GEWERKSCHAFT UND GRÜNE: Nachdenklicher Bremser im Minenfeld

Für eine linke Gewerkschaft wie den OGBL war Anfang der 1990er die ökologische und pazifistische grüne Bewegung eine Herausforderung. John Castegnaro stellte sich ihr, unter anderem bei einem am 20. Juli 1990 – also auf den Tag genau vor 22 Jahren – im Gréngespoun veröffentlichten Streitgespräch.

Gemeinsamkeiten

John Castegnaro: (…) Ich glaube, auf beiden Seiten ist es zur Erkenntnis gekommen, dass, über die natürlichen Grenzen hinweg, die es in der politischen, gewerkschaftlichen Thematik nun einmal gibt, auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten bestehen, und dass man sich eher darauf konzentrieren sollte.

François Bausch: Es kommt nicht von ungefähr, dass hauptsächlich der OGBL das Gefühl hatte, welche um die Ohren zu bekommen. Wir als Gréngespoun, aber auch als Gréng-Alternativ, haben am meisten Erwartungen gegenüber dem OGBL. (…)

JC: Geschichtlich gesehen muss aber auch gesagt werdem, daß die Leute aus der grünen und die aus der gewerkschaftlichen Bewegung aus denselben Kreisen stammen und sich auch politisch und gewerkschaftlich oft wiederbegegnen.

Für oder gegen Militärlager?

JC: Der OGBL hat „contre vents et marées“ neben anderen versucht, alles zu tun, um ein drittes Militärlager zu verhindern. Wir haben von unseren Mitgliedern bei der WSA dafür Haue bekommen und sogar Mitglieder deswegen verloren, weil die das nicht verstanden.

(…) es gab dann Diskussionen, in denen wir einverstanden waren, dass Militärlager gebaut würden, weil wir aus der Not eine Tugend machen wollten. Da wir als Luxemburg von der NATO permanent unter Druck gesetzt werden, wollten wir diesen Beitrag leisten, indem wir ein Militärlager aufrichteten und auf der anderen Seite aber Arbeitsplätze schufen. Von eurem Standpunkt her ist das vielleicht zu einfach, doch wenn man als Gewerkschaft Verantwortung für Tausende von Leuten trägt, dann nimmt man auch solche Sachen an. Aber wir haben damals auch – und das wird immer vergessen – zur Bedingung gestellt, welche von der Regierung auch mitgetragen wurde, dass keine Munition, keine Sprengköpfe usw. in den MiIitärlagern gelagert werden dürften, dass sie also eigentlich passiv sein sollten.

Umweltbelastung durch die Arbed

Gréngespoun: (…) hier hat es lange gedauert, bis gewisse Kreise außerhalb des grünen Spektrums sich damit auseinandersetzten.

JC: Du wolltest doch wohl sagen, daß der OGBL die Bewegung von Muck Huss nicht unterstützt hat. (…) wenn eine Einladung nicht transparent ist, geht bei einer Organisation wie der unsrigen, welche nicht zum trojanischen Pferd für irgendjemand werden will, weder für die LSAP noch für sonst irgendjemand, das Rotlicht an. Die Unterstellung, wir würden den Bremser spielen, stimmt. Denn prioritär machen wir uns natürlich Gedanken – und das besonders bei einem Betrieb wie der Arbed, wie schnell eine unüberlegte Handlung, so richtig sie auch immer sein mag, dazu führt, daß sie einem Betrieb oder einer Gesellschaft Vorwände liefert, um ihre Restrukturierungspläne dann viel rapider durchzuziehen, als wenn nicht viel über sie geredet wird. Das ist ein Minenfeld, auf dem wir uns permanent bewegen, und wo wir aus einer gewissen Erfahrung heraus einen anderen Weg gehen, wo das Ziel aber dasselbe ist.

GS: Zum Bezug der Grünen zur Industrieproblematik insgesamt: (…) Wann kommt der Tag, wo solche Probleme gemeinsam angegangen werden können? Denn wir wissen ja, dass langfristig umweltschädigende Betriebe auch ökonomisch gefährdet sind. Denn die Situation verschlimmert sich ja weiter.

JC: Wir sind konfrontiert mit der Situation, dass es eine große Bewegung gibt, das Mouvement écologique, die keine Parteipolitik macht, jedoch sehr absolut handelt. Und das klingt für sehr viele Leute, die in den Betrieben arbeiten, unverständlich oder sogar gefährlich. Weil sie denken: wenn die recht behalten, sitze ich morgen auf der Straße. Ich habe vor Jahren bereits auf einem Kongress gesagt, man muss der grünen Bewegung zugestehen, daß sie es durch ihre sture und oft sogar unobjektive Haltung fertigbrachte, dass die Leute sensibilisierter und motivierter geworden sind in der Umweltthematik. Ich gebe gerne zu, dass wir als Gewerkschaft hierauf nicht das Hauptgewicht gelegt haben. Abgesehen von den Erkenntnissen, die mit den letzten 20 Jahren erst entstanden sind: Eine Eurofloor würde heute wohl nicht mehr aufgerichtet werden. Diese Erkenntnisse, wie z.B. die über das Ozonloch, sind ja oft erst nachträglich gekommen. Daraus hat sich eine Gegenströmung entwickelt, und da ist die grüne Bewegung in die Bresche gesprungen. Ich gebe auch gerne zu, dass manches, was aus der grünen Bewegung kam, auch mich dazu veranlaßte, nachzudenken, Positionen zu rektifizieren.

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John Castegnaro

Am vergangenen Montag ist John Castegnaro verstorben. Ein großer Gewerkschafter des 20. Jahrhunderts, der bemüht war, den Gewerkschaften im 21. eine Zukunft zu sichern und sich dabei auch an den neuen politschen Bewegungen rieb.

(RK) – Ein fester Händedruck, ein breites Grinsen – alle, die mit John Castegnaro zu tun hatten, erinnern sich an seine Jovialität – und an seinen manchmal rauen Umgangston. Als Politiker war er allerdings zu clever, um so geradlinig zu sein wie es sein freimütiges Auftreten suggerierte. Und er war erfolgreich: Der Aufbau des Onofhängege Gewerkschaftsbonds (OGBL) als einer Gewerkschaft, in der sich alle Berufsgruppen wiederfinden können, ist sein Verdienst. Über die hierbei hilfreichen, deftigen 1.-Mai-Reden hinaus war der langjährige OGBL-Präsident allerdings ein scharfsinniger Beobachter seiner Zeit und ein anregender Diskussionspartner, wie nebenstehende Auszüge belegen.
1990 hatte unsere damals noch Gréngespoun genannte und Grünen-nahe Zeitung ein Streitgespräch veranstaltet zwischen John Castegnaro und François Bausch, Abgeordneter der linksgrünen GAP. Dies war die Folge einer in den Spalten von Gréngespoun und Tageblatt ausgetragenen Polemik, unter anderem darüber, wie pazifistisch und ökologisch der OGBL war oder sein sollte. Dass der OGBL-Präsident damals die gemeinsame politische Herkunft und die Interessenkonvergenz unterstrich, kann man, wie unser Zeichner, als Anbiederung interpretieren. Doch jenseits allen Taktierens war Castegnaro immer interessiert an progressistischen Ideen und verfolgte, was neue Bewegungen wie die Grünen auslösten. Das drückte sich auch darin aus, dass er als Nachfolger Jean-Claude Reding designierte, der kurz vorher aufgrund der Spaltung die Grünen verlassen hatte, und für eine moderne, für ökologische Überlegungen offene Gewerkschaftspolitik stand und steht.
John Castegnaro, der in diesem Streitgespräch die Distanz zur LSAP betonte, wurde 2004 als sozialistischer Kandidat in die Chamber gewählt. Dabei nutzte er die Gewerkschaftszeitung für Eigenwerbung und blieb bis zu den Wahlen OGBL-Präsident. Viel Aufwand, um am Krautmaart wenig zu erreichen – Castegnaros Mandat war alles andere als die Krönung seines Lebenswerks. Doch das wird mehr als aufgewogen durch all die anderen Erfolge, vom Siegeszug des OGBL bei den Privatbeamten bis zur Fortführung der Modernisierung unter Reding.
Wir behalten John Castegnaro als einen talentierten Politiker in Erinnerung, mit dem man sich gerne unterhielt und der auch eine alternative Zeitung wie unsere respektierte. Seiner Familie und seinen Freunden unser herzliches Beileid.


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