MALEREI: Unter der Lupe

Nein, mit Anita Albus wird man kaum Mikado spielen wollen. Ihre Hand scheint kein Zittern, nicht einmal das leiseste Zucken zu kennen. Sicher platzierte Linien und feinste Schattierungen in den Flächen geben ihren Bildern eine überragende Klarheit und Schärfe. Nicht wenige halten sie für „eine der besten Malerinnen unserer Zeit“. Sie selbst sieht sich in gesunder, will sagen bescheidener Selbsteinschätzung lediglich als „kleine Meisterin“.

Hält die Leidenschaft zur Malerei sie schon seit ihrer Jugend gefangen, kam spätestens mit dem Verfassen von Vor- und Nachworten eine zweite zum Schreiben hinzu. So ist sie nicht nur Malerin sondern auch Schriftstellerin, die sich lange Zeit mit Prousts und Tanja Blixens Arbeiten beschäftigte. Dazu kamen kunst- und kulturhistorische Rückblicke, unter anderem eine Sammlung fast vergessener Volkslieder, Kinderbücher und vor allem Naturbetrachtungen.

Dabei scheint Anita Albus der Allgemeinheit immer noch weitgehend unbekannt zu sein. Dies liegt sicher auch daran, dass ihre Bilder nur selten ausgestellt werden.

Allerdings nahm man sich im letzten Jahr anlässlich ihres siebzigsten Geburtstages im kleinen Glückstadt ihrer Arbeiten an und zeigte im dortigen Detlefsen-Museum eine Gesamtschau, die nun quasi als Wanderaustellung noch einen knappen Monat im naturhistorischen Museum in Luxemburg gezeigt wird.

Anita Albus‘ Kunst ist immer gegründet auf das Können. Man mag das im Hinblick auf den heutigen Kunstbetrieb als rückwärts gerichtet betrachten, aber Albus weist darauf hin, dass die frühen Abstrakten ihr Kunsthandwerk noch wirklich verstanden. „Sie konnten alle zeichnen. Aber die, die das nachäfften, meinten, sie könnten sich diesen Weg ersparen“. Beim Schreiben käme wohl auch niemand langfristig ernsthaft auf diese Idee.

So rät sie jedem, der sich ernsthaft mit der Malerei auseinandersetzen will, zur Ausbildung an einer Restauratorenschule. „Handwerk wird an Akademien nicht gelehrt.“ Albus selbst hat sich ihr Können erst nach ihrem Studium autodidaktisch beigebracht, in dem sie im Grunde die alten Meister kopierte. Dazu gehörte auch, die Farben aus Pigmenten unterschiedlicher Körnung zu reiben, um so schließlich in einzelnen Farbschichten die Lichtbrechung und damit die Farbtiefe beeinflussen zu können.

Den größten Teil der im Nationalmuseum unter dem Titel „Im Spiegel der Natur“ gezeigten Arbeiten nehmen die von Albus gemalten Blumen ein. Gerade sie erinnern stark an die Darstellungen aus den naturwissenschaftlichen Arbeiten vergangener Jahrhunderte. Sie habe die Pflanzen alle in ihrem Garten im französischen Burgund gezüchtet, wo sie sich das halbe Jahr über aufhält, um sie schließlich malen zu können.

Die Genauigkeit in Albus Darstellung ist kaum nachzuvollziehen und es ist den Kuratoren zu danken, dass sie den Betrachtern Lupen zur Verfügung stellen um in ihre Miniaturen einzutauchen. Dabei stellen einen schon die feinen Dornen einer Distel, in die deren Blätter auslaufen, vor ein Rätsel, und hin und wieder kommt es einem als Betrachter so vor, als entdecke man in Albus Bildern Details, die einem in der Natur selbst verborgen geblieben wären und die einem nur dank ihres geschulten Auges offenbart worden sind.

Auch einige Bilder aus ihren Kinderbüchern sind zu sehen, um die herum sie von Kindern hat Geschichten erzählen lassen. Und dann gibt es natürlich ihre gefährdeten Vögel, für deren Überleben sie sich einsetzt. Spätestens hier gewinnt man dann den Eindruck, dass es Albus im Grunde gar nicht so sehr um die Natur selbst geht, als vielmehr um die Vorstellungen und Träume, die wir mit ihr verknüpfen. Einer Kultur, die gemeinsam mit der Natur verloren ginge.

Diese Rückbesinnung scheint so wenig in unsere Zeit zu passen wie die Arbeiten von Anita Albus selbst und gerade deswegen sollte man die Gelegenheit zum Besuch am Schopfe packen.

Im Naturmusee, noch bis zum 20. Januar.


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