Agrarpolitik: Nicht nur das Rebhuhn

Zwei Umweltschutzorganisationen haben bei der EU-Kommission Beschwerde gegen Luxemburg eingelegt. Sie stellen die Agrarpolitik an den Pranger, die den Naturschutz zu wenig berücksichtigt.

Die Luxemburger Regierung fördert mit ihrer Agrarpolitik die Zerstörung geschützter Lebensräume und Arten. Das verstößt gegen EU-Recht und muss geahndet werden. Dieser Meinung sind die zwei größten Umweltschutzorganisationen Luxemburgs, Natur an Ëmwelt und der Mouvement écologique, die bei der Europäischen Kommission eine entsprechende Beschwerde eingereicht haben. Zwei Beispiele haben die beiden NGOs sich ausgesucht, um ihr Argument zu untermauern: Das Rebhuhn als geschützte Art und die Flachlandmähwiesen als artenreiches Biotop.

In detaillierten Berichten dokumentieren die beiden Organisationen, die eher selten gemeinsam auftreten, wie schlecht es um den Naturschutz in Luxemburg steht: 2020 wurden hierzulande nur noch vier Rebhuhn-Brutpaare gefunden und über ein Viertel der Flachlandmähwiesen sind im letzten Jahrzehnt verschwunden. Als Grund für dieses dramatische Verschwinden machen die NGOs die Intensivierung der Landwirtschaft, insbesondere den hohen Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln aus.

Allein auf dem Verbot von Glyphosat lässt sich keine nachhaltige Agrarpolitik aufbauen.

Die Regierung hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie jetzt von zwei Umweltschutzorganisationen in Brüssel angeschwärzt wird. Denn trotz vieler Sonntagsreden zur Ökologisierung der Landwirtschaft und hohen, aber in weiter Zukunft liegenden Zielen zum biologischen Anbau ist in den letzten Jahren wenig konkretes passiert. Das Verbot des umstrittenen Herbizids Glyphosat Anfang des Jahres mag ein wichtiger Schritt gewesen sein, aber allein darauf lässt sich keine nachhaltige Agrarpolitik aufbauen.

Gerade bei der Umwelt- und Agrarpolitik herrscht in der Regierung immer noch jenes an Einzelbereichen orientierte „Silodenken“, das sie eigentlich aufgeben wollte. Dabei können Landwirtschaft und Umweltschutz in Zukunft nur gemeinsam gelingen. Dazu müssten nicht nur Umwelt- ministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) und Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP) miteinander reden, sondern letzterer vor allem mit der ökologisch orientierten Zivilgesellschaft.

In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass Schneider jeden zaghaften Versuch, die Agrarpolitik partizipativer zu gestalten, systematisch torpediert. Das Projekt des Ernährungsrates, das ursprünglich vom Umweltministerium und der Transition-Organisation Cell ausgetüftelt wurde, sah sich von einem Mitbestimmungsinstrument zu einer Demokratiefassade degradiert. Statt selbstständig mit allen Akteur*innen und Bürger*innen über die Zukunft der Agrarpolitik nachzudenken, wird dieser Rat unter der Fuchtel des Ministers stehen.

Die öffentliche Begutachtung des Strategieplans für die Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) zeigte ein ähnliches Bild: Statt öffentliche Diskussionen darüber anzuregen, wurde der Plan auf einem unbekannten Internetportal der Regierung regelrecht versteckt, während Agrar-Lobbyverbände schon seit Monaten mitreden durften. Der Landwirtschaftsminister muss sich also die Frage gefallen lassen, vor wessen Meinung er sich so fürchtet – immerhin ist die Nachfrage nach biologischen und regionalen Lebensmitteln in Luxemburg im europäischen Vergleich sehr hoch.

Auch bei den Verhandlungen über die GAP-Reform auf europäischem Parkett hat sich Schneider nicht unbedingt als Kämpfer für die Nachhaltigkeit oder ökologische Reformen der Agrarpolitik hervorgetan. Dementsprechend wundert es nicht, dass es weitergehen soll wie bisher: Immer noch werden große, oftmals stark intensivierte Landwirtschaftsbetriebe bevorzugt, während kleinere, innovative Projekte bei der Förderung auf der Strecke bleiben, weil sie durch das Raster fallen.

Natur an Ëmwelt und Mouvement écologique haben mit ihrer Beschwerde bei der EU-Kommission einen wichtigen Schritt gemacht. Sollte der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof landen, drohen Luxemburg Strafzahlungen und das mühsam aufgebaute Öko-Image wäre dahin. Bevor es soweit kommt, fasst sich Romain Schneider vielleicht doch noch ein Herz und kümmert sich neben Schweinen und Kühen auch um das Rebhuhn.


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