Alle, überall, mit allem – das ist die grobe Zusammenfassung, die die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) in ihrem Jahresbericht 2024 gibt. Insgesamt werden Drogenkonsum und die damit verbundenen Probleme immer komplexer.

Cannabis ist weiterhin die am meisten konsumierte illegale Droge in der EU. (Foto: CC BY Elsa Olofsson)
In der EU sind weiterhin eine große Anzahl an verschiedenen illegalen Drogen erhältlich. Die Palette an Stoffen, die oft in hohen Dosierungen verfügbar sind, ist ebenfalls gewachsen. So beschreibt es die EBDD in ihrem jährlichen Bericht, der am vergangenen Dienstag präsentiert wurde. Hinzu komme, dass immer neue Formen und Kombinationen an Drogen angeboten würden. Die Auswirkungen von Drogenkonsum seien überall in der Gesellschaft sichtbar, so ziemlich jede Substanz mit psychoaktiven Eigenschaften habe das Potenzial, als Droge benutzt zu werden. Das heiße, jede*r könne mit dem Konsum illegaler Drogen und dessen Auswirkungen in Berührung kommen, so der Bericht der EBDD.
Neben neuen Substanzen sei man auch mit neuen oder unbekannteren Konsummethoden konfrontiert, wie zum Beispiel Vaping oder Essen bei Cannabis, so die EBDD. Oft würden Drogen auch unter falschem Namen verkauft: Substanzen enthielten andere oder gar mehrere Drogen, die ganz andere Wirkungen haben, als die Konsument*innen es sich erwarteten. Dieser „Polydrogenkonsum“ führe oft zu erhöhten Gesundheitsproblemen, so das EBDD. Ein Beispiel sei „Pink Cocaine“, das in Form von rosa Pillen verkauft wird. Statt Kokain enthält es eine Mischung synthetischer Substanzen, unter anderem Ketamin und MDMA. „Pink Cocaine“ sei „ein Beispiel für die immer ausgefeiltere Vermarktung synthetischer Stoffe an die Konsumenten, die wahrscheinlich nur sehr wenig darüber wissen, welche Chemikalien sie tatsächlich konsumieren“, so der Bericht. In Luxemburg bietet die Organisation Pipapo die Möglichkeit der kostenlosen und anonymen Analyse von Drogen, um einen sichereren Konsum zu ermöglichen (siehe woxx 1523).
Eine Entwicklung, die der EBDD Sorgen bereitet, ist die Zunahme von Substanzen, die intravenös konsumiert werden. Historisch wurde vor allem Heroin so konsumiert, mittlerweile findet sich bei der Untersuchung von Spritzen eine breite Palette an Drogen, darunter Amphetamine und Kokain. Zwischen 2021 und 2022 ist in der gesamten EU die Zahl der Fälle der HIV-Infektionen durch intravenösen Drogenkonsum gestiegen. In Luxemburg machten sie 19 Prozent der gesamten HIV-Infektionen aus, der europäische Durchschnitt liegt bei knapp 6 Prozent. Die EBDD erinnert in diesem Zusammenhang an die Notwendigkeit, steriles Injektionswerkzeug zur Verfügung zu stellen. Dies könnte etwa in Drogenkonsumräumen passieren.
Mehr HIV und mehr Kokain
Der Konsum und Schmuggel von Kokain in Europa nimmt zu: 2022 wurden 323 Tonnen Kokain in der EU beschlagnahmt und es zeigten sich zunehmend gesundheitliche Probleme ob des Konsums. Dies nicht nur in Notaufnahmen und in Todesfällen durch Überdosen, sondern auch in der Zahl jener, die sich wegen eines Drogenproblems in Behandlung geben. Die am weitesten verbreitete illegale Droge bleibt Cannabis: 8 Prozent der erwachsenen Europäer*innen konsumierten im vergangenen Jahr, knapp 30 Prozent haben im Laufe ihres Lebens gekifft. Die EBDD beobachtet die Änderungen im legalen Rahmen, wie sie in Luxemburg und Deutschland, aber auch in Pilotprojekten in den Niederlanden weitergetrieben wurden. Auch synthetische oder halbsynthetische Cannabinoide tauchen immer öfters am Markt auf, oft auch als vermeintlich „legale Alternative“ zu Cannabis, ohne dass die Konsument*innen die genaue Wirkung dieser Substanzen kennen. Eine Legalisierung von Cannabis habe nicht unbedingt einen Einfluss auf das Vorhandensein synthetischer Cannabinoide, so ein Sprecher der EBDD gegenüber der woxx. Es handle sich um zwei verschiedene Phänomene, die unterschiedliche Herangehensweisen benötigten.
Der Bericht von 2024 ist übrigens der letzte Drogenbericht der EBDD unter diesem Namen. Am 2. Juli wird die Beobachtungsstelle zur „European Union Drugs Agency“ umbenannt. Die neue Agentur soll ihr Netzwerk von forensischen und toxikologischen Laboren sowie ein Frühwarnsystem für neue psychoaktive Substanzen ausbauen. Im diesjährigen Bericht wird explizit darauf hingewiesen, dass diese Informationen wichtig sind, um geeignete politische Maßnahmen zu entwickeln. So gebe es zum Beispiel wenig Informationen zur Droge Ketamin: „[T]rotz anekdotischer Hinweise darauf, dass Ketamin von einigen Gruppen junger Menschen in großem Umfang konsumiert wird, fehlt uns ein gutes Verständnis der Konsummuster dieser Substanz“, schreibt die EBDD in ihrem Bericht.