Agrarpolitik in den Wahlprogrammen: Gentechnik, Glyphosat und Biolandbau

Wie soll die Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Die meisten Parteien haben klare Vorstellungen, die decken sich allerdings oft nicht mit denen von Interessenverbänden und NGOs.

In der Luxemburger Landwirtschaft liegt der Fokus auf Rinderhaltung für die Milch- und Fleischproduktion. Doch lässt sich dieses Modell ewig aufrechterhalten? (Foto: CC BY-SA Michielverbeek/Wikimedia)

Die Landwirtschaft ist auch in Luxemburg unter Druck. Nicht nur, dass die Produktion teurer geworden ist, auch die Anforderungen sind gestiegen: Konsument*innen wollen regionale, nachhaltige, hochqualitative und dabei immer noch billige Lebensmittel, die Politik fordert Naturschutzstandards ein und die Klimakrise sorgt für Wetter-
kapriolen. Die groben Linien der Agrarpolitik werden von der Europäischen Union im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorgegeben, die Mitgliedsstaaten haben dennoch Gestaltungsspielraum.

Der erste Entwurf des neuen Agrargesetzes wurde von allen Seiten kritisiert, nach einigen Änderungen wurde die endgültige Fassung letzten Endes sogar mit den Stimmen der CSV angenommen. Die hatte zu den lautesten Kritiker*innen gehört. Damit sind die Weichen für die landwirtschaftliche Politik bis 2027 eigentlich gestellt. Die*der nächste Landwirtschaftsminister*in wird also vor allem gegen Ende der Legislaturperiode mit der neusten GAP und deren Umsetzung in nationales Recht beschäftigt sein. Ein gemütlicher Job also?

Vermutlich nicht, denn Forderungen und Ideen, was in den nächsten fünf Jahren alles umgesetzt werden muss, gibt es zuhauf. Die Umwelt-NGO Mouvement écologique hat bereits Anfangs des Jahres ein 156-seitiges Dokument mit Ideen für die nächste Legislaturperiode veröffentlicht, das auch viele Ideen zum Thema Landwirtschaft enthält. Die Bauernzentrale und ihre Jugendorganisation „Lëtzebuerger Bauerejugend“ haben zwölf Forderungen an die Politik gestellt. Wie hoch das Arbeitspensum der*des zuständigen Minister*in wird, hängt auch davon ab, ob es in der nächsten Regierung ein eigenständiges Landwirtschaftsministerium gibt. Und nicht etwa ein „Superministerium“, das sich neben Klima- und Umweltpolitik auch mit der Landwirtschaft auseinandersetzt. Diese Idee wird seit Jahren in den Medien diskutiert, 2023 fordert jedoch keine Partei dies in ihrem Wahlprogramm. Lediglich Déi Gréng wollen „dem Umweltministerium mehr Mitendscheidungsrecht im Bereich der Landwirtschaftspolitik geben“. Das entspricht in etwa einer Forderung des Mouvement écologique, der zusätzlich mehr Transparenz bei den Entscheidungsprozessen will. Die DP fordert zwar ein „Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Weinbau und ländliche Entwicklung“ – von einem Zusammenlegung mit dem Umweltministerium ist jedoch keine Rede. Die Sorge, dass es kein eigenes Landwirtschaftsministerium mehr geben könnte, ist so groß, dass ein eigenes Ministerium sogar eine der Forderungen der Bauernzentrale ist. Die CSV konkretisiert, dass sie für ein eigenständiges Ministerium eintritt.

Ideologische Gräben

Ganze zwölf Parteien treten im Oktober bei den Parlamentswahlen an. Doch nicht alle haben ein nennenswertes Programm, was die Agrarpolitik angeht. So sind bei der KPL nur wenige Sätze zur Biolandwirtschaft, lokaler Lebensmittelproduktion und Verbot von GMOs, bei Volt nur vereinzelte Schlagwörter („Förderung der Biolandwirtschaft“) zu finden. Déi Konservativ haben bisher kein Programm veröffentlicht. Für diese kleinen Parteien scheint Landwirtschaft eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.

Jene Parteien, die mehr als ein paar Sätze zur Landwirtschaft geschrieben haben, sind sich alle einig darin, dass Landwirt*innen besser unterstützt werden sollten. Wie und mit welchen Mitteln das passieren soll, lassen sie meistens ungesagt. Es gibt jedoch einen politischen Graben, wie er sonst in Luxemburg selten vorkommt. Während die meisten Parteien sich für mehr Biolandwirtschaft aussprechen und den Naturschutz-Aspekt ihrer Agrarpolitik betonen, sind es vor allem rechte Parteien, die dies ablehnen. Interessanterweise ist Fokus Teil der Bio-Fraktion und spricht davon, Biolandwirt*innen zu belohnen. Auch „Liberté – Fräiheet“ will Biolandbau „massiv subventionieren“, spricht sich aber gleichzeitig gegen eine politisch motivierte Subvention durch die EU aus.

Ein wenig deutlicher ist da die CSV, die sich zwar für eine „nachhaltige“ Landwirtschaft ausspricht, um wenig später zu betonen, dass sie „auf Wissenschaft – nicht auf Ideologie“ setze. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Maßnahmen der CSV einfließen soll, verrät die konservative Partei nicht. Sie will vor allem Naturschutzmaßnahmen überprüfen und Bürokratie abbauen. „Bio-Landbau darf nicht aufgezwungen werden“, heißt es. An dem hohen Stellenwert der Fleisch- und Milchproduktion will die CSV nicht rütteln, dennoch soll sich die Landwirtschaft diversifizieren. Das widerspricht den Erkenntnissen der Klimaforschung, die zeigt, dass tierische Produktion – insbesondere Rinderhaltung – für hohe Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.

Auch die ADR betont, sie wolle „realistisch und nicht rein ideologisch“ über Biolandwirtschaft reden und „keinen Druck ausüben“, um Landwirt*innen zum Umstieg zu bewegen. Nachdem sie (vermeintliche) Nachteile der Biolandwirtschaft aufgezählt hat, schreibt die ADR, sie sei „nicht gegen die biologische Landwirtschaft“ und wolle diese auch „nicht schlechtreden“. Ganz unideologisch werden keinerlei Nachteile der konventionellen Landwirtschaft aufgezählt.

Gentechnik und Patente

Die Partei befürwortet einen „differenzierten Blick“ auf Gentechnik und meint damit vor allem die neuen gentechnischen Methoden (NGTs). Bei diesen handelt es sich laut Industrie und EU-Kommission um eine „gezielte Züchtung“. Deswegen sollen künftig Pflanzen, die mit solchen Techniken – bekannteste die sogenannte „Genschere“ Crispr/Cas – nicht als gentechnisch modifizierte Organismen (GMOs) gelten (woxx 1742 und 1744). Déi Gréng hingegen fordern das Gegenteil: Sie wollen sich gegen jegliche Gentechnik in der Landwirtschaft einsetzen und befürworten eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch, Milch und Eier von Tieren, die mit GMOs gefüttert wurden. Auch die LSAP spricht sich gegen GMOs in der Landwirtschaft aus – dies allerdings im Kapitel über Entwicklungszusammenarbeit. Alle anderen Parteien schweigen sich über das Thema aus.

Damit machen sie sich wohl weder beim Méco noch bei der Bauernzentrale beliebt. Christian Wester, Präsident letzterer, hatte sich im Juni bei RTL und im Interview mit der woxx dafür ausgeprochen, NGTs wie traditionelle Züchtung zu behandeln. Der Mouvement hingegen fordert, auch NGTs unter das Gentechnikgesetz fallen zu lassen. Außerdem lehnt die Umweltschutzorganisation Patentierung von Tieren und Pflanzen ab. Eine Thematik, die nicht nur durch den stärken Einsatz gentechnischer Methoden an Bedeutung gewinnt. So entschied am vergangenen Dienstag das Europäische Patentamt im Sinne der Firma BASF, die ein Patent auf eine Wassermelonensorte eingereicht hatte. Die Vereinigung „Keine Patente auf Saatgut!“ hatte Einspruch dagegen eingelegt, weil der buschige Wuchs der Sorte natürlich entstanden sei.

Eine Reform der Gesetze rund um geistiges Eigentum, Copyright und Patente – das war eigentlich einmal die Gründungsidee der Piratepartei. Im Bereich Kultur gibt es diese Forderung zwar noch im Wahlprogramm, in der Agarpolitik spielt das Thema für die Pirat*innen jedoch keine Rolle. Damit ist die Partei nicht alleine, so gut wie alle Parteien sprechen nicht über die Problematik, bis auf eine erstaunliche Ausnahme: Ausgerechnet die liberale DP kritisiert die Marktmacht großer Agrarkonzerne, die oftmals „nichtreproduzierbares Hybridsaatgut“ verkauften. „Die DP möchte die Verwendung von bäuerlichem Saatgut wieder stärker in den Vordergrund rücken, denn durch die Aussaat der geernteten Samen entstehen über die Jahre sehr robuste, an das lokale Klima und den lokalen Boden angepasste Samen“, heißt es im Wahlprogramm. Als Mittel dafür schlägt die DP eine Liberalisierung des Saatgut-Marktes vor, damit Landwirt*innen auch Sorten verkaufen können, die nicht in offiziellen Sortenkatalogen eingetragen sind.

Foto: Joevilliers/Wikimedia

Kommt ein neues Glyphosatverbot?

Neben Naturschutzmaßnahmen, Gentechnik und Biolandbau hat ein Thema die Agarpolitik der letzten Jahre besonders geprägt: Das Herbizid Glyphosat, das gegen unerwünschte Begleitvegetation eingesetzt wird und von dem Chemieriesen Bayer (vormals Monsanto) hergestellt wird. Ein wichtiges Projekt des Koalitionsabkommens 2018-2023 war das Verbot von Glyphosat, das ab 2021 galt. Durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts am 30. März 2023 wurde es jedoch aufgehoben.

Daraufhin kritisierten Umweltschutzorganisation wie Greenpeace, das europäische Pesticide Action Network (PAN) und Déi Lénk die Regierung scharf: Sie habe ihr Verbot schlecht argumentiert und müsse nachbessern. Bis jetzt ist trotz der Beteuerung, ein neues Verbot zu prüfen, nichts dergleichen passiert. Vermutlich gab es auch die Hoffnung, dass die EU die Zulassung für das Herbizid nicht verlängere und sich das Problem damit löse. Das wird nun vermutlich nicht passieren. 2017 war Glyphosat für fünf Jahre innerhalb der EU zugelassen worden, doch auch die neue Prozedur hat nicht dafür gesorgt, dass das Herbizid als gesundheitsschädlich eingestuft wird. Am 12. Juli präsentierte die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten ihren Bericht für eine Erneuerung der Zulassung, am 12. Oktober sollen die Mitgliedstaaten über den Vorschlag abstimmen. Laut dem PAN und dem „Corporate Europe Observatory“ (CEO) sollen die EU-Behörden dabei Studien ignoriert haben, die belegen, dass Glyphosat Krebs auslöse.

Es gibt in Luxemburg nur vier Parteien, die sich klar für ein Glyphosat-Verbot aussprechen: Die drei aktuellen Regierungsparteien und Déi Lénk. Die DP will neben einem Verbot auch Möglichkeiten prüfen, wie sie ein freiwilliges Verzicht belohnen könnte. Déi Lénk sind am radikalsten und wollen die Nutzung synthetischer Pestizide bis 2035 komplett verbieten. Bei Déi Gréng scheint dies langfristig auch das Ziel zu sein, ein konkretes Datum nennt die ökologische Partei jedoch nicht. Die LSAP will, ebenfalls ohne Details zu nennen, mit der Nutzung schädlicher Pestizide aufhören.

Viele Sätze – und teilweise ganze Abschnitte – der agarpolitischen Programme bestehen aus relativ nichtssagenden Floskeln, über deren konkrete Umsetzung man nur mutmaßen kann. Unterschiede gibt es dennoch vor allem in der Herangehensweise und in der Schwerpunktsetzung. Obwohl sich alle Parteien eine „nachhaltige“ Landwirtschaft auf die Fahnen schreiben, gibt es teilweise sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie diese Nachhaltigkeit aussehen soll.

Saftige Tomaten aus Luxemburg?

Bei der Lektüre von Wahlprogrammen entdeckt man zwischen vielen Plattitüden auch eher eigenwillige Ideen. Eine solche, die wir unseren Leser*innen nicht vorenthalten wollen, präsentiert die Piratepartei: Sie will „hocheffiziente“ Gewächshäuser in der Nähe von Industriestand-
orten aufstellen, damit die dort entstandene Wärme zum Obst- und Gemüse-
anbau benutzt werden könne. „Zudem verfügen diese Gewächshäuser über ein Auffangsystem für Regenwasser und über einen geschlossenen Wasserkreislauf innerhalb des Gewächshauses. Das Wasser, das zum Gießen genutzt wird, bleibt fast integral in dem Gewächshaus und kann so immer wieder benutzt werden“, heißt es im Programm der Piratepartei, in der offensichtlich wenig Tomaten und Gurken verspeist werden. Die meisten Obst- und Gemüsesorten bestehen zu einem Großteil aus Wasser.


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