Gloden-Debatte: Verkehrte Welt

Mit der Wortmeldung des Abgeordneten Tom Weidig erreicht die Polemik um Innenminister Léon Gloden seinen Tiefpunkt.

(COPYRIGHT: Chambre des Députés, CC BY-ND 2.0 Deed)

Preisfrage: Welchem dieser vier Männer wird Anstiftung zum Vandalismus, welchem die Verharmlosung politischer Einschüchterung vorgeworfen und welchem explizit gedroht? Ist es Innenminister Léon Gloden (CSV), der Ende Dezember mit der Einführung des umstrittenen Bettelverbots für Aufsehen sorgte? Trifft es den Musiker Serge Tonnar, der seiner Wut über das Verbot mit einem Gedicht und einer Karikatur von Gloden als Bettler Luft machte? Oder ist es der Karikaturist Carlo Schneider, der die Polemik mit satirischen Zeichnungen dokumentierte? Vielleicht geht es stattdessen aber auch um den Abgeordneten Tom Weidig (ADR), der sich diese Woche zu Schneiders Karikaturen äußerte.

Zum Jahreswechsel besprühten Unbekannte Glodens Hauswand mit dem Spruch „Nee zum Heescheverbuet“ und zerstachen die Autoreifen seines Sohnes. Eine Straftat, die trotz aller Kritik am Bettelverbot verwerflich und unangemessen ist. Es ist dennoch absurd, dass Gloden daraufhin in der Tageszeitung „Lʼessentiel“ die Mitverantwortung von Serge Tonnar an ebendieser Straftat nahelegte. Künstler*innen sowie Politiker*innen, etwa der Kulturminister Eric Thill (DP), verurteilten dies als Angriff auf die künstlerische Freiheit; Tonnar teilte erneut gegen Gloden aus. Ups, Spoiler: Die Unterstellung, Vandalismus begünstigt zu haben, geht also an Tonnar.

Wer hat im Zuge dieser Polemik tatsächlich Grenzen überschritten?

Zwar weiß sich jemand wie Serge Tonnar zu wehren, doch kommt die Mutmaßung des Innenministers einer Mahnung gleich: Satire zu politischen Entscheidungen führt zu Ausschreitungen – lasst das mal lieber. Eine solche Attitüde schränkt nicht nur die Kunst-, sondern auch die allgemeine Meinungsfreiheit ein. Wer will sich schon vorwerfen lassen, Mitschuld an Vandalismus zu tragen?

Und so liegt des zweiten Rätsels Lösung eigentlich nahe: Es ist Léon Gloden, dem die Verharmlosung politischer Einschüchterung vorgehalten wird, oder? Aber nein: Tom Weidig unterstellte dies dem Karikaturisten Carlo Schneider und drohte ihm obendrauf („So mir mol, wou s du wunns, da kann een och mol bei dech kommen, da gesäis de mol, wéi witzeg et ass, bedrot ze ginn“) auf Facebook. Laut Tageblatt distanzierte Gloden sich immerhin von Weidig, der explizit zur Gewalt gegen Schneider aufrief. Dies ist nach dem luxemburgischem Gesetzbuch strafbar.

In dem ganzen Tumult geht die zentrale Frage nach den Machtverhältnissen unter: Wem obliegt es, einen Schlussstrich unter die Debatte zu ziehen? Und wer hat im Zuge dieser Polemik tatsächlich Grenzen überschritten? Dazu zählen ohne Frage jene, die Glodens Eigentum beschädigt haben, weniger aber die Künstler Tonnar und Schneider, die mit Satire auf politische Missstände aufmerksam machten. Besonders Weidig steht hingegen eher in einer Reihe mit den Vandal*innen. Wundern dürfte das niemanden, denn schon letztes Jahr stiftete er auf Facebook zur Hetze gegen die Dragkünstlerin Tatta Tom an, die daraufhin Morddrohungen erhielt. Sowohl er als auch Gloden strahlen mit ihrem Verhalten jedenfalls beide soziale Inkompetenz aus und vermitteln teilweise schon fast totalitäre Haltungen.


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