SAATGUT: Aufkeimen?

Der kürzlich gegründete Verein „Seed“ setzt sich zum Ziel, eine Saatgutsammlung aufzubauen und den Anbau und Tausch von traditionellen Nutzpflanzenarten zu fördern. Außerdem will er über die aktuelle Gesetzeslage infomieren.

Monokulturen so weit das Auge reicht? Damit das nicht so wird, ist auch die Luxemburger Regierung gefordert stärker über die aktuellen EU-Gesetz-Entwicklungen zum Saatgut zu informieren und Stellung zu beziehen.

„Von den nur noch 695 in Luxemburg vorkommenden Arten sind mindestens 6 Prozent gefährdet“, heißt es in den kürzlich in einer von der „International Union for Conservation of Nature“ (IUCN) veröffentlichten Studie, die sich auf die IUCN-RedList Europas bezieht. Für die Rote Liste Europas wurde der Schutzstatus von über 6.000 hier vorkommenden Tier- und Pflanzenarten nach den Kategorien der IUCN und den regionalen, länderspezifischen Richtlinien bestimmt. Hierdurch können in ihrem Bestand bedrohte Arten erkannt und entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Nach dem Bericht tragen die Fragmentierung der Landschaft und die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion, die den Verlust von Habitaten zur Folge haben, die Hauptschuld an der Gefährdung der Arten.

Biodiversität ließe sich jedoch bereits durch den Anbau unterschiedlicher Nutzpflanzen erreichen. Zu diesem Thema fand letztes Jahr in der Dordogne unter dem Leitspruch „La biodiversité, ça se cultive aussi !“ die internationale Begegnung von Saatgut-Initiativen statt: Über 300 Landwirte, Gärtner, Wissenschaftler und Verbraucher hatten sich zusammengefunden, um über ihre Erfahrungen zu berichten. Ziel der Zusammenkunft war, die Nutzung einer großen Bandbreite von Getreide-, Gemüse-, Obst-, Futter- und anderen Nutzpflanzen zu fördern und lokale Fertigkeiten des Sammelns und des Einsatzes des entsprechenden Saatguts weiterzugeben.

Als Vertreter Luxemburgs war dort erstmals die Initiative „Som fir d’Erhalen an d’Entwécklung vun der Diversitéit“, kurz SEED, vertreten, die sich einen Monat zuvor als eingeschriebener Verein gegründet hatte. Dieser Verein – bestehend aus Privatpersonen und Organisationen, die im Bereich Saatgut und Umweltschutz aktiv sind – ist in Luxemburg und der Großregion aktiv: Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Erweiterung der Nutzpflanzenvielfalt und die Erhaltung alter Sorten mittels einer Saatgutsammlung und die Verbreitung von traditionellen, durch natürliche Züchtungsmethoden entstandenen Sorten. Des Weiteren bemüht er sich auch um die Entwicklung eines Konzepts für „traditionelle Sorten für die Zukunft“ durch die Förderung des Anbaus und Tauschs von Nutzpflanzenarten.

Die Vielfalt der Nutzpflanzen ist im Schwinden begriffen, da die industrielle Landwirtschaft und die für den Erwerbsgartenbau bestimmte moderne Saatgutproduktion immer stärker auf die Sortenentwicklung von F1-Hybriden und genetisch veränderten Pflanzen (GVP) setzt. Ein Nachbau solcher Sorten ist aufgrund biotechnischer, gesetzlicher und patentrechtlicher Gegebenheiten nicht möglich. Eine breit gefächerte Sortenvielfalt von Kulturpflanzen, die von Natur aus resistent und anpassungsfähig sind, ist aber unabdingbar, auch um den fortschreitenden Veränderungen der Anbaubedingungen (Klima, Krankheiten, Schädlinge) begegnen zu können. Eine Entwicklung solcher Kulturpflanzen ist nur mit samenfesten Sorten möglich, die sich von einer Generation auf die nächste unter Erhalt ihrer spezifischen Eigenschaften fortpflanzen können.?

Luxemburg darf bei der Diskussion um das Saatgutgesetz kein weißer Fleck auf der Landkarte sein.

„Die Mitglieder von Seed kommen aus verschiedenen Richtungen. Wir sind alle daran interessiert, traditionelle, auf natürliche und handwerkliche Art und Weise vermehrbare Kulturpflanzensorten zu pflegen. Dabei geht es vor allem um Saatgut und Gemüsesorten“, erklärt Frank Adam bei einem Mitgliedertreffen des Netzwerkes. Der Gemüsesaatgutbereich ist als einjährige Kultur kurzlebiger als der Obstbaumbereich, wo Bäume achtzig, neunzig Jahren erreichen können. Deshalb tritt bei den Obst- und Gemüsepflanzen der Verlust von Sorten aus regionaler Herkunft auch viel schneller ein. Seed will darum auch das Handwerk des Samenbaus weiter pflegen und damit ein Wissen wiederbeleben, das über die Jahre zunehmend verlorengegangen ist. Workshops zum Anbau von Gemüsesamen sind von Mai bis November 2013 im Haus vun der Natur in Kockelscheuer geplant.

„Als Seed haben wir ein Interesse daran, möglichst vielen Leuten den Zugang zu Saatgut und samenfesten Sorten zu ermöglichen“, betont Georges Moes von der Fondation Hëllef fir d`Natur. Wer sein Saatgut selbstbestimmt herstellen und nutzen möchte, macht sich zwar einerseits unabhängig von zunehmend monopolisierten Saatgutmärkten, muss sich jedoch andererseits mit teilweise recht resitriktiven Saatgutgesetzgebungen auseinandersetzen.

Es fehlt an einem Überblick über die tatsächliche Gesetzeslage, stellen die Seed-Mitglieder fest. So stand noch diese Woche die alarmierende Nachricht in den Presseberichten, dass die EU-Kommission das Aussäen, Reproduzieren oder Vermarkten von Saatgut, das zuvor nicht von einer neuen EU-Behörde für Pflanzenvielfalt getestet wurde, unter Strafe stellen will.

„Auf dem Saatgut-Gesetz-Sektor ist zurzeit vieles in Bewegung. Statt vorgefertigte Meinungen zu übernehmen, gleichgültig, ob von Seiten der Gesetzgeber, die alle neuen Regelungen eher für eine gute Sache halten, oder von Seiten der NGOs, die pro forma eher dagegen sind – fehlt es an einem Überblick“, meint Adam. Gerade im Bereich des Saatgut-Sektors würden oft Gerüchte gestreut. „Das Problem ist, dass das Gesetz von jeder Organisation anders interpretiert wird“, setzt Stephanie Klaedtke, Doktorandin beim „Institut national de la recherche agronomique“ (INRA), hinzu.

So stelle sich nach wie vor die Frage, was tatsächlich erlaubt ist – gerade da die EU-Direktive nicht in die luxemburgische Gesetzgebung übernommen wurde. Ungeklärt sei auch, wer in Luxemburg für diesen Bereich zuständig ist. „Wen können wir in Luxemburg ansprechen, wenn es um das Saatgut-Gesetz geht?“, fragt Klaedtke. Seed sei es wichtig, die Entwicklungen auf EU-Niveau zu klären, da der Verein ja selbst Sorten vermehren und tauschen will. Immerhin hat Luxemburg den Vorzug, dass keine kommerziellen Gemüsesaatgutproduzenten im Land angesiedelt sind, die sich durch die Aktivitäten von Seed gestört fühlen könnten.

Ungeklärt ist auch, wer in Luxemburg Ansprechpartner für den EU-Saatgut-Gesetzbereich ist.

„Man darf Saatgut tauschen – solange es für den privaten, nicht kommerziellen Anbau bestimmt ist“, erläutert Klaetdke die aktuelle Gesetzeslage. Laut Informationen der französischen Saatgutinitiative „Réseau Semences Paysannes“ in Frankreich können Saaten, die nicht auf der Sortenliste stehen, getauscht und sogar verkauft werden, solange die Saatguttüte den Vermerk aufweist, dass es um nicht-kommerziellen Gebrauch oder den Hobbygarten geht. „Das signalisiert dem Käufer, dies ist kein Standardsaatgut, es hat keine geprüften Qualitätskriterien. Solange der Käufer hier Bescheid weiß, ist es in Ordnung“, meint Klaetdke.

„Wenn aber ein Gemüseanbaubetrieb in Luxemburg ein eigenes Angebot an verschiedenenen Salatsorten aufstellen will – da es eine Käuferschicht gibt, die ein Interesse an einer größeren Sortenvielfalt hat -, könnte es doch wieder Probleme geben. Denn das Saatgut mit der Aufschrift „Nur für den privaten, nicht kommerziellen Einsatz“ dürfte dann nicht mehr verwendet werden“, gibt Thierry Helminger vom „Musée national d’histoire naturelle“ zu bedenken. Der Kopfsalat sei zwar verkaufsfähig, insofern er den gängigen hygienischen Bedingungen genügt, auch dürfe der Gärtner Saatgut aus der eigenen Produktion aussäen – aber wo der Gärtner im ersten Jahr sein Saatgut herbekommen hat, darin liege ein Problem. Hier befinde sich eine der Grauzonen der aktuellen EU-Gesetzgebung.

„Luxemburg braucht, um die Entwicklungen in der Gesetzgebung zu beeinflussen, unbedingt einen Zuständigen“, betont Klaetdke. Luxemburg dürfe bei der Diskussion kein weißer Fleck auf der Landkarte sein. Gerade da die Politik in Brüssel oft so fern ist und zum Teil mit der großen Industrie zusammenarbeitet, könnten sich Gesetze im Laufe der Jahre ganz allmählich verändern, ohne dass es jemand mitbekommt. Um dem besser begegnen zu können, plant Seed auch, eine Art Peergroup mit anderen Initiativen im Ausland zu schaffen. Denn wer das Saatgut kontrolliert, kontrolliert auch das Lebensmittelsystem.

In dieser Woche hat der Oberste Gerichtshof der USA dem Farmer Vernon Bowman untersagt, gentechnisch verändertes Saatgut des Konzerns Monsanto nachzuzüchten, statt es für jede Aussaat neu zu kaufen. Das Gericht stärkte damit den Patentschutz auf Saatgut – und die Marktmacht des Agrarriesen, der bereits Hunderte Prozesse gegen Farmer gewonnen hat. Erneut wurde also das Recht auf Saatgut eingeschränkt. Und das, obwohl es BäuernInnen und GärtnerInnen waren, die Pflanzen und Sorten über Jahrtausende weiterentwickelt haben, und nicht auf ihr Monopol bedachte Marktteilnehmer.

Allerdings finden an diesem 25. Mai, internationale Protestkundgebungen gegen Monsanto, den größten global Player der Saat- und Gentech-Industrie, statt. Der „March Against Monsanto“ (siehe auch Agenda Seite 6 „Erausgepickt“) ist vor allem eine Graswurzel-Bewegung: Die Veranstalter sind hauptsächlich Privatpersonen, und die Protestaktionen werden bewusst fast ausschließlich über Facebook organisiert. Auch Luxemburg demonstriert mit: Treffen auf dem Glacis in Luxemburg-Stadt um 14.30 Uhr.

Infos zu Seed: www.seed-net.lu/
Die neue IUCN-Studie ist auf www.naturemwelt.lu abrufbar.


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