CHINA GLOBAL: Partner für Luxemburg, Modell für die Welt?

Welches Land möchte nicht gerne Tender sein, wenn China die Wachstumslokomotive ist? Doch Partner und Nachahmer sollten auch die Schattenseiten des Pekinger Modells zur Kenntnis nehmen.

Das alte und das neue China: Mit Pragmatismus 300 Millionen Menschen aus der Armut geholt.

Die drastischen wirtschaftlichen und geopolitischen Veränderungen lassen heute eine Frage zu, die noch vor 25 Jahren völlig verrückt geklungen hätte: Ist China ein potentieller strategischer Partner für Luxemburg? Klar ist: Die Regierung des Großherzogtums hat in den vergangenen zehn Jahren einige Anstrengungen unternommen, um Verbindungen zum Reich der Mitte zu knüpfen: von der Einrichtung eines Generalkonsulats in der Finanzmetropole Shanghai über zahlreiche offizielle Besuche bis zur Teilnahme an der Weltausstellung 2010. Dabei haben sich einheimische Firmen in China etabliert, wie umgekehrt chinesische Unternehmen hierzulande Fuß gefasst haben.

Nicht nur hierzulande macht die solide Wirtschaftskraft das Land zu einem attraktiven Partner. So ist das Département Moselle dabei, eine chinesische Wirtschaftszone einzurichten, in der 3.000 Arbeitsplätze entstehen sollen – bezeichnenderweise in Illange, der Nachbargemeinde des krisengeschüttelten Stahlstandortes Florange. Für Luxemburg als offene Volkswirtschaft ist die Suche nach neuen Partnern nicht minder vital. Denn sowohl die US-Konzerne, in den Zeiten des Kalten Krieges wichtige Investoren, als auch die umstrittene Golfmonarchie Katar (siehe Seite 5) scheinen ausgedient zu haben.

Doch nicht alle Versuche, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu intensivieren, brachten auch Ergebnisse. Seit Mitte der 2000er Jahre versuchte der damalige Konzern Arcelor, Teile der Stahlindustrie zu übernehmen – trotz der strengen chinesischen Regelungen. Mitte dieses Jahres hat Lakshmi Mittal die Anteile an Hunan Valin für 300 Millionen Dollar abgestoßen und damit diesen Versuch beendet. Erfolgreich waren vor allem die Beziehungen, die der Finanzplatz knüpfte: Derzeit sind drei große chinesische Banken in Luxemburg präsent, auch werden „Dim-Sum-Bonds“ aufgelegt, das sind Anleihen in Offshore-Yuan. Zum einen kann die Steuergeheimnis-Bastion Luxemburg hoffen, einen Teil des Vermögens der über eine Million Dollar-Millionäre anzuziehen. Zum anderen gibt es ein Interesse der internationalen Finanzakteure, sich der strengen chinesischen Reglementierung durch Offshore-Geschäfte zu entziehen. Hier könnte Luxemburg eine ähnliche Rolle spielen wie in den 1960er Jahren, als mit dem Eurodollar-Handel der Grundstein für die Entwicklung des Finanzplatzes gelegt wurde.

Doch Partnerschaften sind, besonders für den Juniorpartner, eine delikate Angelegenheit. Welchen Impakt die US-amerikanischen Interessen in Luxemburg hatten, werden künftige Historiker aufdecken müssen. Gegenüber Staaten, deren Kultur uns wesentlich fremder ist, besteht die Gefahr von Missverständnissen und Fehleinschätzungen, wie das katarische Abenteuer zeigt. Sollte Luxemburg vom 51. Bundesstaat zur fernwestlichen Sonderwirtschaftszone werden, wird es sich eingehender mit den wirtschaftlichen und politischen Orientierungen der Volksrepublik auseinanderzusetzen haben.

Markt, Staat, Partei

Eben diese Orientierungen sind es auch, die ein Stirnrunzeln auslösen, wenn China von diversen Akteuren als Modell propagiert wird. Manager und Wirtschaftsminister, die davon schwärmen, wie „unternehmerisch“ das Reich der Mitte sei, verschweigen in der Regel, was Felix Lee ins Zentrum seines Buches stellt: In wichtigen Fragen greift die Regierung ein – und versteckt sich nicht hinter einer Laissez-faire-Ideologie. Auch wenn nicht immer klar ist, wie progressiv die wirtschaftspolitischen Vorstellungen Pekings wirklich sind, stellt die chinesische Herangehensweise doch eine Alternative zur Marktideologie dar.

Dass China in vielen Entwicklungsländern als Vorbild gesehen wird, dient wohl nicht nur dazu, autoritäre Regimes zu rechtfertigen. Für Lee sehen viele dieser Länder auch die Nachteile des chinesischen Wegs, aber: „Sie haben von China gelernt, dass sich unterentwickelte Länder überhaupt erst aufstellen können, wenn ein staatlicher Rahmen dafür sorgt, die einheimische Wirtschaft vor aggressiven transnationalen Großkonzernen zu schützen.“ Problematisch bleibt ein von Lee wenig beachteter Aspekt: Der starke Staat wird in China nicht nur im Namen des Allgemeinwohls respektiert, sondern auch im Namen des Nationalstolzes. Sollte dieser in Ostasien massiv in Nationalismus umschlagen, sind die Tage der friedlichen und für alle Beteiligten vorteilhaften Kooperation gezählt.

Problematisch für Länder mit demokratischer Tradition ist natürlich auch das von Lee charakterisierte – und kritisierte – Modell der „benevolenten Autokratie“. Denn die bemerkenswerte Handlungsfähigkeit des chinesischen Staates gegenüber den Märkten beruht ja nicht auf demokratisch beschlossenen und rechtsstaatlich durchgesetzten Direktiven, sondern auf der Verquickung von Politik und Wirtschaft und auf der uneingeschränkten Eingriffsmöglichkeit im Fall der Fälle. Dass ein kluger und entschlossener Despot ein Land besser leiten könne als zerstrittene Politiker und Magistrate, das ist auch im Westen keine neue Idee. Im Europa des 18. Jahrhundert sahen so manche klugen Köpfe im damals sich verbreitenden „aufgeklärten Absolutismus“ das Regierungsmodell der Zukunft. Aber dieses Modell ist, aus prinzipiellen wie aus praktischen Gründen nach und nach von demokratischen Institutionen verdrängt worden. Dass diese Errungenschaft angesichts von Chinas Erfolgen wieder in Frage gestellt wird, mag Konservative und Unternehmer entzücken. Für Linke dagegen gibt es, spätestens seit dem Scheitern der Idee einer „benevolenten Diktatur des Proletariats“, keinen Grund, sich über die Schwächung der Demokratie zu freuen.

Siehe auch: EIN BUCH GEGEN DIE KRISE: Von China lernen?
 


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