LANDWIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG: Kohärenz ungenügend

Anlässlich einer Pressekonferenz am gestrigen Donnerstag nahm der Meco Stellung zu den kürzlich vorgelegten Anmerkungen der EU-Kommission zum Luxemburger Plan für die landwirtschaftliche Entwicklung.

307 Einsprüche:
Der landwirtschaftliche Entwicklungsplan (PDR) für die Jahre 2014 bis 2020 ist in Brüssel durchgefallen. (FOTO:Riksanteri/wikimedia)

Der aktuelle Entwurf des luxemburgischen Plan de développement rural (PDR), wurde von der jetzigen Regierung im Juli 2014 bei der Europäischen Kommission in Brüssel zur Begutachtung eingereicht, ohne dass es zuvor eine echte öffentliche Debatte zu ihm gab.

Der Mouvement Ecologique hatte bereits im März 2014 im Detail seine Vorstellungen und Vorschläge zu dem Plan, der den Zeitraum von 2014 bis 2020 abdecken soll, dargelegt und dann im Juli des Jahres die undemokratische und zumindest umstrittene Vorgehensweise des Landwirtschaftsministeriums angeprangert (siehe woxx 12591271). In diesen Stellungnahmen verwies die Umweltgewerkschaft darauf, dass der Plan in weiten Teilen nicht den Vorgaben der Brüsseler EU-Kommission entspricht. Mit seinem „schlampigen“ und wenig zukunftsfähigen Entwurf erweise das Landwirtschaftsministerium den Luxemburger Landwirten letztlich einen Bärendienst – so die Meco Präsidentin Blanche Weber.

Die Landwirtschaft benötige zielführende Förderkriterien, um ihre Kompetitivität zu steigern; da diese fehlten, sei sie nur unzureichend für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet. Zudem würden die finanziellen Fördermittel weiterhin mit der Gießkanne verteilt und kaum an gesellschaftliche Verpflichtungen etwa in den Bereichen Trinkwasser-, Gewässer-, Boden-, Klima- und Landschaftsschutz und Biodiversität geknüpft. Durch die Missachtung zahlreicher Vorgaben der EU-Kommission riskiere das Landwirtschaftsministerium eine weitgehende Zurückweisung des Entwurfs, die eine Verabschiedung und ein Inkrafttreten des PDR 2014-2020 in Frage stellen könnte.

Zwar wurden die alten Fördermaßnahmen wegen der verspäteten Fertigstellung des PDR-Entwurfs um ein Jahr verlängert, doch mit dem Mitte Januar offiziell zugestellten Gutachten wird diese Verlängerung quasi gestoppt. Neue Fördermittel dürften dann eigentlich nur mehr entsprechend dem neuen PDR verteilt werden – doch der ist ja in der Form nicht genehmigt. Die noch junge Regierung begründete ihr „schnelles“ Vorgehen damit, dass die Behandlung des Dossiers unter ihrer Vorgängerregierung verschleppt worden sei und es gelte keine Zeit mehr zu verlieren – doch jetzt dürfte der Zeitdruck noch größer werden.

Nach eingehender Prüfung durch die Generaldirektionen Landwirtschaft und Umwelt sowie der juristischen Abteilung reagiert die Europäischen Kommission, mit einer Retourkutsche auf diese Vorgehensweise. Blanche Weber bezeichnet das Gutachten als „geharnischt“: Mit 307 Einwänden lasse die Kommission kaum ein gutes Haar an dem Luxemburger Entwurf, wobei die Kritik in zahlreichen Punkten deckungsgleich mit der des Mouvement Ecologique sei.

De facto bedeutet dies, dass die Genehmigungsprozedur zum derzeit vorliegenden PDR-Entwurf solange ausgesetzt ist, bis Luxemburg den Einwänden der Kommission zur Genüge Rechnung getragen hat. Im Wortlaut: „En l’absence de prise en compte adéquate des observations des services de la Commission, le programme de développement rural luxembourgeois ne pourra pas être approuvé.“

Hervorzuheben ist, dass die Brüsseler Behörden nicht einzelne Schwachstellen des PDR monieren, sondern grundsätzliche Zweifel an seiner Methodik hegen und insgesamt die Kohärenz des Entwurfs in Frage stellen.

Nach Auffassung der EU-Kommission müssten die Kriterien der Mittelverteilung in Zukunft von einer eingehenden Analyse der Frage abhängig gemacht werden, welchen Nutzen die bisherigen Subventionen effektiv erbracht haben. Der PDR liefere nur ungenügende Details über den Handlungsbedarf, zum Beispiel beim Thema Wasserverschmutzung. Zudem bemängelt die Kommission, dass in diesem Zusammenhang veraltete Zahlen zur Zustandsbeschreibung benutzt worden seien.

Die von der EU verlangte interne Logik des Förderinstruments PDR wurde von den Autoren des PDR nicht verinnerlicht, was die Brüsseler Kommission mehrmals in aller Deutlichkeit hervorhebt. Es fehle zudem an einer Priorisierung der Maßnahmen.

Landwirtschaftsförderung setzt eine themenübergreifende Herangehensweise voraus, da neben wirtschaftlichen und sozialen Fragen auch Themen wie Wasserschutz, Naturschutz, Bodenschutz, Hochwasserschutz betroffen sind. Für diese Teilgebiete gibt es jeweils sektorielle EU-Politiken, welche zum Teil auch auf Gelder aus den PDR-Mitteln angewiesen sind. Auch hier, so das eindeutige Verdikt, werde die Luxemburger Vorlage europäischen Normen nicht gerecht.

„En l’absence de prise en compte adéquate des observations des services de la Commission, le programme de développement rural luxembourgeois ne pourra pas être approuvé.“

Diese Feststellung der Ineffizienz sei ein Schlag ins Gesicht all jener, die mit „weniger mehr machen wollen“, moniert hier der Meco. Obwohl der Finanzrahmen von 700 Millionen Euro über die Gesamtlaufzeit beachtlich ist, könnte die Fülle der in dem Dokument tangierten Probleme wohl kaum in Angriff genommen werden, da eine genauere Zielsetzung notwendig sei, so die Kommission.

Wie schon der Meco im Sommer feststellte, kommt auch die EU zu dem Schluss, dass es keine befriedigende Einbindung der Akteure in die Erstellung des PDR gegeben hat. Das Landwirtschaftsministerium wird deshalb unter anderem aufgefordert, die in die Taskforce zur Erstellung des PDR eingebundenen externen Experten für Klimaschutz und Nachhaltige Entwicklung explizit zu nennen. Das gibt dem vom Meco geäußerten Zweifel, ob solche Experten überhaupt an den Arbeiten beteiligt waren, neue Nahrung. Die Kommission stellt auch die Frage, ob es eine öffentliche Anhörung gab und falls ja, wie deren Resultate in den Aktionsplan eingeflossen sind.

Wenn schon die Kritik an der Methode so heftig ausfällt, verwundert es nicht, dass nach Einschätzung der Brüsseler Kommentatoren der PDR-Entwurf in zentralen inhaltlichen Punkten fundamental überarbeitet und nachgebessert werden muss.

So stößt die Weigerung des luxemburgischen Landwirtschaftsministeriums, innovative Forschungsprojekte zu fördern, bei der Kommission auf Unverständnis. Sie stellt in diesem Zusammenhang die Frage, warum die finanziellen Angebote der „Partenariats européens de l’innovation (PEI)“ nicht genutzt werden. Nach Meco-Informationen hat es durchaus Anfragen in diesem Bereich gegeben, doch wollten die dafür zuständigen Stellen sich den strengen Anforderungen dieser Programme nicht unterordenen und versprachen deshalb eine Finanzierung aus rein nationalen Mitteln – die aber nie flossen.

Brüssel weist darauf hin, dass Investitionen zum Ersatz vorhandener Investitionsgüter prinzipiell nicht förderungsfähig sind. Auch müssten die Umweltauswirkungen der Investitionen durch eine Impaktstudie bewertet werden. Bei Stallbauten sei zum Beispiel die Berücksichtigung der Nitrat-Richtlinie zwingend, was in dem Plan aber nicht beachtet werde. Der Meco hatte schon im Frühjahr erklärt, Investitionsförderung sei an sich eine gute Sache, aber nur wenn sie einen Lenkungscharakter aufweist. Sein landwirtschaftlicher Sprecher, Jacques Pir, begrüßt, wie die Kommisison, dass es es zu einer Deckelung der Zuschüsse gekommen ist, aber: „Die Gießkanne wird zwar nicht mehr ständig neu befüllt, doch es wird weiterhin ziellos in alle Richtungen verteilt.“

Was den Bereich der Biodiversität anbelangt, wird der PDR-Entwurf als ausgesprochen schwach bewertet; über die Ziele gemäß der Natura 2000-Richtlinie verliere das Dokument kaum mehr als einige Worte. Weder zum Erhaltungszustand der Habitate und Arten noch über die zwingende Integration dieser Ziele in die PDR-Maßnahmen würden ausreichende Angaben gemacht. Der Naturschutzexperte Roger Schauls findet es – ähnlich wie die Kommission – erschreckend, dass die zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche die innerhalb eines „Natura 2000“ Gebietes liegen von jeglichen Fördermaßnahmen ausgeschlossen sind. Damit sei eine Beteiligung der Landwirtschaft an der Umsetzung der gesetzlichen Erhaltungsziele dieser Zonen weitgehend ausgeklammert.

Beim Bereich Wasser vermisst die Europäische Kommission eine präzise Situationsanalyse zu Ausmaß und Ursache der Probleme, wie etwa der Verschmutzung durch die Landwirtschaft. Obwohl die Daten eindeutig einen schlechten Zustand des Grundwassers und vieler Quellen aufweisen, würden im PDR-Entwurf für diesen Bereich keine Ziele formuliert und keine Maßnahmen genannt. Ebenfalls sei weiterhin unklar, mit welchen Instrumenten die Nitrat-Direktive und die Wasser-Rahmenrichtlinie umgesetzt werden sollen.

Diese Themen scheinen das Landwirtschaftsministerium und damit letztlich auch die Regierung nur wenig zu interessieren: Schon seit geraumer Zeit wartet die EU-Kommission auf einen Aktionsplan Luxemburgs, der die Nitrat- und Phosphoreinträge in unsere Gewässer reduzieren helfen soll.

Mehrfach bemängelt die Kommission, dass die vorgeschlagenen Fördermaßnahmen zur Reduktion von Düngen und Pestizideinsatz nicht oder nur unzureichend kontrollierbar sind, was die Chancen dieser Reduktion stark beeinträchtigt. Die Kommission schlägt daher bei Fördermaßnahmen einen gänzlichen Verzicht auf den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden vor. „Ein bisschen Reduzierung ist nicht kontrollierbar, ein Null-Einsatz von diesen Mitteln allerdings schon“, meint auch Roger Schauls.

Und auch die Bodenerosion wird in dem PDR-Entwurf kaum behandelt, obwohl der Schutz der Böden eine wichtige Grundlage für eine nachhaltige Landwirtschaft ist und ihre Nebenfolgen in Luxemburg ein sehr aktuelles Problem darstellen.

Die kritische Analyse aus Brüssel zeigt auf, wie sehr das derzeitige Vorgehen des Landwirtschaftsministeriums auf Kosten nicht nur der Umwelt, sondern auch der Landwirtschaft selbst geht. Aber auch das Nachhaltigkeitsministerium hat nach der Meinung des Mouvement Ecologique seine Rolle nicht in ausreichendem Maße übernommen. Implizit hat es seine Zustimmung zu einem Dokument gegeben, das de facto im Widerspruch zu zahlreichen konkreten Verpflichtungen des MDDI steht. Kurzfristig verlangt die Umweltorganisation, das Landwirtschaftsministerium einem Audit zu untersziehen, um zu verstehen, wie es überhaupt zu einem so unzulänglichen Dokument wie dem jetzt eingereichten PDR kommen konnte.

Der Meco sieht aber auch die Gesamtregierung längerfristig in der Verantwortung, die ja mit dem Anspruch angetreten ist, verstärkt interministeriell und somit ressortübergreifend zu handeln. Es sei an der Zeit dafür zu sorgen mit einer ausschließlich sektoriell orientierten und zudem überholten Landwirtschaftspolitik Schluss zu machen.


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