Europäische Gaskonferenz: „Zu welchem Preis?“

Die Abkehr von russischem Erdgas bedeutet nicht, dass der fossile Energieträger aus der Mode kommt. Vielmehr trifft sich die Industrie jedes Jahr in Wien, um den Ausbau der Gas-Infrastruktur zu planen. Doch auch die Proteste dagegen werden lauter.

Etwa 5.000 Menschen demonstrierten gegen die Gaskonferenz in Wien. Daneben gab es zahlreiche kleinere Aktionen, die sich gegen das Vernetzungstreffen der Energiekonzerne richteten. (Foto: EPA-EFE/Christian Bruna)

Auf einem wackeligen Handyvideo ist zu sehen, wie eine Frau in Abendgarderobe von Bodyguards aus einem prunkvollen Saal geführt wird. Es ist eine Aktivistin, die das Galadinner der Europäischen Gaskonferenz unterwandert hat. Sie ruft den anwesenden Lobbyist*innen und Industrievertreter*innen zu: „Während ihr Milliardenverträge mit der Europäischen Kommission aushandelt und uns in eine katastrophale fossile Zukunft führt, können es sich andere Menschen nicht mehr leisten, ihre Wohnung zu heizen und ihre Familie zu ernähren! Ihr macht euch die Taschen voll, aber zu welchem Preis?“

Vom 27. bis 29. März fand in Wien die 16. Europäische Gaskonferenz statt. Es handelte sich nicht um eine wissenschaftliche Fachkonferenz oder ein politisches Treffen. Die Gaskonferenz ist eine jährlich stattfindende Veranstaltung, bei dem sich vor allem Vertreter*innen großer, fossiler Energiekonzerne treffen: Shell, BP, RWE, Vattenfall, Total, EDF, Eni – und natürlich die österreichische OMV, die als Co-Gastgeber auftrat. Pikanterweise waren zu dem Treffen auch hochrangige Beamte der Europäische Kommission als Gäste geladen. Neben Vorträgen und Diskussionspanels weist die Website der Konferenz auch darauf hin, dass in ihrem Rahmen über 100 „private Treffen“ stattfinden. Im Subtext heißt das: Ein fruchtbarer Boden für Hinterzimmerdeals.

Dieses Jahr sollte die Gaskonferenz jedoch nicht ruhig und abgeschieden von der Öffentlichkeit verlaufen, wie das in den Vorjahren der Fall war. Im Vorfeld hatte das Bündnis „BlockGas“, das aus zivilgesellschaftlichen Organisationen aus ganz Europa besteht, zum Protest aufgerufen. Am vorigen Wochenende wurde eine Gegenkonferenz organisiert, auf der über Themen wie Klimakrise, gesteigerte Energie- und Lebensmittelkosten, Neo-Kolonialismus durch Wasserstoffprojekte in Afrika und Enteignung von Energiekonzernen diskutiert wurde.

Die Aktivist*innen beschränkten ihre Aktionen aber nicht auf das Galadinner. Am vergangenen Montag blockierten sie Straßen in der Nähe des Luxushotels, in dem die Konferenz stattfand. Die österreichische Polizei reagierte mit Schlagstöcken, Hundestaffeln und Pfefferspray. Auf Videos ist zu sehen, dass Pfefferspray gegen eingekesselte Aktivist*innen, die folglich nicht ausweichen konnten, eingesetzt wurde. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert das Vorgehen der Polizei scharf.

Grüner Brunnen, besetzte Raffinerie

Neben Straßenblockaden gab es auch viele andere Protestformen: So färbten Aktivist*innen den Donaukanal, der durch das Stadtzentrum fließt, und mehrere Brunnen mit grüner, abbaubarer Farbe, um auf die Gaskonferenz hinzuweisen. Greenpeace-Aktivist*innen kletterten auf das Hotel, in dem die Konferenz stattfand und entrollten dort ein Banner mit der Aufschrift „Stop Gas Crimes“. Am Dienstagmorgen blockierten andere Klimaschützer*innen die Zufahrt zum Privatjet-Terminal des Wiener Flughafens. Zeitgleich gab es eine Protestaktion an der nahegelegenen OMV-Erdölraffinerie in Schwechat. Am Nachmittag besetzten Aktivist*innen der Initative „Zwangsräumungen verhindern“ symbolisch ein Haus, um auf die steigenden Mieten und Energiekosten hinzuweisen – und darauf, dass die Energiekonzerne von den gestiegenen Preisen enorm profitiert haben und Geld damit verdienen, die Klimakrise weiter zu befeuern.

Wie groß die Mobilisierung war, zeigte sich am Dienstagabend: Mit etwa 5.000 Menschen war die Demonstration, die den Abschluss der Proteste markierte, zwar nicht riesig, aber dennoch ein deutliches Zeichen dafür, dass Energiekonzerne sich in Zukunft nicht mehr im sprichwörtlichen „stillen Kämmerlein“ treffen können, um neue Gaspipelines oder Flüssiggasterminals zu besprechen. Zumindest nicht, ohne durch massive Proteste gestört zu werden. Verena Gradinger, die Sprecherin von BlockGas wurde dazu in einer Pressemitteilung zitiert: „Wir alle – Nutzer*innen, Beschäftigte und Betroffene – müssen über die Zukunft unserer Energieversorgung entscheiden, nicht Konzerne und Lobbys.“


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