„Juncker tritt zurück“, titelte die internationale Presse. Dabei gab es nicht einmal ein sauber abgestimmtes Misstrauensvotum gegen ihn.
Es ist allgemein bekannt: Außer bestimmte Srel-Dossiers betreffend, hat Jean-Claude Juncker ein sehr langes Gedächtnis. Die betretene Mine des Noch-Vizepremiers, nach Junckers Abrechnung mit dem Koalitionspartner, sprach Bände. Die Trennung von Tisch und Bett ist vollstreckt, doch Asselborn weiß, wer in der schönen Regierungsvilla eigentlich nur zur (Unter-)Miete wohnte.
Juncker hat das für ihn beste und für die Chamber blamabelste Szenario gewählt: Keine der von den Fraktionen vorgelegten Motionen ist überhaupt zur Abstimmung gelangt. Dafür hat Juncker klar gemacht, wer bestimmt, wann und wie Koalitionen in Luxemburg gezimmert und auch wieder zerbrochen werden. Und er kann auch noch in die Rolle des hintergangenen Opfers schlüpfen: Er, der doch in Sachen Spëtzeldéngscht die Transparenz so weit getrieben hat, wie keiner vor ihm.
Natürlich ist ein parlamentarischer Erfolg, dass die Aufklärung über die „disfonctionnements“ des Geheimdienstes nicht nur zu weiten Teilen aufgeklärt ist, sondern endlich auch in eine Reform münden soll. Klar ist aber auch, dass nur Juncker es in der Hand hatte, echte Konsequenzen aus den Fehlern (die von ihm eingestandenen und die von ihm „objektiv“ begangenen) zu ziehen, statt die wichtigen Vorwürfe lediglich abzublocken. Sein Verweis auf ihm nicht übersandte Berichte bzw. nicht an ihn gerichtete Fragen waren ein leicht durchschaubarer rhetorischer Trick, seine Versäumnisse anderen in die Schuhe zu schieben.
Dass die Fraktionen am Mittwoch ihre präparierten Erklärungen und Motionen auf Junckers Erklärung hin nicht mehr abänderten, hat nicht mit schlechtem Hörvermögen, sondern mit mangelndem Gehorsam zu tun: Wie eine Hundestaffel wollte der Premier das Parlament Gassi führen, den Koalitionspartner im letzten Moment zurückpfeifen.
Dabei wusste Juncker genau, welches Tauziehen in der LSAP in den letzten Tagen und Wochen stattgefunden hatte. Sein Schweigen, bis zum Beginn der offiziellen Debatte, war genauso abgekartet, wie die vorgefertigten Positionen der Fraktionen: Parlamente sind in der Regel keine Orte der Spontaneität. Spannung herrschte nicht in Bezug auf das, was passieren würde, sondern wie es passieren würde.
Die Rechtfertigungen, die Juncker im Plenum lieferte, sie hätten allesamt in den zahlreichen Sitzungen der Untersuchungskommission vorgebracht, und eine nach der anderen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft und entsprechend bewertet werden können. Da Juncker seine Behauptungen aber gleichsam als Schlussplädoyer inszenierte, sollte dem Berichterstatter theatralisch Einseitigkeit unterschoben, der mehrheitlich gestimmte Bericht vom Tisch gefegt werden.
Es gibt nicht einmal eine durch das Plenum votierte Motion, die die Fehler des amtierenden Premiers festhält.
Ob Junckers Drehbuch, das ihn als Opfer einer infamen politischen Intrige zeigt, die allein ihm galt, und von den ihm angelasteten Verfehlungen schweigt, das Publikum überzeugen wird, stellt sich erst am Wahlabend heraus.
Dabei ist fraglich, ob das Srel-Dossier im Früherbst überhaupt noch interessiert. Und es gibt nicht einmal eine durch das Plenum votierte Motion, die die Fehler des amtierenden Premiers festhält. Statt dessen formulierte dieser eine Rücktrittserklärung der gesamten Regierung – und erklärte das Ende der Sitzung.
Wenn dann die CSV – spontan und unvorbereitet ? – am Mittwochabend ihre Homepage mit einen lächelnden Juncker drapiert und „Mir mam Premier!“ textet, wird klar, dass alle – auch die CSV – seit Tagen wussten, was sie wollten.
Die Chance, dass es zu einem offensiven Wahlkampf einer Dreier-Koalition gegen die Juncker-CSV kommen wird, sind wohl eher gering. Die bemerkenswert seichte Kritik des DP-Sprechers am Mittwoch, sie wird sich in Junckers-Langzeitgedächtnis ebenso einnisten, wie der deutlich vollzogene – wenn auch ausführlich argumentierte – Bruch durch den LSAP-Präsidenten oder der minutiös vorgetragene Bericht des Grünen Fraktionschefs. Demnach entscheiden die WählerInnen im Oktober wahrscheinlich nicht einmal, wen Juncker in Zukunft an der Leine führen wird.