Die EU-Entwaldungsverordnung soll ab Ende des Jahres dazu beitragen, Waldrodungen zu verhindern. Doch die Luxemburger Regierung will einen Kahlschlag der Regeln durchsetzen – Umweltorganisationen reagieren entsetzt auf diese Ideen.

(Foto: Annie Spratt/unsplash)
Am 26. Mai präsentierte die Luxemburger Landwirtschaftsministerin Martine Hansen (CSV) beim Landwirtschafts-minister*innenrat der EU verschiedene Vorschläge, dank derer die bestehende EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) ihrer Meinung nach vereinfacht werden soll. Dies tat sie gemeinsam mit dem österreichischen Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). Neun weitere EU-Länder unterstützen den Vorschlag. Ein europaweites Bündnis von Umweltorganisationen, darunter auch luxemburgische, läuft dagegen Sturm.
Die EUDR soll dafür sorgen, dass keine Produkte, für deren Erzeugung Wälder gerodet wurden, mehr in die EU gelangen. Dafür sollen Unternehmen einer Sorgfaltspflicht unterworfen werden: Sie müssen sicherstellen, dass ihre Produkte und Rohstoffe nicht aus illegalen Quellen kommen und dies auch nachweisen. Außerdem müssen sie regelmäßig berichten, wie sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Konkret geht es um Rinder und deren Fleisch, zudem Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz. Bei Verstößen sind hohe Strafen vorgesehen, deren Höhe sich am Jahresumsatz der Unternehmen orientiert. Vor der Verabschiedung der EUDR war Christophe Hansen (CSV/EVP), heute EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, damals noch Abgeordneter, als Berichterstatter im Europäischen Parlament zuständig für das Verfassen der Stellungnahme der Abgeordneten zum Vorschlag der EU-Kommission. Nachdem vor allem die EVP vehement gegen die Neuregelung protestierte, wurde deren Inkrafttreten im November 2024 um ein Jahr verschoben: Statt ab dem 30. Dezember 2024 sollte die Verordnung ab Ende des laufenden Jahres gelten.
Die nun vorgeschlagene Vereinfachung soll unter anderem eine „Null-Risiko“-Kategorie enthalten: Produkte aus Ländern, die so eingestuft würden, sollen von jeglichen Kontrollen ausgenommen werden. In einer Pressemitteilung wies Hansen darauf hin, in Luxemburg sei Entwaldung ohnehin gesetzlich verboten, die Regelung bedeute daher nur mehr Bürokratie für die Landwirt*innen. Am vergangenen Mittwoch betonte Umweltminister Serge Wilmes (CSV) im Interview mit Radio 100,7, er stünde hinter dem Vorschlag seiner Kollegin. Er habe viele Rückmeldungen aus dem Agrarsektor erhalten, wonach die Sinnhaftigkeit der neuen Regelung nicht zu erkennen sei. Da die Verordnung noch nicht in Kraft ist, kann es sich dabei nicht um Berichte aus der Praxis gehandelt haben.
So effektiv wie möglich
Gegenüber dem „Luxemburger Wort“ erteilte EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall am vergangenen Montag den Vorschlägen Martine Hansens eine Absage: Die EUDR müsse nun „so effektiv wie möglich“ umgesetzt werden. Auch zwei Luxemburger Umweltschutzorganisationen lehnen die Vorschläge der Landwirtschaftsministerin ab. „Natur an Ëmwelt“ und „Greenpeace Luxemburg“ haben gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen aus der EU einen offenen Brief geschrieben, eine auf Luxemburg gemünzte Version davon wurde an Serge Wilmes adressiert.
Angesichts der „Rekordabholzung“ der Tropenwälder im Jahr 2024 müsse die EU die EUDR als Waffe nutzen, um gegen die Zerstörung dieser Wälder zu kämpfen, heißt es darin, auch die Rechte der Bevölkerungsgruppen, die von diesen Habitaten abhängig sind, seien zu schützen. „Wir fordern die luxemburgische Regierung auf, ihre Verpflichtungen im Bereich der EUDR einzuhalten und sich auf die konkrete Unterstützung der Wirtschaftsakteure – Landwirt*innen, KMU und Waldbesitzer – zu konzentrieren, damit diese das Gesetz innerhalb der vorgesehenen Fristen einhalten können“, so der Brief. Die Organisationen betonen, die Einführung einer „Null Risiko“-Kategorie stelle sowohl die Grundlagen der EUDR infrage als auch gegen die Regeln der Welthandelsorganisation zu verstoßen. Tatsächlich sind in der EUDR bereits alle EU-Länder als „risikoarm“ eingestuft, womit sich die Auflagen verringern.
In einer weiteren Pressemitteilung, die als Reaktion auf Wilmes’ Aussagen verschickt wurde, betonten Greenpeace und Natur an Ëmwelt, dass eine „pragmatische und unkomplizierte Umsetzung der Verordnung“ für kleinere landwirtschaftliche Betriebe möglich sei, wie der Blick nach Deutschland zeige. Der Aufwand für die Betriebe sei gering, die meisten Daten lägen ohnehin schon vor. In ihrer Stellungname betonten sie „Angesichts der globalen Waldverluste, des Klimawandels und des dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt ist jetzt nicht die Zeit für politische Rückzieher, sondern für entschlossenes Handeln.“