CSV-Altlasten tragen dazu bei, dass die Partei irgendwie noch nicht glaubhaft in ihrer Rolle als Opposition angekommen ist.
Aus Italien ist bekannt, dass es nicht unüblich ist (oder zumindest früher der Fall war), dass Staatsbedienstete einigen Nebenbeschäftigungen nachgehen, und dies mitten in ihrer Arbeitszeit und bisweilen sogar so, dass sie erst gar nicht an ihrer eigentlichen Arbeitsstätte erscheinen.
In fast täglichem Rhythmus sind in letzter Zeit in Luxemburg Fälle von Staatsbeamten bekannt geworden, die zwar auf den Gehaltslisten diverser Verwaltungen geführt werden, ohne von ihrer Tätigkeit – oder gar Existenz – Spuren hinterlassen zu haben.
Nun herrschen in Luxemburg sicherlich keine italienischen Verhältnisse. Dass die in der Regel schlecht bezahlten südeuropäischen KollegInnen versuchen, ihr Gehalt zum Monatsende etwas aufzubessern, entspringt einer ökonomisch wohl nur allzu verständlichen Logik. Was aber die hierzulande ruchbar gewordenen Fälle anbelangt, so betreffen sie vor allem höhere, also sogar für hiesige Verhältnisse besonders gut besoldete Dienstgrade. Und überdies in eher kleinen und überschaubaren Dienststellen, wie dem Staatsministerium, bei denen eigentlich davon ausgegangen werden kann, dass jeder jeden persönlich kennt – der politisch verantwortliche Minister nicht ausgenommen.
Der neue Minister für die „Fonction publique“, Dan Kersch, spricht deshalb auch von besonderen „strukturellen“ Problemen, die ursächlich seien für die auch für ihn überraschenden Enthüllungen. Dabei versucht der oberste Dienstherr, der sich ja selbst nichts vorzuwerfen hat, einen Spagat zwischen einer lückenlosen Aufklärung und dem Bestreben, das Image der gesamten öffentlichen Verwaltung vor allzu nachhaltigem Schaden zu bewahren. Zudem ist die „Untätigkeit“ einiger Beamter wohl nicht gänzlich auf schuldhaftes Fehlverhalten zurückzuführen, sondern auch auf die Unfähigkeit der verantwortlichen Minister, ihnen eine sinnvolle Tätigkeit zuzuweisen.
Auch wenn Dan Kersch sich eher vorsichtig ausdrückt: Das „strukturelle Problem“ ist eine der Ausformungen dessen, was man gemeinhin als „CSV-Staat“ bezeichnet. Wobei es nicht um die Christlich-Sozialen an sich geht, sondern um die Tatsache, dass eine einzelne Partei in einigen Ministerien über Jahrzehnte und – bis auf wenige Ausnahmen – in ungebrochener Kontinuität das Sagen hatte. Nur so ist zu erklären, dass derartige „Leichen im Keller“ unentdeckt blieben. Der Kehraus, den die neue Regierung jetzt in Angriff nehmen will, war überfällig. Wobei sich natürlich auch die Ex-Koalitionspartner der CSV fragen lassen müssen, wieso es in der Vergangenheit nicht möglich war, solchen „strukturellen“ Fehlentwicklungen vorzubeugen.
Das „strukturelle Problem“ ist eine der Ausformungen dessen, was man gemeinhin als „CSV-Staat“ bezeichnet.
Einer der an die aktuelle Koalition gerichteten Vorwürfe der CSV bezog sich ja auf die Bestallung von drei zusätzlichen StaatssekretärInnen, die zwar politische Verantwortung tragen, aber nicht als voll stimmberechtigte Regierungsmitglieder fungieren. Diese Konstruktion war nicht zuletzt der Versuch, die in Luxemburg nicht existierende Institution des politischen Beamten – d.h. politischer Zuarbeiter, die den Regierungsmitgliedern persönlich und politisch verbunden sind – einzuführen. Wichtige und meist auch „heikle“ Dossiers können so MitarbeiterInnen anvertraut werden, die politisch auf der gleichen Linie liegen.
Es geht hier nicht darum zu bewerten, ob diese Konstruktion sinnvoll ist. Aber es zeigt sich, dass die Kritik der CSV jetzt auf sie selber zurückfällt: Politisches Beamtentum hat es in Wahrheit immer gegeben. Einige der jetzt bekanntgewordenen „arbeitslosen“, aber gut besoldeten Beamten waren ja, in der einen oder anderen Form, Wasserträger von CSV-Ministern bzw. -Kommissionspräsidenten und mussten, nach Ablauf der Beratertätigkeit, in den „ordentlichen Dienst“ zurückversetzt werden.
Dass es hier alles andere als „ordentlich“ zuging, ist ein handfester politischer Skandal, den die Verantwortlichen von damals uns, bitte schön, erklären müssen. So lange das nicht passiert, wird die Öffentlichkeit die Gnadenfirst für die Gambia-„Chaostruppe“ (dixit Jean-Claude Juncker) wohl um die entsprechende Zeitspanne verlängern.