FINANZPLATZ: Fortsetzungsroman

Die Regierung sucht nach einem neuen Standbein für den Finanzplatz. Aber auch das Fondsgeschäft, das rund ein Zehntel der Staatseinnahmen einbringt, wird ausgebaut.

Für Budgetminister Luc Frieden ist die Rechnung einfach: Luxemburg profitiert in hohem Maße von der Globalisierung. Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“, kann es sich unser Land erlauben, durch eine besonders günstige Steuergesetzgebung bestimmt, einzelne Wirtschaftssektoren nach Luxemburg zu holen, die dann von hier aus weltweit operieren. Auch wenn diese wie im Fall der Investmentfonds nur marginal Steuern abgeben, bleibt in der Summe ein Batzen Geld in der Kasse des Budgetministers übrig.

Wobei das Bild des Kleinviehs der Sache nicht so richtig gerecht wird, denn eigentlich hat Frieden es ja eher auf das Großwild abgesehen. Etwa aus Asien, wo, laut seiner Aussage, schon jetzt jeder vierte Milliardär der Erde lebt.

Böse Neider – oder gewissenhafte EU-KommissarInnen – wachen allerdings streng darüber, dass hierbei nicht übertrieben wird. Andere EU-Staaten, die aufgrund ihrer staatlichen Verpflichtungen weniger großzügige Steuermodelle anbieten können, sollen durch die Luxemburger Regelungen nicht benachteiligt werden. Denn die emsigen SparerInnen, die ihr mehr oder weniger schwer verdientes Geld in Luxemburg „arbeiten“ lassen, könnten dies ja auch zu Hause tun und so den eigenen Staat daran verdienen lassen. Deshalb gerät das eine oder andere Finanzprodukt, das Luxemburg bietet, auch schon mal in Verruf.

Etwa die Holdinggesetzgebung aus dem Jahre 1929, die es ausländischen Gesellschaften erlaubt sich beinahe steuerfrei in Luxemburg niederzulassen. Zuletzt gab es 14.000 solcher Briefkastenfirmen im Großherzogtum. Damit Ende 2010 Schluss sein: Luxemburg hat sich mit der EU-Kommission auf eine Übergangsfrist geeinigt, die zu einer Abschaffung dieses Instruments führt.

Zunächst hatte es noch ausgesehen als wolle Luxemburg versuchen sein Holdinggesetz zu verteidigen. Doch seit Anfang dieses Jahres ist bekannt, dass Luxemburg sich zwar darauf beruft hinsichtlich der Holdinggesellschaften mit europäischem Steuerrecht konform zu sein, doch keinen langwierigen Rechtsstreit darüber führen will. Es gelte, die Rechtssicherheit der Betroffenen und die Reputation des Finanzplatzes nicht zu gefährden, so die offizielle Lesart. Seit August 2006 werden keine neuen Holdings nach dem alten Gesetz von 1929 mehr zugelassen.

Stattdessen wurde zwischen Europäischer Kommission und Luxemburger Regierung ein Kompromiss ausgehandelt, der es erlaubt, in den nächsten vier Jahren ein anderes Finanzinstrument, die „société de gestion du patrimoine familial“ (SPF), zu etablieren. Nach Aussagen von Luc Frieden könnten so 80 Prozent der bislang vom Holdinggesetz abgedeckten Aktivitäten rechtlich eine neue Bleibe in Luxemburg finden. Auch die SPF haben letzte Woche das Plazet der europäischen Kommission bekommen. Weil die SPF sich an Privatkunden richten, die nicht aktiv in das Management eingreifen dürfen, wird das neue „Investitionsvehikel“, wie Frieden es nennt, von der Wettbewerbskommissarin nicht als unzulässige staatliche Förderung für Unternehmen gewertet.

Das Gesetz zu diesem „wealth management“ soll noch vor Jahresende abgesegnet werden. Neben der Übergangsregelung für Holdinggesellschaften und der Verabschiedung des Haushalts, besteht also viel Arbeit für die Finanzkommission der Chamber. Am 9. November wird das erst letzte Woche deponierte Gesetz ein erstes Mal beraten. Ein „schönes Kapitel aus der Geschichte des Finanzplatzes“ wird demnach durch eine andere „success story“ abgelöst – so jedenfalls wünscht es sich der Budgetminister.

Alle Reichen der Welt

Friedens Auftritt vor der Presse Anfang dieser Woche hatte allerdings einen anderen Anlass: Fünf Tage lang weilte er mit einer „hochkarätigen“ Delegation, vor allem von Vertretern der Alfi (Association Luxembourgeoise des Fonds d’Investissement) in Asien, genauer in Tokio, Seoul und Hongkong, um die Vorzüge des Luxemburger Finanzplatzes für dortige Investoren vorzustellen.

Alfi-Präsident Tom Seale, der ebenfalls am Pressetermin teilnahm, erläuterte, weshalb der asiatische Markt so wichtig ist: Es gibt dort eine sehr hohe Sparquote, die allgemein schlecht verzinst ist. Luxemburgs Vorteil gegenüber anderen Finanzplätzen, so betonte Frieden, sei die besondere Gesetzgebung, die „Kleinsparern“ größere Sicherheiten böte, als die der Konkurrenten etwa der Cayman Islands oder in Dublin.

„Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, meinte Frieden, denn man habe feststellen müssen, dass die Konkurrenz nicht schläft und den von der Luxemburger Delegation besuchten Ländern bereits ihre Aufwartung gemacht habe. Seale und Frieden hatten in drei Seminaren etwa 500 Finanzspezialisten die Vorzüge Luxemburgs vorgetragen. Hongkong als Eingangstor zu China war dabei besonders wichtig: Das hohe Wachstum der Volksrepublik lasse auch den Markt für in Luxemburg beheimatete Investitionsfonds wachsen.

Dabei sind schon jetzt 70 bis 100 Prozent der in den drei besichtigten Ländern operierenden Investmentfonds in Luxemburg beheimatet. Luxemburgs marktführende Position ist allerdings nur relativ, denn noch sind die Asiaten in Sachen ausländischer Fonds zurückhaltend. Um den sich öffnenden Markt nicht anderen zu überlassen, gelte es, neue SparerInnen für sich zu gewinnen, weshalb ähnliche PR-Reisen auch in andere Regionen der Welt geplant sind, meinten Seale und Frieden übereinstimmend.

Luc Frieden spricht zwar von Diversifizierung der Luxemburger Wirtschaft, setzt sich aber auffallend stark für den Finanzplatz ein. Rund zehn Prozent der Steuereinahmen Luxemburgs werden zurzeit allein von den 720 in Luxemburg zugelassenen Investitionsfonds erbracht. Auch wenn die Fondsbetreiber wegen der internationalen Konkurrenz auf ein weiteres Herabsenken der Besteuerung setzen, will Frieden deren Steuervolumen weiter steigern.

Ein zweischneidiges Schwert, das sich der Budgetminister da zu Nutze macht: Zwar lässt die Attraktivitätssteigerung des Finanzplatzes die Summe der in Luxemburg angelegten Gelder weiter anwachsen, und auch der Finanzsektor mit den für den Fondsbereich geschätzten 9.000 ArbeitnehmerInnen wird wohl auch in den nächsten Jahren hohe Steigerungsraten aufweisen. Ob aber auch der Staat auf Dauer dabei gewinnt, gilt abzuwarten

Alfi-Präsident Seale gibt sich zwar sehr diplomatisch, wenn er betont verstehen zu können, dass Frieden die mit 0,05 Prozent mikroskopisch kleine „taxe d’abonnement“ auf den Einlagen der privaten Fonds nicht einfach abschaffen kann. Doch in Dublin ist eine solche Gebühr unbekannt, hier reichen dem Staat die über den normalen Geschäftsgewinn und die Löhne eingenommenen Steuergelder. Für Frieden ist dies (noch) undenkbar: Steuersenkungen dürften die Kapazität des Staates, die nötigen Infrastrukturen bereit zu stellen, nicht in Gefahr bringen.

Angesichts des angekündigten Sozialabbaus dürfte es für die christlich-sozialistische Regierung ohnehin schwierig werden, weitere Steuergeschenke allein den Globalisierungsgewinnern zukommen zu lassen. Wächst der Wohlstand nur bei einem Teil der Bevölkerung und bleiben Reformen aus, die nicht nur einfach als Abbau staatlicher Leistungen daher kommen, sondern die Lebensumstände der Menschen verbessern helfen, dann ist auch Luxemburg – schneller als befürchtet – auf dem Weg in die duale Gesellschaft – mit allen dazugehörigen Problemen.


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