Gesundheit: Klima und Psyche

Der Klimawandel bedroht nicht nur die Umwelt, sondern wirkt sich auch zunehmend auf die psychische Gesundheit von Menschen aus. Welche Folgen das hat, zeigte vergangene Woche ein Webinar des Statistikamts Statec.

(© Tobias Rademacher/Unsplash)

Überschwemmungen, Hitzewellen und Waldbrände: Die Folgen des Klimawandels wirken sich nicht nur auf den Planeten, sondern auch auf die psychische Gesundheit von Menschen weltweit aus. Dies stellte die Klimaexpertin Emma Lawrance vergangenen Dienstag in einem Webinar des luxemburgischen Statistikamts Statec anhand der aktuellen Studienlage vor. „Der Zustand der Welt beeinflusst den Zustand unserer Psyche – und umgekehrt“, sagt Lawrance, die am Institute of Global Health Innovation des Imperial College London tätig ist und dort das Programm Climate Cares leitet, das sich mit den psychischen Auswirkungen des Klimawandels befasst.

Die Klimakrise wirkt als sogenannter Risikomultiplikator für seelisches Leid – sie verstärkt bestehende psychische Erkrankungen. Zusätzlich erschwert sie den Aufbau von Resilienz, das heißt psychische Widerstandskraft, gegenüber neuen Belastungen. Direkt betroffen sind Menschen, die ihr Zuhause durch Überflutungen oder Brände verloren haben, die unter extremer Hitze leiden oder durch Klimafolgen zur Migration gezwungen sind. Die ständige Konfrontation mit Umweltzerstörung und das wachsende Bewusstsein für die Bedrohungslage wirken auf viele Menschen jedoch auch indirekt belastend. Junge Menschen, Bevölkerungsgruppen mit starkem Bezug zur Umwelt wie indigene Völker und Menschen mit psychischen Vorerkrankungen sind besonders stark betroffen. Während Hitzewellen bei Letzteren das Sterberisiko um das Zwei- bis Dreifache gegenüber der Allgemeinbevölkerung ansteigen lassen, gilt Luftverschmutzung als klarer Risikofaktor für psychische und neurodegenerative Erkrankungen. So steigt das Demenzrisiko bei langfristiger Exposition gegenüber Luftschadstoffen, während ungeborene Kinder ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen entwickeln, wenn schwangere Personen diesen ausgesetzt sind.

Die dadurch entstehenden gesellschaftlichen und ökonomischen Folgekosten sind erheblich: Lawrance zeigte in einer Studie aus 2023 anhand der Modellrechnung, dass die zusätzliche psychische Krankheitslast durch Klimaeinflüsse, Luftverschmutzung und fehlende Naturflächen bis 2030 weltweit jährliche Kosten von 47 Milliarden US-Dollar betragen wird. Bis 2050 erhöhe sich diese Summe auf über 500 Milliarden US-Dollar.

Klimawandel belastet mehr als Covid

Die Klimakrise wirkt besonders bei jungen Menschen als stärkster psychischer Belastungsfaktor. Einer Studie von Climate Cares zufolge empfanden viele selbst während der Covid-19 Pandemie die Klimakrise als psychisch belastender, obwohl Covid ihren Alltag spürbar stärker beeinträchtigte. Während die Pandemie vorrangig mit Gefühlen von Isolation, Trauer und Kontrollverlust assoziiert wurde, löste der Klimawandel häufiger Emotionen wie Schuld, Wut, Ekel und Scham aus. Viele junge Menschen empfanden eine starke persönliche Verantwortung für die Klimakrise, obwohl sie selbst kaum zu deren Entstehung beigetragen hatten. Gleichzeitig wüssten sie nicht, welchen positiven Beitrag sie leisten könnten, um die Situation zu verbessern, was zu einem Gefühl von Ohnmacht führt. Dies bürge nicht nur eine Gefahr: „Daraus kann ein Anreiz zum Handeln entstehen“, so Lawrance. Das setze voraus, dass junge Menschen Orientierung und Mitgestaltungsmöglichkeiten erhielten. Wichtig sei es, ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie sich sinnvoll engagieren könnten und dabei psychisch stabil bleiben.

Um dies zu ermöglichen, brauche es mehr als individuelle Appelle, sondern vor allem einen Zusammenschluss auf lokaler und globaler Ebene. Die Klimakrise ist kein isoliertes Problem, sondern eng verwoben mit sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen wie Ungleichheit, Armut, Diskriminierung und der Frage nach globaler Gerechtigkeit. Gerade diese Vernetzung birgt für Lawrance auch einen positiven Aspekt: Viele lokale und persönliche Initiativen können über ihre ursprüngliche Absicht hinauswirken. „Weil alles so stark miteinander verbunden ist, wissen wir auch nicht, welche positiven Wellen wir auslösen. Das Wichtigste, was man als Individuum tun kann, ist nicht allein zu handeln. Lösungen entstehen, wenn wir miteinander verbunden sind.“

© tobias rademacher/unsplash


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