LAGE DER NATION: Nachhaltig unbekannt

Die Erklärung zur Lage der Nation wird sich vor allem daran messen lassen müssen, wie die neue Haushaltspolitik aussieht.

Als die neue Regierung im Dezember vergangenen Jahres antrat, war die umstrittenste Personalie die des Finanzministers. Dessen erste Budgetrede zum Teilhaushalt 2014 hinterließ vor allem das Gefühl, dass der neue Ansatz, die Finanzen des Landes in den Griff zu bekommen, noch nicht sehr weit gediehen ist.

Die, zugegebenermaßen kurze, Vorbereitungszeit war vor allem durch einige Aufregung gekennzeichnet, weil die Ministerien – nach alter Manier – gehalten waren, ihre „frais de fonctionnement“ querbeet um zehn Prozent zu kürzen. Die anderen von Pierre Gramegna erreichten Spareffekte wurden vor allem durch das Verschieben von Investitionen erzielt. Diese Maßnahmen entlasten zwar den Haushalt 2014, nicht aber die Staatskasse insgesamt.

Als dann auch noch bekannt wurde, dass der Finanzminister eine Beratungsfirma engagiert hatte, und wichtige Beamte seines Ministeriums gleichzeitig das Handtuch warfen, war auf einmal vom „Problemfall Gramegna“ die Rede. Der Betroffene ließ sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen und verwies auf die ungeheure Aufgabe, die ihm mit der Sanierung des Haushalts aufgebürdet worden sei. In einem Wort-Interview gibt er an nicht zu wissen, ob die Koalitionäre sich der Tatsache bewusst waren, dass sie die Haushaltsreform nur unter Rückgriff auf private Berater schaffen könnten. So wird einmal mehr deutlich, dass er wohl immer noch der Außenseiter ist, als der er bestellt worden war.

Statt den politischen Ansatz des neuen Finanzministers zu diskutieren, wird so der Fokus zurzeit auf den Clinch mit seinen MitarbeiterInnen und einen Interessenkonflikt gelegt, weil seine Tochter in der bestellten Beratungsfirma arbeitet(e). Der Diplomat Gramegna erwies sich hier tatsächlich nicht als großer Kommunikator – was er als Finanzminister ja auch nicht unbedingt sein muss.

Kommunizieren sollte dagegen der Premierminister, der ja am Mittwoch der nächsten Woche seinen ersten „Etat de la Nation“ abgeben muss. Zwar will die Regierung im Vorfeld sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeber informieren, doch zu einer echten Diskussion wird es nicht kommen: Bettel hat darum gebeten, dass seine Gesprächspartner sich vor Mittwoch mit Kommentaren zurückhalten und womöglich keine Inhalte seiner Rede preisgeben.

Derzeit rudern sowohl Bettel als auch Gramegna rhetorisch zurück.

Andere Interessensgruppen oder soziale Bewegungen erfahren die Zielvorgaben ohnehin frühestens anlässlich Bettels Rede. Wenn es denn solche Vorgaben überhaupt geben wird, denn derzeit rudern sowohl Bettel als auch Gramegna rhetorisch zurück: So genau will man es noch nicht wissen.

Was durchdringt, ist vor allem eine auf Sparmaßnahmen ausgelegte Politik. Hinsichtlich der Einnahmen wird lediglich die Erhöhung der TVA diskutiert, beziehungsweise der Termin ihrer Einführung. Also doch nur staatliche Austerität angesichts zu erwartender Steuerausfälle? Die Lieblingsvokabel von Gramegna und Bettel lautet hingegen „screening“: Ein Durchforsten der Ausgaben, das erlauben soll, den Druck auf der Ausgabenseite zu reduzieren. Etwa, wenn es darum geht, auf Vorhaben, wie eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg, zu verzichten.

Ob die versprochene „koperkanische Revolution“ durch Beratungsfirmen herbeigeführt werden kann, die allesamt unfähig waren, die jetzige Krise vorauszusehen, geschweige denn, intelligente Auswege aus ihr zu benennen, bleibt zu bezweifeln. Neue Wege der Besteuerung etwa – weg von der Arbeits-Einkommenssteuern hin zu einer Belastung des Kapitals und vor allem des Ressourcenverbrauchs – gehören bislang nicht zu deren Ideen-Arsenal. Im Gegenteil: Ihr auf Konkurrenzfähigkeit ausgerichtetes Denkmodell schließt Maßnahmen, die die Attraktivität des Standorts gefährden könnten, von vornherein aus.

Auf seiner Jahresversammlung am vergangenen Wochenende machte der Méco aus seiner Unzufriedenheit mit der neuen Regierung und insbesondere ihrem Finanzminister keinen Hehl: Ansätze einer nachhaltigen Finanz- und Budgetpolitik könne die Umweltgewerkschaft bislang nicht erkennen. Das liegt möglicherweise daran, dass es solche einfach nicht gibt.


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