CITÉ DU FER: Aufbruch oder Stillstand

In Windeseile ist in Differdingen die neue „Kenia-Koalition“ entstanden. Hat deren politische Agenda mehr als nur einen sozialen Anstrich?

Fast scheint es so, als hätten die Grünen in Differdingen vom Verhalten der DP nach den Nationalwahlen gelernt. Im Nu wurden Gespräche mit LSAP und CSV geführt und nach nur zwei Verhandlungsrunden die Kenia-Koalition unter Dach und Fach gebracht.

Die Verhandlungen seien respektvoll geführt worden, bekundeten die drei Parteien und kündigten mehr „Soziales“ und eine „stärkere Bürgerbeteiligung“ an, um dann in vielen Formulierungen doch recht vage zu bleiben. So liest sich das Programm der neuen Koalition in weiten Teilen wie eine eilig sozial angestrichene Version des Programms ihrer Vorgänger. Wenngleich im Bereich Klimapolitik eine Reihe ambitionierter Vorhaben aufgeführt werden, in denen sich die Handschrift der Grünen bemerkbar macht.

Roberto Traversini, designierter Bürgermeister wurde nicht müde, zu versichern, es habe keine inhaltlichen Differenzen zwischen DP und Grünen gegeben. Da fragt sich, warum die Koalition dann aufgekündigt wurde. Wie es bisher war, kann es nicht weiter gehen – so simpel lässt sich die blau-grüne Beziehungskrise auf den Punkt bringen. Die DP sieht sich bei dem, was folgte, ungerecht behandelt und pocht auf die gemeinsam mit den Grünen errungene Mehrheit (10 von 19 Sitzen). Eine Logik, die einem nach den Nationalwahlen irgendwie bekannt vorkommt.

Verstärkt wurde die Kluft zwischen den Beteiligten durch Statements gegenüber der Presse. Diejenigen, die bis vor Kurzem noch die Oppositionsbank gedrückt hatten, sparten nicht an Kritik: Erny Muller, erster Schöffe in spe, sprach laut „Quotidien“ davon, dass es eines grundsätzlichen Wandels bedürfe. CSV-Mann Tom Ulveling, dem in Zukunft der „Service culturel“ unterstehen soll, fordert Transparenz und sieht eine Chance darin, dass die ihm unterstehende Einrichtung künftig nicht mehr „wie in einer Diktatur“ geleitet werde.

Die DP scheint die bittere Pille der Ablehnung ihres Bürgermeisterkandidaten und ihrer beiden Schöffen geschluckt zu haben. In einem Kommuniqué appelliert sie an die neue Koalition, die „geleistete Aufbauarbeit“ der vergangenen Jahre nicht zu zerstören und verspricht, eine „konstruktive Oppositionspolitik“. Diese dürfte im Beharren auf Fortführung der unter dem Stichwort „Strukturwandel“ begonnenen Großprojekte wie des mittels Public-Private-Partnership finanzierten „Aquasud“ beruhen.

Ein Denkmalschutz ganz oben auf der Agenda, erscheint hier als kluge, für die Cité du fer würdige Alternative.

So berechtigt die Kritik an einigen dieser Projekte aus linker Sicht ist, so unsäglich wäre es, nun kehrt zu machen. Da sich der Niedergang der Stahl-industrie nicht mehr aufhalten lässt, geht es darum, zumindest ihr kulturelles Erbe zu erhalten. Die Baupolitik, die immer neue Betonklötze aus dem Boden stampft, um den Mittelstand nach Differdingen zu locken, muss ein Ende haben. Eine besonnene Politik, in welcher der Denkmalschutz, ganz oben auf der Agenda steht, erscheint hier als kluge, für die Cité du fer würdige, Alternative. Alles, was in den letzten zehn Jahren an Projekten in Differdingen ins Leben gerufen wurde, aus purem Ressentiment rückgängig zu machen, wäre irrational. Gerade, weil einige Kultur-Projekte wie das geplante „Musée de l’énergie“ oder die Kreativfabrik „1535°“ im Zeichen des Erhalts des kulturellen Erbes der Stahlindustrie stehen. „Erhalt der architektonischen Bausubstanz“ heißt es denn auch vielversprechend im neuen Koalitionsprogramm.

Nun, da CSV und LSAP die Hoheit über jene Ressorts haben, die bislang am stärksten im Fokus ihrer Kritik standen, haben sie die Chance, es besser zu machen. Im Falle des „Service culture“, heißt es, klug zu haushalten und niveauvolle kulturelle Projekte jenseits einer reinen Unterhaltungskultur voranzubringen. Und das ist auch eine Frage des Budgets. Letztlich wird sich die neue Kenia-Koalition in vier Jahren daran messen lassen müssen, ob ihr die Gratwanderung zwischen Kontinuität und wirklichem sozialen Wandel insbesondere bei der Wohnungsbaupolitik gelungen ist.


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