Queere Studierende an der Uni.lu: „Offiziell toleriert die Universität keine Diskriminierung“

Seit viereinhalb Jahren setzt sich eine zunehmend größere Gruppe queerer Student*innen dafür ein, dass die Universität Luxemburg zum Safe Space wird. Die woxx hat zwei Vertreter*innen getroffen.

Mitglieder der University of Luxembourg LGBT+ Students’ Association beim Welcome Day 2023, darunter Agnes Darabos (4.v.l.) und Elona Dupont (3.v.r.). (Copyright: University of Luxembourg LGBT+ Students’ Association)

woxx: Die University of Luxembourg LGBT+ Students’ Association wurde im November 2019 ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?

Elona Dupont: Ich bin kein Gründungsmitglied. Was ich aber sagen kann, ist, dass die Organisation aus dem Bedürfnis nach Gemeinschaft gegründet wurde. Richtig Fahrt nahm das Ganze nach der Covid-19-Pandemie auf, als nicht mehr alles nur online stattfinden musste. Anfangs bestand die Organisation aus nur fünf Mitgliedern, mittlerweile sind es ungefähr 130. Dazu gehören hauptsächlich Studierende und Uni-Angestellte. Wir haben aber auch Mitglieder ohne direkten Bezug zur Universität, Menschen, die aus einem pädagogischen Bereich kommen, der über keine solche LGBT+-Organisation verfügt. Dass die Anzahl der Mitglieder so stark gestiegen ist, hat vielfältige Gründe: Das Interesse, andere queere Studierende kennenzulernen, ist sicherlich einer davon. Damit hängt das Bedürfnis zusammen, selbst aktiv dazu beizutragen, dass die Universität zu einem Safe Space für LGBTIQA+-Personen wird.

Was die verschiedenen Mitglieder, egal ob extern oder nicht, vereint, ist der Einsatz für die Rechte der LGBTIQA+-Studierenden?

E.D.: Unsere Aktivität lässt sich in drei Bereiche aufteilen. Der erste ist sozialer Natur: In regelmäßigen Abständen organisieren wir Veranstaltungen, wie etwa Partys, Filmabende oder Picknicks, bei denen es darum geht, andere queere Menschen kennenzulernen und Zeit miteinander zu verbringen. Diese Veranstaltungen finden nicht immer an der Universität statt und jeder Mensch, der will, kann teilnehmen.

„Eine unserer langjährigen Forderungen besteht darin, eine „preferred name option“ einzuführen.“

Agnes Darabos: Der zweite Teil unserer Aktivitäten ist eher pädagogischer Natur. Meist sind das moderierte Diskussionsrunden, bei denen sich die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen austauschen können. Das Ziel besteht darin, dass die Mitglieder der Organisation Wissen untereinander weitergeben. Die Themen, die dabei besprochen werden, haben meist einen Bezug zu LGBTIQA+, aber nicht immer. Letztens haben wir etwa einen Austausch zum Thema Neurodivergenz organisiert. In Einzelfällen arbeiten wir auch mit Partnerorganisationen zusammen. Im Mai findet etwa ein Rundtischgespräch über Safer-Sex-Praktiken statt, das wir gemeinsam mit dem Roten Kreuz organisieren. Und an diesem Samstag startet unsere Eventreihe „Unexpected“ in Zusammenarbeit mit dem Cigale und der Kulturfabrik.

E.D.: Aktivismus ist der dritte unserer Aktivitätsbereiche. Hier geht es uns hauptsächlich darum, dass die Universität queerfreundlicher wird. Im Rahmen unserer politischen Arbeit haben wir bereits mit der Stadt Esch zusammengearbeitet und nächste Woche haben wir eine Unterredung mit dem Mega (Anm. d. Red.: Ministerium für die Gleichstellung der Geschlechter und Diversität).

Was steht denn auf der Tagesordnung für den Termin im Mega?

E.D.: Mehrere Punkte. Der erste steht im Zusammenhang mit der Universität. Eine unserer langjährigen Forderungen besteht darin, eine „preferred name option“ einzuführen. Diese Option würde es Studierenden erlauben, im Rahmen ihres Studiums – auf Dokumenten, in ihrer Mailadresse oder dem Online-System der Uni – einen anderen Namen zu verwenden als denjenigen, den sie bei der Geburt erhalten haben. Mit einer solchen Maßnahme wäre in erster Linie trans Studierenden geholfen, die aus Ländern stammen, in denen es nicht möglich ist, die Geschlechtsangabe im Personenregister zu ändern. Eine weitere unserer Forderungen ist die Einführung einer dritten Geschlechtsoption auf offiziellen Dokumenten. Eine solche Regelung käme Studierenden zugute, die sich als nicht-binär, also weder als Mann noch als Frau identifizieren. Als wir diese Forderung an die Universität herantrugen, wies man uns auf die mangelnde legale Basis dafür hin. Bevor die Universität eine dritte Geschlechtsoption einführen könne, so sagte man uns, sei eine Gesetzesänderung nötig. Den entsprechenden Gesetzentwurf wird zwar das Justizministerium vorlegen müssen, für uns war es aber der logische erste Schritt, zunächst einmal mit dem für LGBTIQA+-Belange zuständigen Ministerium über die Dringlichkeit einer solchen Gesetzesänderung zu sprechen.

Gibt es bereits Fortschritte, was die Einführung einer „preferred name option“ angeht?

A.D.: Wir sind kurz davor, dieses Ziel zu erreichen. Zurzeit können Studierende bereits von der Möglichkeit Gebrauch machen, Doktorand*innen allerdings nicht. Ich bin zuversichtlich, dass die Forderung bis zum Ende des Jahres implementiert ist. Manche Dozent*innen und Professor*innen misgendern (Anm. d. Red.: jemanden mit dem falschen Pronomen, dem falschen Namen oder falsch gegenderten Begriffen ansprechen) und deadnamen (Anm. d. Red.: die Verwendung des Deadnames, also des Namens, den eine Person nicht mehr für sich verwenden möchte) trans Studierende immer noch. Offiziell toleriert die Universität zwar keine Diskriminierung. Es hapert zum Teil allerdings an der Umsetzung davon.

Wie setzen Sie sich innerhalb der Universität für die Rechte von LGBTIQA+-Student*innen ein?

A.D.: Ein Mittel sind Awareness-Raising-Events. Im Rahmen des internationalen Tags der trans Sichtbarkeit etwa organisieren wir am 23. April eine Veranstaltung. Wir nutzen zusätzlich unsere Social-Media-Accounts sowie Flyer und Poster für Sensibilisierungsarbeit.

E.D.: Ein weiteres Mittel ist die bereits erwähnte Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Institutionen.

A.D.: Unsere Organisation arbeitet zudem eng mit den Gleichstellungsbeauftragten der Universität zusammen. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit sind Richtlinien für gendergerechte Sprache, die allerdings noch von der Direktion validiert werden müssen.

E.D.: Wir versuchen aber auch, die Fakultät zu erreichen. Etwa im Rahmen des jährlichen Teacher’s Day, einer Veranstaltung, bei der Dozent*innen und Professor*innen Workshops für andere Dozent*innen und Professor*innen anbieten.

A.D.: Beim Workshop der LGBT+ Students’ Association wird vermittelt, wie man als Lehrkraft einen möglichst inklusiven Klassenraum schaffen kann, mit einem spezifischen Fokus auf inklusive Sprache.

„Manche Dozent*innen und Professor*innen misgendern und deadnamen trans Studierende immer noch.“

Wie stellen Sie sicher, dass die von Ihnen organisierten Aktivitäten und Veranstaltungen ein Safe Space für LGBTIQA+-Menschen sind?

E.D.: Das ist eine sehr gute Frage. Wir sind ständig am Nachdenken und im Austausch darüber. Es handelt sich um eine sehr weitreichende Problematik. Wenn wir ein Rundtischgespräch ankündigen, arbeiten wir mit Triggerwarnungen. Wir überlegen im Vorfeld also, welche der geplanten Themen von Menschen im Publikum als aufwühlend oder verletzend empfunden werden könnten. Bei Veranstaltungen legen wir Wert auf die Verfügbarkeit geschlechtsneutraler Toiletten. Wir versuchen aber auch etwa, was die Helligkeit und die Lautstärke betrifft, Rücksicht auf neurodivergente Menschen zu nehmen.

A.D.: Bei Veranstaltungen außerhalb der Universität bereiten wir jedes Mal Guidelines vor.

Können Sie ein paar Beispiele für diese Guidelines nennen?

E.D.: Die Richtlinien reichen von Einvernehmen – nein heißt nein – bis hin zum Respekt der Identität anderer. Wir bitten Veranstaltungsteilnehmende zudem stets darum, ihre Pronomen anzugeben, wenn sie sich anderen vorstellen.

Haben Sie auch Forderungen bezüglich des Curriculums der Universität? Bezüglich der angebotenen Studiengänge, Seminare, Leselisten und so weiter?

A.D.: Zurzeit wird an der Universität kein einziges Gender-Seminar angeboten. Aber nein, im Moment gehen wir nicht so weit, diesbezüglich eine Änderung zu fordern. Zumindest noch nicht. Wir hoffen, dass die eben erwähnten Workshops bereits etwas bewirken können. Eine unserer Forderungen besteht darin, dass diese Workshops für alle Dozent*innen und Professor*innen obligatorisch werden müssen.

E.D.: Alle Mitglieder der LGBT+ Students’ Association engagieren sich ehrenamtlich. Das hat zur Folge, dass wir nicht so ernst genommen werden, wie wir es uns wünschen. Man nimmt uns als Studierende wahr und dementsprechend erwartet man von uns, dass wir rezipieren, nicht mitgestalten. Diese Mentalität zu ändern, stellt eine große Herausforderung für uns dar. Wir wünschen uns, dass die Universität uns als Ressource für Wissen und Kompetenzen ansieht. Davon sind wir zurzeit aber noch weit entfernt. Eine Voraussetzung, damit wir bei der Gestaltung des Curriculums mitreden können, ist, dass man uns ernst nimmt und uns zuhört.

An diesem Samstag, dem 6. April startet die queerfeministische Eventreihe „Unexpected“. Los geht’s um 17.30 Uhr im Kinosch mit einem Rundtischgespräch zum Thema „Face à la stigmatisation des identités LGBTQIA+: une multiplicité de stratégies ?“. Es diskutieren unter anderem Elona Dupont, Präsidentin der University of Luxembourg LGBT+ Students’ Association, und Nada Negraoui, Chargée de l’Observatoire des Discriminations LGBTIQ+ im Cigale. Ab 20 Uhr geht’s in der Kulturfabrik mit drei Liveshows, einem DJ-Set und einer Drag-Performance weiter. Die von der University of Luxembourg LGBT+ Students’ Association in Kollaboration mit dem Cigale und der Kulturfabrik organisierte Event-Reihe geht im Juli im Rahmen der Luxembourg Pride in die zweite Runde.


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