

Doch zeigt sich schnell (siehe woxx 1131), dass das primäre Vorhaben, in diesem Fall das Stadion, am Ende nichts weiter als das Anhängsel des kommerziellen Teils ist und die vielfach kritisierte Standortwahl von Anfang an vor allem an letzterem ausgerichtet war.

Ohne das Liwingen-Projekt im einzelnen zu kennen und bewerten zu können, sieht Philip Breuer in dem Entschluss der Träger, die Auslegung des Projekts ganz dem Promotor zu überlassen, das genaue Gegenteil eines PPP und spricht von einem möglichen Himmelfahrtskommando.

Mahnendes Beispiel für fehlgelaufene PPP ist die Hamburger Elbphilharmonie. Dort herrscht zur Zeit Baustopp, weil niemand mehr für die Kosten, die mittlerweile auf ein Vielfaches der ursprünglich geplanten angestiegen sind, aufkommen will.

„PPP – Public Private Partnership oder Probleme, Politik und Profiteure?“
Referent: Philip Breuer, Freitag 13. Januar um 19 Uhr im „Ratelach“ in der Kulturfabrik, 116 rue de Luxembourg, in Esch/Alzette

„Heuschrecken im öffentlichen Raum. Public Private Partnership ? Anatomie eines globalen Finanzinstruments.“ Aktualisierte und erweiterte Neuauflage. transcript Verlag, Bielefeld Mai 2011.


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