Chamber-Hearing zu Cattenom: Argumentieren, klagen, austrocknen

Was tun gegen Cattenom? Der Vorschlag, gegen das AKW zu klagen, war Gegenstand einer Petition und eines Chamber-Hearings.

(Foto: Wikimedia / Felix König / CC-BY 3.0)

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„Gerichtliche Schritte zwecks Abschalten und Stilllegen des Atomkraftwerks Cattenom“, so ist die Petition überschrieben, über die am vergangenen Dienstag in der Chamber debattiert wurde. Das klingt sehr sachlich – zustande kam die Anfrage aber, weil Marc Schmit die Nase voll hatte. „Dass man 2014 in Fessenheim eine große Panne hatte, die vertuscht wurde [woxx 1362], das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, erzählte der Initiator. Allein war er mit seinem Ärger nicht – binnen sechs Wochen unterzeichneten über 10.000 Personen seine Anfrage.

Auch Chamberpräsident Mars Di Bartolomeo, ein Düdelinger, begrüßte die Initiative: „Ich habe sogar das Pech, die vier Türme quasi direkt im Garten stehen zu haben.“ So stand die Debatte erst einmal im Zeichen des gesunden Menschenverstandes: Man muss doch klagen können gegen etwas, das gemeingefährlich ist. Schmit verwies auf die Aussage des Experten Manfred Mertins (woxx 1361): „Stünde das AKW Cattenom in Deutschland, hätte es, den dort geltenden Standards entsprechend, längst abgeschaltet werden müssen.“

„Auf die deutschen Normen kann man sich nicht beziehen“, stellte Gesundheitsministerin Lydia Mutsch klar, „und beim Versuch, einen Verstoß gegen die französischen nachzuweisen, beißt man auf Granit.“ Auch der grüne Abgeordnete Henri Kox holte die Petitionäre auf den Boden der Realität zurück. „Für eine Klage müssen wir nach einem technischen Verstoß, einer Spitzfindigkeit suchen.“ Was nicht thematisiert wurde: Eine solche Konzentration auf ein Detail würde von den guten Argumenten ablenken, die Luxemburg hat. Zum Beispiel, wie es in der Petition heißt: „Im Falle einer nuklearen Katastrophe könnte unser Land de facto von der Landkarte verschwinden.“

K. o. durch Spitzfindigkeit?

Erstaunlich war auch die Aussage Paul Polfers vom Mouvement écologique, Luxemburg sei größtenteils atomstromfrei. Dieser Effekt wird nur durch den umstrittenen Zukauf von grünen Zertifikaten durch Enovos erreicht (woxx 1128) – was bestenfalls die erneuerbaren Energien fördert, Kohle und Atom aber nicht benachteiligt. Polfers Aussage erweckt den Eindruck, es lohne sich nicht, auf alternative Angebote wie Nova Naturstroum oder Eida Green umzusteigen. Außerdem blendet sie die Realität der neu errichteten direkten Hochspannungsverbindung mit Frankreich aus, eines Projekts, das immerhin von Greenpeace vehement als „Cattenom-Leitung“ bekämpft wurde (woxx 1068).

Statt mit weißer – oder grüner – Weste gegen ein existenzgefährdendes Unrecht zu klagen, kann Luxemburg gerade mal hoffen, mit juristischen Spitzfindigkeiten eine Laufzeitverlängerung für Cattenom zu erschweren, so die Quintessenz des Hearings. Alles sinnlos? Keineswegs, denn, wie Paul Polfer richtig anmerkte, es besteht Hoffnung, die Atomindustrie finanziell auszutrocknen. Seit Fukushima zögern Investoren, ihr Geld nuklear anzulegen. Jeder juristische Schritt trägt dazu bei, diese Verunsicherung zu vergrößern.


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