Das feministische Zentrum CID Fraen an Gender gibt den Parteien vor den Parlamentswahlen Empfehlungen für Genderthemen an die Hand. Worauf können die Wähler*innen hoffen?
Im Dezember präsentierte das CID Fraen an Gender (CID) die Auswertung seines Fragebogens „Regierungswalen: Wéi gendersensibel sinn d’Parteien?“, am Donnerstag legte es mit Empfehlungen für Genderthemen im Wahl- und Regierungsprogramm nach. Der Katalog hält 29 Punkte fest, aufgeteilt nach den Themen Bildung, Arbeit, Gesundheit, Kultur, Politik und Gesellschaft. Zu den beiden letzten Bereichen hat das CID am meisten zu sagen.
Darunter fallen etwa Großbaustellen wie die Bekämpfung der Wohnungskrise, besonders mit Blick auf benachteiligte Personengruppen; die Umsetzung einer feministischen Außenpolitik, die mit der militärischen Abrüstung und der Unterzeichnung des Atomwaffenverbots einhergeht; und der Umgang mit Drittstaatler*innen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung. Erst letzte Woche verabschiedete die Abgeordnetenkammer die Überarbeitung des Immigrationsgesetzes, das nun unter anderem ein bis zu fünfjähriges Einreiseverbot für Drittstaatler*innen vorsieht, die zur Ausreise gezwungen wurden oder die Ausreisefrist missachtet haben.
Derweil setzt sich das CID für ein Rückführungsverbot aus, wenn Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis ein Verbrechen gegen sie bei der Polizei melden. Zwar gibt es Bestimmungen, nach denen Betroffene eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten können, sofern sie mit der Justiz kooperieren, nur werden diese nicht immer angewandt. Vor zwei Jahren geriet der Fall einer jungen Brasilianerin in die Schlagzeilen: Sie zeigte Menschenhandel und sexualisierte Gewalt bei der Polizei an, ihr wurde daraufhin zunächst mit einer Rückführung aufgrund ihres Statuts gedroht.
Während das CID dazu rät, Frauen wie ihr einen Platz in einer Notunterkunft für Betroffene von Gewalt zu garantieren, offenbart die rezente Antwort auf eine parlamentarische Anfrage die derzeitige Handhabung ähnlicher Fälle. Die Gleichstellungsministerin Taina Bofferding (LSAP) schreibt darin an die Abgeordnete Nathalie Oberweis (déi Lénk): „Une fois que les questions par rapport au séjour ont été clarifiées, la victime de violences domestiques a accès aux structures.“
Spricht das CID sich in seinen Empfehlungen für den generellen Ausbau der Unterkünfte aus, äußerten sich die meisten Parteien im Fragebogen des Zentrums hierzu nur vage. Die im Katalog vom CID vorgeschlagenen Auffangstrukturen für Frauen, nicht-binäre und queere Personen, die auf der Straße leben, kamen bei keiner Partei zur Sprache. Allgemein verfolgten nur die LSAP und déi Lénk einen erkennbar intersektionalen Ansatz in ihrer Genderpolitik. Das CID hält in seinem Katalog hingegen Punkte wie die bewusste Förderung weiblicher, queerer und marginalisierte Künstler*innen sowie den gezielten Einsatz für rassifizierte, queere und Frauen mit Behinderung fest.
Trübe Aussichten
Im Vergleich der Antworten der Parteien auf den Fragebogen mit den Vorschlägen des CID, fällt auch die Aussicht auf Arbeitszeitverkürzung schlecht aus. Das CID steht hinter der 32-Stunden-Woche, doch nur déi Lénk würde mitziehen. Bei weiteren Punkten ist unklar, worauf die Wähler*innen hoffen dürfen: Kommen die Parteien dem Vorschlag des CID nach und führen einen dreimonatigen „congé de naissance“ für alle Elternteile ein? Déi Gréng, die Piraten und déi Lénk waren im Dezember die einzigen, die sich dafür aussprachen.
Deutliche Überschneidungen zwischen den Ambitionen der Parteien und den Forderungen des CID gibt es bei der Bekämpfung sexistischer Belästigung im öffentlichen Raum und der geschlechtersensibelen Verkehrspolitik. Sowohl den Grünen als auch der Linken schweben mehrere Maßnahmen zur Umsetzung vor, dagegen war keine Partei. Auch im Bildungsbereich zeichnen sich Empfehlungen ab, die in die Wahlprogramme einziehen könnten. Das CID schlägt beispielsweise vor, diskriminierende Lerninhalte abzuschaffen; Genderfragen in die Ausbildung des Lehrpersonals zu inte- grieren; Polizei- und Justizbeamt*innen sowie das Gesundheitspersonal in geschlechtsspezifischer Gewaltprävention zu schulen. Hier macht sich beim Großteil der Parteien politischer Wille bemerkbar. Was am Ende davon wirklich übrig bleibt, zeigt sich jedoch erst in den Wahlprogrammen.