Album „Jellywish“ von Florist: So klingt Magie im Alltag

Das neue Album „Jellywish“ der New Yorker Indieband Florist erzählt von der Liebe, dem Leben und dem Spannungsfeld zwischen persönlichem Empfinden und äußerer Realität.

10 Songs bietet das neue Album „Jellywish“, das Anfang April herausgebracht wurde. (Copyright: Vera Haddad)

Die Catskill Mountains in New York scheinen eine besondere Faszination auf Künstler*innen auszuüben. Vor fünf Jahren zum Beispiel zog die US-amerikanische Country-Jazz-Musikerin Hannah Cohen in die Hügellandschaft der Catskills und auch die Indieband Grizzly Bear verschlug es dorthin – ihr Album „Veckatimest“ (2009) entstand in einem abgelegenen Tonstudio in dem New Yorker Mittelgebirge.

In der Bandgeschichte von Florist spielt das waldreiche Gebiet ebenfalls eine große Rolle. Das Quartett beschreibt sich nicht nur als Musikgruppe, sondern als „Projekt unter Freuden“ – und dieses wurde in den Catskills gegründet. Auch in ihrer Musik sind Spuren dieses bedeutungsvollen Ortes enthalten, integrierte sie doch Naturgeräusche der Catskills in ihre Songs. Auf dem vorherigen Album „Florist“ hört man zum Beispiel Vögel, Grillen und andere atmosphärische Klänge aus dem Reich der Natur, die dem Gesang, den Liedtexten und den Melodien noch eine andere Dimension verleihen.

Minimalistischer Sound

Auch das Album „Jellywish“ entstand in diesem räumlichen Kontext. Schon im März 2024 meldete sich die Frontsängerin Emily Sprague aus der Region Upstate New York: „Ihre eigenen Pläne für 2024? Ein neues Florist-Album produzieren (es sei schon fast komplett geschrieben) … und nicht zu viele Konzerte spielen”, so die Musikerin auf ihrem Substack-Kanal. Bevor Emily Sprague mit dem Schreiben loslegte, hatte sie eine etwas ruhigere Zeit hinter sich. In dieser hatte sie neue Energie gesammelt und über ihre eigenen Songwriting-Fähigkeiten gegrübelt: Nach 15 Jahren Tätigkeit als Songschreiberin könne sie sich in diesen Momenten des Aufatmens immer noch nicht vorstellen, irgendwann mal wieder zu komponieren, schrieb sie. Es könne Jahre dauern, bis sich genug Material für ein neues Album ansammle. Doch die Kreativität floss schnell wieder und die Zeit trägt jetzt im Frühling – Jahre später – ihre Früchte.
Die Platte „Jellywish“ klingt sanft, zugänglich und frisch. Durch ihren Minimalismus ist sie perfekt in die moderne Indie-Folk-Landschaft eingebettet. Sie folgt zwar einer etwas anderen Ästhetik, als man sie von verschiedenen zeitgenössischen Indie-Folk-Projekten wie zum Beispiel von Big Thief oder Jessica Pratt kennt. Diese klingen im Vergleich zu Florists erdigem und rundem Sound eher rauer und roher beziehungsweise eckiger. Dennoch folgt das neue Album der gleichen Logik: Sie sagt mit Minimalismus mehr. Neben klarer Gitarre, Perkussion und schimmernden Synthesizer bietet „Jellwish“ genügend Platz für Gefühle und unterschiedliche Interpretationen. Es entsteht ein Raum zwischen den Tönen, eine Atmosphäre, die die Musik aus ihrer Form wachsen und sie an Fülle gewinnen lässt.

Fünf Alben hat die US-amerikanische Band Florist schon herausgebracht. (Copyright: Vera Haddad)

Emily Sprague gelingt das Gleiche in ihren Songtexten. Schon vor einigen Jahren erwähnte sie, dass sie mit Wörtern mehr ausdrücken möchte als das, was sie eigentlich bedeuten. Ein einziger Satz aus nur fünf Wörtern könne nämlich hunderte Emotionen hervorrufen. Dabei singt die Frontfrau in einfacher Sprache, ihre Lieder handeln von Alltäglichem. Doch aus der Art und Weise, wie sie beschriebene Szenen und Bilder kombiniert, entsteht die Magie. Wie zum Beispiel im Song „All The Same Light“: „A photograph I will never know / Arizona I go there and I keep going / Sunrise in L.A / I wonder which direction does your bedroom face.“ Weite Landschaften, Distanzen und Sonnenaufgänge verlieren sich im kleinsten Schlafzimmer. Hier vermischen sich Außen- und Innenwelten und der Makrokosmos wird zum Mikrokosmos.
„Some things just don’t make any sense like the jellyfish / Remember when all of this was just a dream? / There has got to be light in the darkness of the mind“, singt Emily Sprague im Titelsong „Jellywish“. Wer den Sinn der Qualle in der ersten Zeile sucht, fischt im Trüben. Mit „Jellywish“ drückt die Band ein Bedürfnis nach Sinnlosigkeit aus, das jedoch eine sinnvolle Devise hervorbringt: Der Alltag bietet, trotz seiner auf den ersten Blick banalen Erscheinung, ausreichend Stoff zum Staunen. Und mit unendlichen Interpretationsmöglichkeiten wird aus dem Traum Realität.


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