HOMO-EHE: Das Mittelalter ist vorbei

Weder Revolution noch Zerstörung einer „heiligen“ Institution – die Einführung der Homo-Ehe in Luxemburg war ein seit langem überfälliger Schritt, den das Parlament in seltener Einigkeit am Mittwoch abgesegnet hat.

Sogar AmerikanerInnen haben es vorgemacht, nun hat Luxemburg endlich nachgezogen: Homo-Ehen gehören ab sofort zum heimischen Alltag. (Foto: ©flicker/ josé anwadas)

„Mä fir eis bleiwt d’Bestiednis eng Institutioun, déi dem Zesummeliewen vu Mann a Frau virbehalen as, eng Institutioun, déi historesch gewuess as, déi geprägt gouf duerch reliéis, philosophesch an och politesch Considératiounen, déi och bei de Redaktere vum Code civil, nach ëmmer considéréiert gin as als eng Communautéit, als eng Gemeinschaft tëscht Mann a Fra“ – was hier klingt wie der Redebeitrag eines ADR-Abgeordneten vom vergangenen Mittwoch, ist in Wirklichkeit 18 Jahre alt und stammt vom damaligen CSV-Abgeordneten Lucien Weiler. 1996 hatte die Grünen-Abgeordnete – und woxx-Autorin – Renée Wagener den ersten Gesetzesvorschlag zur Legalisierung der Homo-Ehe eingebracht; der aber vom Parlament abgewiesen worden war. Denn nicht nur die damals übermächtige CSV wehrte sich gegen den gesellschaftlichen Fortschritt, auch LSAP und DP hatten Angst, ins kalte Wasser zu springen. Sie wollten erst einmal den Vorschlag der sozialistischen Abgeordneten Lydie Err zur Gründung einer „Union Libre“ – die später zum Pacs wurde – unterstützen. Der „Gréngespoun“ mutmaßte damals, dass die Homo-Ehe für die DP und die LSAP vorerst noch ein „zu heißes Eisen“ sei.

Nun, im Jahre 2014, hören sich die Redebeiträge der Abgeordneten zum neuen Gesetz über die Homo-Ehe schon etwas gemäßigter an. Er habe „Probleme gehabt, sich mit dem Gedanken anzufreunden“ gab der junge CSV-Abgeordnete und Bürgermeister von Grevenmacher, Leon Gloden, zu. Trotzdem habe sich der Gesetzgeber nicht in die Liebe zweier Menschen einzumischen, betonte er und zitierte ellenlange Passagen aus einer Juncker-Rede aus dem Jahre 2009 zum Thema – wohl um diesen für eine christlich-konservative Partei doch etwas unnatürlichen Schritt zu legitimieren. Zeitgleich versuchte die CSV so etwas wie eine Echternacher Springprozession im Parlament zu vollführen: Auf den großen Schritt nach vorn folgte ein Antrag – der von keiner Fraktion angenommen wurde – der die Argumente der Gegner der Homo-Ehe teilweise übernahm und die Regierung ermahnte, Rücksicht auf die Ängste und Vorbehalte dieses Personenkreises zu nehmen.

Mehr Tierschutz als Kinderschutz?

Anders als die konservative Opposition versuchten die neuen Regierungsparteien allesamt, den gesellschaftlichen Fortschritt für sich zu vereinnahmen. Der sozialistische Fraktionschef Alex Bodry nutzte seine Rede, um ausgiebig gegen die „Fortschrittsbremse“ CSV zu wettern und herauszustreichen, dass seine Partei bereits seit 1999 in ihren Wahlprogrammen für die Homo-Ehe eintrete und auch 2009 bei den damaligen Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen darauf bestanden habe, diesen Punkt ins Koalitionsprogramm aufzunehmen. Fragt sich nur, wieso die LSAP es nicht geschafft hat, diese Reform dann auch in der letzten Legislaturperiode durchzusetzen.

Die anderen Mitglieder der jetzigen Regierungskoalition hieben ziemlich in dieselbe Kerbe. So nannte die Grünen-Chefin Viviane Loschetter die Argumente der Gegner einen „Schlag ins Gesicht“ der Kinder, die jetzt schon in Regenbogen-Familien lebten, und Simone Beissel von der DP bekräftigte noch einmal, dass dieses Gesetz nur ein erster Schritt in Richtung der vollkommenen Gleichstellung sein könne. Gelobt wurde auch die katholische Kirche, die sich in ihrer Stellungnahme zwar gegen die Homoehe und die Adoption ausgesprochen hatte, trotzdem aber nicht in die Polemik der „Schutz fir d’Kand“-Petitionäre eingestimmt hatte. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies auch unter einer CSV-Regierung der Fall gewesen wäre, oder ob das Bistum lediglich vermeiden wollte, die Gambia-Regierung, die an ihre Pfründe will, allzu sehr zu brüskieren. Einstimmig begrüßt wurde auch die Arbeit des Rapporteurs Paul-Henri Meyers, der unermüdlich am gestern gestimmten Gesetzesprojekt gefeilt hat um es so perfekt und stimmig wie nur möglich zu machen.

Lob für die Kirche

Dass dies wohl keine einfache Arbeit gewesen ist, zeigt die lange Entstehungsgeschichte von „6172A“. Ausgehend von einem ersten Vorschlag aus dem Jahre 2008 wurden verschiedene Vorschläge 2012 zu einem Text zusammengefasst. Denn die Homo-Ehe und die Möglichkeit zur Volladoption, die der Staatsrat durchgesetzt hat, sind in „6172A“ eigentlich nur Details. Gleichzeitig wurden eine Reihe Änderungen vorgenommen, die auch – teilweise archaïsche – Vorgaben verschwinden liessen. So wurden die obligatorische medizinische Konsultation vor der Heirat abgeschafft, das Heiratsalter für Männer wie für Frauen auf 18 Jahre festgesetzt (vorher konnten Frauen ab 16 heiraten) und der „délai de viduité“ in die Annalen verbannt, der festlegte, dass eine geschiedene oder verwitwete Frau erst nach einer Frist von 300 Tagen wieder heiraten konnte – weil der vorangegangen Ehe noch ein Kind hätte entspringen können. Hinzu kommen erheblich verschärfte Bestimmungen gegen Schein- und Zwangsehen. Betroffene können nun viel schneller die Annulation einer Ehe beantragen, das Bestimmungsrecht der Eltern – die sogenannte „crainte révérentielle“ – fällt auch nicht mehr weiter ins Gewicht, und die Staatsanwaltschaft verfügt ab jetzt über größere und klarere Befugnisse, um einzugreifen, wenn vonseiten der Gemeinde, bei der die Ehe registriert werden soll, Zweifel an Echtheit oder Freiwilligkeit der Ehe bestehen. Alles in allem also ein Gesetz, das längst überfällige Regelungen abschafft und sich an die gelebte Realität anpasst.

Auch die kleinen Oppositionsparteien reagierten den Erwartungen entsprechend. Déi Lénk-Abgeordneter Justin Turpel hob hervor, dass das Gesetz „6172A“ nicht den Parteien zu verdanken sei, sondern jahrzehntelanger sozialer Sensibilisierung und Mobilisierung durch die sozialen Basisbewegungen, und mahnte, dass es in Sachen Gleichstellung aller noch viel zu tun gebe – wie zum Beispiel bei Transgender-Personen oder transidenten Menschen, denen immer noch gewisse Rechte vorenthalten werden.

Vonseiten der ADR kam die zu erwartende Stammtischpöbelei. Roy Reding versuchte zunächst, die Regierung und das Parlament zu bedrängen, indem er auf die Petition „Schutz fir d’Kand“ verwies, die von der zuständigen Parlamentskommission nicht diskutiert worden war, weil sie das obligatorische Soll von 4.500 digitalen Unterschriften nicht erreicht hatte. Mit dem Verweis auf die mehr als tausend eingesammelten Papierunterschriften forderte Reding dennoch eine Anhörung. Dass das Parlament diese verweigerte, ist normal und richtig, denn schließlich gelten für alle die gleichen Regeln. So kam zum Beispiel die Petition für Tierschutz problemlos in kürzester Zeit auf mehr als 4.500 digitale Unterschriften. Dies lässt zwei Schlüsse zu: Entweder sind die Luxemburger ein barbarisches Volk, dem Tiere wichtiger sind als die eigenen Kinder, oder die Vorschläge der Petition „Schutz fir d’Kand“ haben einfach nicht den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung. Dies kümmerte die ADR-Leute Reding und Kartheiser wenig und so blieben sie bei ihren Argumenten: Die Regierung sei eine „Anti-Familien-Koalition“, die der „Gender-Mainstreaming-Ideologie“ hörig sei und deshalb versuche, die traditionelle Familienstruktur (die nur biologischen Ursprungs und natalistischer Ausrichtung sein könne) unwiderruflich zu zerstören – dies alles werde zu einer dysfunktionalen Gesellschaft führen, in der verhaltensgestörte Kinder die Regel sind. Schlussendlich wurde das Gesetz in seltener Einigkeit – mit nur vier Gegenstimmen, drei von der ADR und eine vom CSV-Nordlicht Aly Kaes – verabschiedet.

Dass Luxemburg es geschafft hat, die Homo-Ehe zu legalisieren, ohne dass französische Unruhen ausgebrochen sind, hat wahrscheinlich zwei Ursachen: Einerseits richteten sich die Proteste bei unseren Nachbarn auch gegen die sozialen Zustände und andererseits ist die hiesige Gesellschaft wohl doch etwas toleranter, als man manchmal vermuten würde. Und das ist auch gut so.


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