Biodiversitätskonferenz in Montreal: Alles steht auf dem Spiel

Wenn wir verhindern wollen, dass die Menschheit ein Massenaussterben auslöst, müssen wir rasch handeln.

Ein Opfer des fünften Massenausterbens. An dem sechsten arbeiten wir Menschen gerade. (Foto: CC-BY-SA 3.0 ScottRobertAnselmo/wikimedia)

Die Weltklimakonferenz im November in Ägypten fand weltweit große mediale Aufmerksamkeit. Bei der Biodiversitätskonferenz, die aktuell in Montreal stattfindet, sieht es anders aus. Dabei geht es dort genauso um eine lebenswerte Zukunft wie im November in Ägypten. Die Verhandler*innen und Politiker*innen, die in Kanada über das Globale Biodiversitätsabkommen diskutieren, müssen alles dransetzen, zu einem Kompromiss zu kommen.

Danach sieht es allerdings nicht aus. In einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch gaben die Chefverhandler der Konferenz sich zwar optimistisch, wirkten aber nicht so, als würden sie wirklich noch an den Erfolg der Verhandlungen glauben. Es sei ein langer und komplexer Prozess, und noch sei nicht klar, ob ihnen am Ende nicht die Zeit fehle, die Details zu klären. Ein „Pariser Klimaabkommen für den Artenschutz“ soll das Globale Biodiversitätsabkommen werden.

Wie immer, wenn es um Klima- oder Naturschutz geht, geht es in Wirklichkeit um Wirtschaftspolitik: Welche Länder wollen ihren Unternehmen schon strengere Umweltauflagen aufbrummen? Dabei wäre genau jetzt der Moment, die sogenannten „externen Kosten“ für Umweltschäden zu internalisieren: Wenn die Unternehmen verschmutzen wollen, sollen sie auch dafür zahlen, statt die Allgemeinheit dafür aufkommen zu lassen.

Überhaupt sollen Unternehmen mehr in die Pflicht genommen werden: Neben verpflichtender Berichterstattung über den Verbrauch natürlicher Ressourcen stehen auch Diskussionen zu Lieferketten an. Ein Thema, bei dem Luxemburg zuletzt nicht besonders grün geglänzt hat – weil für die Regierung die Profite des Finanzplatzes am Ende des Tages wichtiger sind als der Schutz von Natur und Menschenrechten.

Die Biodiversität ist auf unserem Planeten ungleich verteilt, viele ärmere Länder in den Tropen haben wesentlich mehr zu verlieren als der globale Norden. Um ihnen zu helfen, soll die Finanzindustrie eingespannt werden. Die hat aber bisher bei der Finanzierung von Klimalösungen versagt und vor allem Greenwashing-Produkte verkauft – weltweit und natürlich auch im Fondsparadies Luxemburg.

Für die Regierung sind die Profite des Finanzplatzes wichtiger.

Das erfüllt immerhin schon nominell ein Ziel, das in Montreal besonders prominent ist: Bis 2030 sollen 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden. Zumindest die weniger streng geschützten Natura-2000-Schutzgebiete machen rund 32 Prozent der Luxemburger Landesfläche aus. Allerdings sind auch nur 32 Prozent aller natürlichen Habitate hierzulande in einem erstrebenswerten Zustand. Außerdem ist der Artenschwund in Luxemburg alarmierend und kein Land in Europa ist so stark fragmentiert. Gebraucht werden also nicht nur Schutzgebiete, sondern auch ökologische Korridore zwischen den Lebensräumen.

Strenger geschützte nationale Naturschutzgebiete machen nur etwa 3 Prozent der Landesfläche aus. Weitere Gebiete sollen ausgewiesen werden, um auch beim strengeren Schutz auf die 30 Prozent zu kommen. Das stößt jedoch auf politischen Widerstand. Das geplante Naturschutzgebiet „Trentengerdall“ im Osten des Landes war Thema von parlamentarischen Anfragen von CSV und ADR. Deren Abgeordnete schürten darin Ängste: Es drohten Enteignung, Wertverlust von Grundstücken, Verschwinden von Weinbau, so die unterschwellige Botschaft der Fragen. Das, obwohl keine Eingriffe in die Landwirtschaft oder die Bebauungspläne geplant sind.

Dieses kleine, sicherlich auch vom nahenden Wahlkampf beeinflusste Luxemburger Beispiel zeigt: Selbst wenn in Montreal ein gutes Abkommen zustande kommt, muss es in den einzelnen Ländern noch umgesetzt werden. Auch das wird in Montreal immer wieder betont. Naturschutzgebiete auf Landflächen können mit gutem Willen relativ leicht national umgesetzt werden. Bei dem Schutz der Ozeane sieht es anders aus: Um die internationalen Gewässer zu schützen, müsste eine neue internationale Organisation geschaffen werden, die sich dieser Aufgabe annehmen kann.

In Montreal steht alles auf dem Spiel. In der Erdgeschichte gab es bisher fünfmal ein Massenaussterben. Wir Menschen sind gerade dabei, wissentlich das sechste zu organisieren. Wir sollten – auch um unseres eigenen Wohls willen – alles dafür tun, dass es nicht dazu kommt. In Montreal muss es zu einem Abkommen kommen, das Naturschutzflächen ausweist und vor allem verschmutzende Unternehmen in die Pflicht nimmt.


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