Der letzte linke Kleingärtner, Teil 55: Zoff um Zucchini

Es gibt nichts schlimmeres als eine viel zu groß geratene Zucchini auch noch stolz von einem Kleingärtner überreicht zu bekommen. Unser Kolumnist macht sowas nicht – und gibt stattdessen ein paar lebenspraktische Gartentipps.

Wie blöd muss man sein, um mit zu groß geratenen Zucchini auch noch öffentlich zu posen?, fragt sich unser letzter linker Kleingärtner völlig zurecht. (Foto: Melena Slavina/ Shutterstock.com)

Was geht ab im Garten? Zunächst: die Zucchini wachsen mal wieder im sprichwörtlichen „Schweinsgalopp“. Einige Schlauköpfe sind mächtig stolz darauf, wenn sie einem via Facebook zwei, drei, vier Kilo große Früchte zeigen können. Das zeugt nur von Dummheit, denn große Zucchini schmecken schlecht, sofern sie überhaupt noch Geschmack haben. Das hatte ich im Übrigen schon in den Praxistipps in der woxx 1743 in aller Deutlichkeit geschrieben: Zucchini erntet man möglichst klein; sobald sie 15 bis 20 Zentimeter lang sind.

All die Kleingärtner, die sich mit großen Zucchini präsentieren, ruinieren den Ruf unserer Branche. Im übertragenen Sinn stimmt hier der Spruch tatsächlich: „Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln.“ Gut, zugegeben, auch mir geraten die Zucchini manchmal zu groß, aber aus Unachtsamkeit, nicht weil ich es darauf anlege. Ich wäre jedenfalls nicht so doof, mit dem dicken Gewächs auch noch zu posieren, blöd in die Kamera zu glotzen und das Selfie oder Reel dann in den sozialen Medien zu präsentieren. Prinzipiell ist die Einstufung als „dick“ im Garten aber sehr wohl schön und erstrebenswert. Im Mittelalter war sie dies sogar für uns Zweibeiner. Und wer freut sich nicht über dicke Früchte, dicke Erdbeeren, dicke Johannisbeeren, dicke Zwiebeln, dicke Möhren und eben auch dicke Kartoffeln? Aber ich will halt nicht als dumm etikettiert werden, da bei Zucchini ebenso wie bei Kürbissen sowie Busch- und Stangenbohnen das Loblied auf die Dicke nur von den Dummen kommt.

Wenn ich dicke Stangen- und Buschbohnen ernte, dann habe ich nämlich ebenfalls zu spät geerntet. Das Prinzip ist denkbar einfach: Wenn ich die Bohnen früher ernte, profitiere ich als Kleingärtner doppelt: Zum einen schmecken die Bohnen dann besser, unsereiner sagt „feiner“, und zum anderen wird die Pflanze durch das frühere Ernten angespornt, möglichst viele Schoten zu produzieren. So habe ich in der Erntezeit mehr Ertrag. Denn die Pflanze produziert ihren Samen – in dem Fall eben Bohnen – um sich zu reproduzieren. Als nerviger Kleingärtner dränge ich mich lediglich in den Zyklus von Wachstum und Reproduktion hinein, stehle mir von den Pflanzen das, was mir zusteht und bin dann wieder weg. Bis zum nächsten Gang durch die Bohnen- und sonstigen Reihen.

Unterdessen zofft sich die Gesellschaft außerhalb meines gärtnerischen Horizonts mal wieder ordentlich über den Umgang mit den Fremden, also all jenen, die irgendwie „anders“ sind, was dann wahlweise Nachbarn, Kunden, Mitmenschen und Verbraucher sein können. Auch ich werde immer misstrauischer: Vor ein paar Wochen hatte ich ungebetenen Besuch in meinem Gemüsegarten. Außerhalb meines Kosmos wappnet man sich mit allerhand juristischem Hokuspokus gegen die Fremden und betreibt das Spiel um die angeblich fragilen Grenzen, die geschützt werden müssen, immer hektischer und vor allem martialischer. Wenn jedoch die Fremden wieder mal zu mir kommen und alles kahlfressen, dann hilft mir keiner. Genau: Ich hatte Rehe im Garten, aber keinen Schengener Vertrag, um mich und meine Pflänzchen vor ihnen zu schützen.

Das mit den Rehen wurde mir nun zu bunt und ich habe aufgerüstet.

Ohne Erlaubnis und ohne anzuklopfen schlichen sie sich frühmorgens gegen vier Uhr in den Garten und fraßen ratzfatz die Blätter meiner Rote Beete und meines Mangolds ziemlich kahl. Fehlen der Roten Beete aber die Blätter, dann wird es mit dem Wachstum der Knolle nichts mehr. Das mit den Rehen wurde mir nun zu bunt und ich habe aufgerüstet. Wenn Grenzanlagen aus Stahl gegen zweibeinige Fremde helfen, dann muss das auch im Garten möglich sein.

Gesagt, getan, ich zäumte meine Rote Beete und meinen Mangold mit Stahlgittern ein. Es wäre doch gelacht, wenn sich der letzte linke Kleingärtner von süßen Rehböcken auf dem Kopf herumtanzen und die Butter vom Brot nehmen ließe. Ja so ist es, Stahl hilft mir im Garten weiter. Seit ich die Zäune hochgezogen habe, habe ich Ruhe vor dem Vieh. Ich hätte übrigens gegen die Rehplage noch eine sinnstiftende Anwendung für Stahl im Angebot: Schießen.

Ja, richtig, die Freunde der Jagd, also die Jäger und die paar Jägerinnen sollen mehr Rehwild schießen. Das ist zwar in befriedeten Bezirken, wie es Wohngebiete nun mal sind, aus guten Gründen nicht so ohne Weiteres erlaubt, außerhalb hingegen schon. Da mögen die Ökos gerne das eine oder andere Tränlein vergießen ob des armen Rehs, das von olivgrünen zweibeinigen Jagdhüpfern zu Manitou in die ewigen Jagdgründe befördert wird. Nur sind die netten Ökos eben nicht die, die mühsam Rote Beete und Mangold kultivieren. Warum sollten sie, im Bioladen gibt es genug Nachschub. Nun denn, manchmal hat eine Aufrüstungsspirale ihr Gutes. My home is my castle.

Drei Praxistipps

1. Zäune deine Rote Beete und Mangold im Garten mit Stahlgittern ein. Das hilft gegen Rehfraß.
2. Ernte Busch- und Stangenbohnen täglich. Das spornt die Pflanze an, mehr zu produzieren.
3. Lebe deine Tierromantik, was Rehe anbelangt, nicht im Gemüsegarten aus. Dann bist du nämlich der Verlierer.


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