Die von der EU vorgeschriebene Senkung des CO2-Ausstoßes wurde von deutschen Konzernen heftig bekämpft. Weil sie nun trotzdem erreicht wurde, hält Greenpeace weiterreichende Zielsetzungen für möglich.
Greenpeace, ist das nicht die Organisation, die Tankstellen blockiert, um die Autofahrer zu ärgern? Sicher, aber die Umwelt-NGO hat für die Menschen hinter dem Steuer auch ein Herz. In der neuen Studie „Cost of driving“ rechnet sie vor, wieviel Geld man sparen könnte, wenn der Verbrauch der Autos drastisch gesenkt würde.
Hält die EU daran fest, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von Neuwagen im Jahr 2020 auf 95 Gramm pro Kilometer zu begrenzen, so werden Luxemburger Autofahrer durchschnittlich 20 Prozent weniger Geld an den Zapfsäulen ausgeben. Als Vergleichsbasis nimmt die Studie ein Szenario, in dem die EU keine neuen Auflagen über 2015 hinaus macht – das erklärte Ziel großer Teile der Automobilindustrie. Im Greenpeace-Traum-Szenario dagegen – ein Mittelwert von 60 Gramm ab 2025 – könnten Jenny und Menni 700 Euro im Jahr sparen. Und sogar über 1.000 Euro, wenn die Erdölpreise schneller steigen als erwartet.
Die Studie berechnet die möglichen Entwicklungen für jedes der EU-15-Länder separat, doch die allgemeine Schlussfolgerung gilt für alle: Der Klimaschutz, um den es Greenpeace an erster Stelle geht, ist in diesem Fall eine gute Sache fürs Portemonnaie. Derzeit wenden europäische Autofahrer zwischen 1.235 und 2.143 Euro für Treibstoff auf, eine Senkung des durchschnittlichen Ausstoßes auf 95 Gramm würde diese Ausgabe bis 2020 auf zwischen 962 und 1.665 Euro drücken. Interessanterweise sind es jeweils die Luxemburger, die am günstigsten wegkommen, was sicher nicht daran liegt, dass sie am wenigsten fahren.
Dass die Autoindustrie den neuen Vorschriften skeptisch gegenübersteht, sollte nicht erstaunen. „Die PKW-Hersteller verdienen mit großen, schweren Spritfressern mehr Geld als mit sparsameren Fahrzeugen“, schreibt Greenpeace. Bereits das 130-Gramm-Ziel für 2015 bereite ihr enorme Schwierigkeiten, klagte die Autoindustrie in den vergangenen Jahren, mehr sei technisch nicht drin. Eine zusätzliche Belastung gefährde Arbeitsplätze und sei der Anfang einer Deindustrialisierung Europas. Das ultimative Argument war, nur Besserverdienende könnten sich den Aufpreis von mehreren Tausend Euro für die Spar-Autos noch leisten.
Greenpeace hatte Anfang 2012 stellvertretend für die deutschen Konzerne VW als „Darth Vader“ des Klima-Kriegs gebrandmarkt, unter anderem in einer Aktion zum Auftakt des Luxemburger Autofestivals (woxx 1147). Im März reagierte VW mit der Ankündigung eines „grundlegenden ökologischen Umbaus“. Neben anderem wurde versprochen, das EU-Ziel für 2015 um zehn Gramm zu unterschreiten. Statt sich zu freuen, sah die NGO dies als Bestätigung ihres Verdachts, dass die Klagen der Vergangenheit, das Ziel sei „unmöglich“ zu erreichen, nur ein Trick waren. „Die EU-Politiker müssen darauf achten, nicht wieder denselben Fehler zu begehen, wenn sie die Emissions-Standards für 2020 überarbeiten“, so die Greenpeace-Mitarbeiterin Franziska Achterberg gegenüber der Online-Zeitung Euractiv.
Im Vorfeld der anstehenden Überarbeitung der CO2-Standards gehen die Meinungen auch innerhalb der Autoindustrie auseinander. Das 95-Gramm-Ziel wird von den meisten Herstellern abgelehnt, vom Dachverband der Automobil-Zulieferer Clepa dagegen befürwortet. Dessen Sorge ist, dass die EU im internationalen Wettbewerb um Green-Car-Technologie den Kürzeren ziehen könnte. „Unsere Effizienzstandards zu senken, um einigen schwachen Firmen zu helfen, wäre Selbstmord“, so Clepa-Direktor Lars Holmqvist gegenüber Euractiv. Ganz so ökologisch wie die NGOs sind die Zulieferer dann doch nicht: Während die Greenpeace-Studie einen Mittelwert von 60 Gramm ab 2025 allein mit der klassischen Motortechnik erreichen will, hält die Clepa einen Wert von 80 Gramm für machbar – dank neuer Hybridfahrzeuge. Noch weniger sei nur mit Elektroantrieben möglich.