Agrarpolitik: Farm to pitchfork

Nachdem das Europaparlament einen Bericht zur Farm to Fork-Strategie angenommen hat, ist die Euphorie für eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft in Straßburg groß. In Luxemburg hingegen herrscht Katerstimmung.

Manchmal geht der Dialog dann doch: Landwirtschaftsminister Romain Schneider beim Besuch eines Betriebes. Beim Nationalen Strategieplan soll die Öffentlichkeit jedoch lieber nicht zu viel mitreden. (Foto: SIP/Jean-Christophe Verhaegen)

„Sie sehen, ich habe heute ein großes Lächeln im Gesicht.“ Tilly Metz, Europaabgeordnete von Déi Gréng, freute sich am Mittwochmorgen. Sie hatte zu einer Pressekonferenz über den Bericht des Europaparlaments zur Farm to Fork-Strategie geladen. Die Ergebnisse der Abstimmung vom Vorabend, dem 19. Oktober, waren gerade veröffentlicht worden: „Der Bericht ist mit großer Mehrheit angenommen worden, 452 von 705 Abgeordneten haben dafür gestimmt“, so Metz, die für ihre Fraktion als Schattenberichterstatterin im Agrarausschuss an dem Dokument gearbeitet hatte. Ist die Farm to Fork-Strategie in Straßburg ein Grund zur Freude, so wird in Luxemburg einmal mehr über Mitbestimmung in Sachen Agrarpolitik gestritten.

Die Farm to Fork-Strategie wurde im Mai 2020 als Teil des European Green Deal von der Europäischen Kommission vorgestellt. Ziel ist es, die europäische Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten, und die gesamte Kette der Lebensmittelproduktion, vom Bauernhof bis auf den Teller, zu untersuchen. Um Böden und Gewässer zu schonen, versprach die Kommission die Reduktion von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln um 50 Prozent bis zum Jahr 2030. Auch der Verkauf von Antibiotika für Nutztiere soll um die Hälfte reduziert werden. Ein Viertel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Europas soll biologisch bewirtschaftet werden.

Worüber am Dienstagabend abgestimmt wurde, war ein Initiativbericht des Parlamentes, mit dem die Abgeordneten das Signal setzten, dass sie die Farm to Fork-Strategie unterstützen und umgesetzt wissen wollen. Eigentlich ist es überraschend, dass der Bericht zustande gekommen ist und so breite Zustimmung gefunden hat. Zwei verschiedene Ausschüsse – jener für Agrarpolitik und jener für Umweltpolitik – arbeiteten daran, die Ausschüsse für internationalen Handel und für Fischerei spielten ebenfalls mit. Zähe Verhandlungen, die laut Metz dafür verantwortlich sind, dass der Bericht erst so lange nach der Strategie veröffentlicht wurde.

Zähe Verhandlungen

Die beiden Berichterstatter*innen könnten unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite der Südtiroler Herbert Dorfmann von der EVP, der eigentlich gegen die Strategie der Kommission war. Und auf der anderen Seite Anja Hazekamp von der niederländischen Tierpartei, die zur Fraktion der Linken gehört. In den letzten Wochen war zudem ein regelrechter Lobby-Kampf ausgebrochen. Geleakte Dokumente der Agrarlobby Copa-Cogeca zeigten, dass mit vermeintlichen Impaktstudien Stimmung gegen den Bericht zur Farm to Fork-Strategie gemacht werden sollte. Behauptet wurde darin unter anderem, die Strategie stelle die Sicherheit der Lebensmittelproduktion in Europa in Frage. Das berichtete die NGO Corporate Europe Observatory.

Die Wirkung dieser Lobbyversuche konnte man bei der Debatte im Europaparlament hören. Viele Abgeordnete aus rechten Parteien kritisierten den Bericht und die Kommission und forderten weitere Impaktstudien, bevor man über die Strategie abstimme. Sie äußerten ebenfalls Befürchtungen, die EU könne zukünftig stärker von Lebensmittelimporten abhängig sein. Auch der Luxemburger Abgeordnete Christophe Hansen (CSV) äußerte in einer Pressemitteilung Kritik: „Wenn wir europäisches Qualitätsessen ersetzen durch importiertes Essen, schießen wir uns in den eigenen Fuß. Lebensmittel aus dem Ausland importieren bedeutet, unseren CO2-Fußabdruck außerhalb Europas zu exportieren.“ Hansen stimmte trotz seiner Aussage, die Vorschläge des Umweltausschusses schössen „über das Ziel hinaus“, für den Bericht – wie übrigens sämtliche Luxemburger EU-Abgeordnete.

Nur ein Papiertiger?

Tilly Metz freute sich über einige Elemente des Berichtes: Verlangt wird eine verpflichtende „due diligence“ für die gesamte Lebensmittelkette, ein Verbot von Lebensmittelimporten mit Pestizidrückständen, die höher sind, als europäische Normen es erlauben, und der explizite Verweis auf die „End the Cage Age“-Petition, die ein Verbot von Käfighaltung bis 2027 forderte. Für die Abgeordnete von Déi Gréng gibt es jedoch auch ein paar bittere Pillen zu schlucken: Der Bericht habe ein „zu positives Wording“ gegenüber genetisch modifizierten Organismen und „neuen genetischen Modifikationstechniken“. Außerdem werden öffentliche Kantinen nicht dazu aufgefordert, künftig Produkte der biologischen Landwirtschaft zu kaufen.

Grundsätzlich klingt die Farm to Fork-Strategie so, als stünde der europäischen Landwirtschaft tatsächlich eine ökologische Wende ins Haus. Es gibt leider einen Haken: Die Strategie ist nicht rechtlich bindend, und viele ihrer Ziele wurden bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nicht beachtet. Zwar wird in der Einleitung dargelegt, dass sich die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung ihrer nationalen Strategiepläne an Farm to Fork orientieren sollen, verpflichtend ist das allerdings nicht. 18 Mitgliedstaaten, darunter auch Luxemburg, pochen darauf, dass sie die Strategie nicht beachten müssen – ein Umstand, den Tilly Metz im Plenum monierte.

Viele Verweise auf die Farm to Fork-Strategie findet man im nationalen Strategieplan für die Umsetzung der GAP in Luxemburg nicht. Der Plan kann seit dem 18. Oktober von der Öffentlichkeit begutachtet werden. Die Plattform „Meng Landwirtschaft“ hatte Anfang Oktober moniert, dass der Vorschlag des Ministeriums nur „intern im Landwirtschaftssektor“ diskutiert worden sei und die Öffentlichkeit kein Mitspracherecht habe. Sie forderten Bürger*innenversammlungen und eine breite öffentliche Diskussion.

Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP) entschied sich jedoch für das Gegenteil: Auf enquetes.public.lu, dem nationalen Portal für Beteiligungsverfahren, können die Dokumente heruntergeladen und kommentiert werden. Der Vorschlag zur Strategie umfasst beinahe 400 Seiten, hinzu kommt eine 100-seitige Umweltimpaktanalyse. Das Strategiedokument ist zudem merklich unfertig. Bei den Zielindikatoren ist beispielsweise lediglich eine unausgefüllte Tabelle zu sehen, an vielen Stellen finden sich noch die Hinweise der EU-Vorlage, wo welche Daten auszufüllen sind. Drei Webinare organisiert das Landwirtschaftsministerium ebenfalls – ohne jedoch ein Diskussionsforum zu schaffen, in dem sich über den Inhalt des Strategiepapiers ausgetauscht werden könnte.

Foto: SIP/Jean-Christophe Verhaegen

Unfertige nationale Strategie

Bei vielen Themen, die die Farm to Fork-Strategie betreffen, hält sich der Entwurf der nationalen Strategie vornehm zurück. Zu den Antibiotika heißt es beispielsweise, der Gebrauch sei in Luxemburg rückgängig und liege unter dem EU-Durchschnitt. Außerdem wird auf den Antibiotika-Aktionsplan von 2018 verwiesen. Das gleiche Muster bei den Pestiziden: Das bestehende Glyphosat-Verbot ebenso wie der entsprechende Aktionsplan werden erwähnt, ein konkretes Ziel zur Reduktion jedoch nicht.

Grundsätzlich soll künftig ein Viertel des Budgets für Agrarhilfen in ökologische Programme fließen. Das können zum Beispiel Subventionen für Pheromonfallen sein, die den Pestizideinsatz in Obstgärten verringern sollen. Eine interessante neue Beihilfe ist eine Subvention, mit der die Senkung des Rindviehbesatzes gefördert werden soll. Obwohl in der nationalen Strategie stets betont wird, dass die Bedingungen in Luxemburg sehr auf die Milchproduktion zugeschnitten sind, sollen künftig weniger Kühe auf Luxemburgs Weiden stehen – dem Klima zuliebe.

Es ist zu erwarten, dass der Entwurf der nationalen Strategie für die Luxemburger Agrarpolitik noch für Kontroversen sorgen wird. Die Plattform „Meng Landwirtschaft“ hat für Freitag, den 22. Oktober, eine Pressekonferenz einberufen. Dass weder die Farm to Fork-Strategie beachtet noch die Öffentlichkeit richtig eingebunden wurde, ist kein gutes Omen für künftige Diskussionen.


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