Crossover: Pünktlich zurück

Nach einer langen Pause ist die Kulttruppe aus Frankreich endlich wieder zurück: Siebzehn Jahre nach dem Erscheinen ihrer letzten Platte verschlägt es Les négresses vertes auch für ein Konzert in die Rockhal.

Etwas älter geworden, aber live immer noch eine Wucht: Les négresses vertes. (Foto: Wikimedia)

Pünktlich zum 30-jährigen Geburtstag ihres Erstlingswerkes „Mlah“ hat Les négresses vertes beschlossen, ihre Fans wieder mit ihren alten Hits zu begeistern. Die Geschichte der Band begann in der Pariser Banlieue, wo sich die Musiker während wilden Partynächten im neunzehnten Arrondissement trafen und sich daraufhin dazu entschieden, gemeinsam Musik zu machen. In der Anfangszeit testete Les négresses vertes ihre Songs in Metros und auf den Straßen von Paris, dann nahm sie ihr erstes Album auf, das auf dem kleinen Label „Off The Track“ erschien. Sie entwickelte ihre ganz eigene Mischung unterschiedlichster Einflüsse, die sich stets zwischen den Genregrenzen hin und her bewegten. Mit Akkordeon, Gitarren und Blechbläsern spielte sie Folk und Punk, inspirierte sich an Polka, Java und Raï. Der eklektische Mix sollte die Band zu einer der bekanntesten Figuren der alternativen Rockszene Frankreichs machen.

Doch Les négresses vertes auf ihre Qualitäten als Partyband zu reduzieren, wäre ein Fehler. Die Gruppe, angeführt von ihrem charismatischen Sänger Helno, reflektierte die politischen und sozialen Missstände in Frankreich auf ihre Art: Ehrlich und direkt, etwas vulgär und mit einem frechen Augenzwinkern. In den Texten kam auch eine tiefe Traurigkeit zum Vorschein, die mit der fröhlichen Upbeat-Musik kontrastierte. Die paradoxale Struktur zwischen Lebensbejahung und Weltverneinung, hemmungslosem Rausch und erdrückender Melancholie wurde früh ein Teil der Bandidentität. Les négresses vertes erzählt Geschichten aus der Pariser Banlieue, die genau wie ihre Musik, multikulturell geprägt und voller Widersprüche ist.

Trotz des schnellen kommerziellen Erfolgs – das erste Album „Mlah“ verkaufte sich 350.000 Mal – ist die Bandbiografie auch von einem Schicksalsschlag gezeichnet. Nachdem das zweite Album mit der Single „Sous le soleil de Bodego“ den endgültigen Durchbruch bedeutete und es unter anderem 1993 zu einer Zusammenarbeit mit Massive Attack kam, schockte der Drogentod des 29-jährigen Leadsängers die Fangemeinde im gleichen Jahr. Dies war ein schwererer Einschnitt in der Karriere der Band. Helno, ein Künstler zwischen Genie und Wahnsinn, war das Herzstück der Band. In einem Interview vor seinem Tod erzählte er von seinen Kindheitsfreunden, die an Aids oder Drogen gestorben waren. Helno sagte damals: „Tout être humain qui a de la sensibilité a envie de se foutre en l’air.“

Die Musik von Les négresses vertes ist ein Spiegel für die Zerrissenheit ihres Sängers. Eine schonungslose Sensibilität in den Texten, gekoppelt an die Explosivität des Künstlerdaseins und der energiegeladenen Musik. Nach dem Tod des Sängers entschieden sich die anderen Musiker weiterzumachen. Sie teilten die Gesangspartien unter sich auf und versuchten gemeinsam, den Verlust zu tragen. Mehrere Lieder auf den darauffolgenden Alben sind ihrem ehemaligen Frontmann gewidmet. Das Trauma ist ein Teil der Band geworden, doch Les négresses vertes hatte noch eine Menge mit ihrer Musik zu sagen. Zwischen 1994 und 2002 erschienen insgesamt noch zwei Studioalben und ein Live-Album. Dann entschieden sich die Bandmitglieder aufzuhören.

Das Jubiläum ihres Debuts ist nun der Anlass ihrer Rückkehr und auch wenn die Musiker in den 30 Jahren seit der Bandgründung gealtert sind, ist die Musik keineswegs in die Jahre gekommen. Sie klingt immer noch nach der gleichen Lebensfreude und dem großen jugendlichen Leichtsinn aus der Feder Helnos. Wo Les négresses vertes auftreten, bringen sie Tanz, Sonne, Nostalgie und Spielwitz mit. Die Konzerte werden auch eine Hommage an Helno sein, vermutlich der verrückteste Sänger der verrücktesten Band der französischen Popgeschichte.

Am 21. Februar in der Rockhal.

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