Anderthalb Milliarden Neuver-schuldung pro Jahr. Das Finanzloch im Luxemburger Haushalt scheint ins Unermessliche zu wachsen.
Als in der vergangenen Woche das „comité de prévision“ seine Schätzungen zur Entwicklung des Luxemburger Staatshaushalts bis 2015 publik machte (siehe woxx 1155), erschien das – eine knappe Woche vor der gestrigen Debatte zum Thema in der Abgeordnetenkammer – als Teil einer orchestrierten Aktion. Denn auch das Komitee „Et ass 5 vir 12“, der Zentralbankchef oder die UEL brachten in der vergangenen Woche ihre Sorge über den galoppierenden Anstieg der Staatsschulden zum Ausdruck.
Nur die Gewerkschaften und „déi lénk“ wollten nicht in diesen Chor einstimmen. Einen Tag vor der Parlamentsdebatte meldete sich der OGBL noch einmal zu Wort: Die Schätzungen der Luxemburger Steuereinnahmen hätten sich in den letzten Jahren immer als falsch erwiesen. Auch 2011 soll hinsichtlich der Einnahmen weit besser ausfallen, als noch während der Budgetdebatten im Vorjahr angenommen worden war. Das musste sogar der Finanzminister vor einigen Wochen eingestehen.
Doch gibt es einige Gründe anzunehmen, dass die finanzielle Entwicklung unseres Landes diesmal tatsächlich in einigen Punkten mit Problemen zu kämpfen haben wird. Es kann den Wirtschaftsweisen des „comité de prévision“ kaum der Vorwurf gemacht werden, die Zahlen für 2012 bis 2015 künstlich schlecht machen zu wollen. Mit Wachstumszahlen, die wieder mit der ominösen 4 vor dem Komma flirten, und einem Ölpreis, der schon jetzt überholt ist, hätte die Konjunktur – die sowieso die große Unbekannte ist – auch mit negativen Vorzeichen versehen werden können. Entsprechend größer müsste das zu erwartende Loch im Staatshaushalt veranschlagt werden.
Doch es gibt eben auch strukturelle Entwicklungen, die nicht mehr durch die wirtschaftspolitische Flucht nach vorn verdeckt werden können. Denn selbst wenn sich auch in Zukunft Nischen für die Luxemburger Wirtschaft, und insbesondere den Finanzplatz, auftun sollten, so wird deren Ertrag und Lebensdauer doch immer schneller dahinschwinden. Der für ein Mehrwertsteuerparadies wie Luxemburg lukrative Online-Handel wird ab 2015 wegen veränderter Spielregeln 70 Prozent weniger abwerfen – das sind 600 Millionen Euro. Und auch der Tanktourismus dürfte als wenig nachhaltiges und wenig wünschenswertes Modell nicht ewig überdauern.
Dass der Finanzminister alle Parteien jetzt auffordert, nach unnötigen Ausgaben Ausschau zu halten, um denen dann den Garaus zu machen, ist politisch recht fragwürdig. Entweder traut er sich und seiner Koalition zu wenig zu, oder es geht ihm darum, neue Mehrheiten auszuloten, durch deren bloße Nennung er den Koalitionspartner gefügig zu machen hofft.
Dabei ist die von ihm in die Debatte eingebrachte Kernfrage nach dem Sinn staatlicher Ausgaben sicherlich nicht falsch. Allein, am Ende könnte dabei eher ein Mehr als ein Weniger herauskommen. Unbestreitbar gibt es bei dem, wofür Geld ausgegeben wird, ziemlich viel Unsinniges. Doch dürften die Aufgaben, die der Staat zur Zeit nicht oder nur unzureichend erfüllt, nicht weniger umfangreich sein. Eine Bedarfsanalyse könnte zu dem Schluss kommen, dass es gilt, das Geld sinnvoller, aber deswegen nicht unbedingt in geringerem Umfang, zu verteilen.
Langzeitinvestitionen, die jetzt in „mageren“ Jahren auf die lange Bank geschoben werden, nur weil anscheinend kein Geld da ist, werden am Ende bares Geld kosten. Der Umbau der Energiewirtschaft, der Einstieg in eine andere Mobilität, diese Reformen sind ohne kollektiven Einsatz und ohne Gelder vom Staat nicht zu schaffen.
Deshalb sollte der Minister nicht immer nur von einer neuen „Ausgabenkultur“ reden, sondern auch die Frage nach der Rolle des Staates stellen. Sollte sich am Ende erweisen, dass die Ausgaben nicht in dem erhofften Umfang heruntergeschraubt werden können, dann kommt man wohl nicht darum herum, auch einmal die „Einnahmekultur“ zu analysieren. Historisch niedrige Steuersätze bieten eben auch die Möglichkeit, an diesem Rad zu drehen.