NUTZUNG VON BIOMASSE: Bio-Saft

Das Luxemburger Biomasse-Programm soll endlich in Fahrt kommen ? dank der Gülle! Als landwirtschaftliches Nebenprodukt ist deren Nutzung nachhaltiger als der Anbau von Energiepflanzen.

„Dass zehn Prozent des Treibstoffs in der EU aus Biomasse stammen soll, haben wir der deutschen Automobil- und der französischen Zuckeranbau-Lobby zu verdanken“, erläutert Paul Polfer vom Mouvement écologique die Sachlage bei der Nutzung von Bioenergie. „Agrokraftstoffe sind keine besonders nachhaltige Lösung, aber sie ermöglichen es der Automobilindustrie, das Autofahren als ?grün` darzustellen, ohne wirklich ?grüne` Autos, also Drei-Liter-Modelle, zu bauen.“ Wenn es um Biomasse geht, ist nicht alles „bio“, was sich so nennt. Um die Einsicht in diesen Zusammenhang zu befördern, stellte der Mouvement am vergangenen Montag eine Studie zur nachhaltigen Nutzung von Biomasse in Luxemburg vor.

„Wir sind nicht gegen Bioenergie, wir finden sie grundsätzlich sinnvoll“, versicherte Blanche Weber, Präsidentin der Umwelt-NGO. Doch wie die Studie zeigt, ist es nicht so einfach, die richtigen Akzente zu setzen. Gerhard Bronner, deutscher Experte und Autor der Studie, führte als erstes einen Vergleich der Flächeneffizienz verschiedener Formen von Biomasse vor. Dabei schnitt zum Beispiel die Nutzung von Biogas auf Maisbasis am zweitbesten ab: Sie erbringt fünfmal so viel Energie, wie für die Produktion aufgewendet wurde. Doch diese Darstellung, so Bronner, blende Aspekte wie die Biodiversität aus: Wenn artenreiches Grünland in energetisch produktivere Maisplantagen umgewandelt wird, so gehe dies auf Kosten von Lerche und Braunkehlchen. Selbst die Umwidmung von Heuwiesen zu intensiv genutzten Silagewiesen, welche weiterhin als Grünland gelten, trage zum Verlust der Artenvielfalt bei.

Ein anderes Problem ist das der Konkurrenz zwischen verschiedenen Nutzungsformen der Anbauflächen und der Biomasse im Allgemeinen. Werden zum Beispiel Holzabfälle in Heizkraftwerken verbrannt, so stehen sie nicht mehr als Rohstoff für die Herstellung von Spanplatten zur Verfügung. Auch die „verstärkte Eigenproduktion von Eiweißfuttermittel statt Soja-Importen auf Kosten der Länder des Südens? – eine Forderung, die die „Ekologesch Landwirtschaftsberodung“ am Mittwoch vorstellte – ist nur möglich, wenn dafür Anbauflächen verfügbar sind. Größtes Problem sind jedoch die indirekten Verdrängungseffekte bei Nahrungsmitteln: Wenn in Luxemburg Raps für Biodiesel anstelle von Getreide angebaut wird, muss dieses aus Drittländern importiert werden, in denen dann wertvolle Naturlandschaften in Ackerflächen umgewandelt werden. Dies wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausbau der Agrotreibstoffe kritisiert (woxx 1094), gilt aber grundsätzlich für jede zusätzlich hergestellte Biomasse, gleich welcher Form.

„Wenn Flächen knapp sind, ist der Anbau von Biomasse zur Energiegewinnung keine gute Idee“, so Bronners Schlussfolgerung. Bioenergie solle grundsätzlich nicht in Konkurrenz zur Nahrungsnutzung oder zur stofflichen Nutzung wie der in der Holzindustrie treten. Deshalb müssten prioritär alle Formen organischer Abfälle genutzt werden, und der gezielte Anbau von Biomasse sei strengen Nachhaltigkeitsnormen zu unterwerfen. Auf die wenig effektiven Agrotreibstoffe solle man am besten ganz verzichten.

Für Luxemburg ergibt sich daher ein geringeres Bioenergie-Potenzial als bisher angenommen. Umso wichtiger sei es, argumentiert der Mouvement écologique auf Basis von Bronners Studie, die Biogas-Anlagen gezielter zu fördern. Insbesondere müsse es attraktiver werden, Gülle zu nutzen statt Energiepflanzen. Denn es handele sich bei der Gülle nicht nur um ein Nebenprodukt, bei ihrer Nutzung in den Anlagen werde auch viel weniger Methan – ein starkes Treibhausgas – freigesetzt als bei der direkten Ausbringung auf den Feldern. Der Mouvement empfiehlt der Regierung, die Biogas-Förderung durch einen Güllebonus zu ergänzen, welcher auch den höheren Aufwand bei der Verarbeitung berücksichtigt. Im Anschluss an die Pressekonferenz traf sich die NGO mit dem Landwirtschafts-, dem Nachhaltigkeits- und dem Wirtschaftsminister. Letzterer, zuständig für die Überarbeitung des Reglements zur Biogasförderung, versprach laut Angaben des Mouvement, Anfang September ein Treffen mit allen Akteuren zu veranstalten.


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