Der Luxemburger Finanzplatz soll nachhaltig werden. Nach Lektüre der neuen Nachhaltigkeitsstrategie tauchen allerdings große Zweifel auf, wie ernst es Industrie und Regierung mit diesem Versprechen wirklich meinen. Die woxx hat sich angeschaut, ob mehr als Greenwashing dahintersteckt.
Apple, Microsoft, Nike, Procter & Gamble, Daimler, General Motors, Volkswagen – die Namen dieser internationalen Konzerne verbinden wohl die wenigsten mit Nachhaltigkeit. Trotzdem sind ihre Aktien in Fonds zu finden, die mit Ökologie werben und auch mit entsprechenden Labels zertifiziert sind. Das ist die Realität jenes kleinen Teils der Luxemburger Finanz industrie, der sich mit sogenannter Green Finance oder nachhaltigen Investitionen beschäftigt.
Obwohl klein gegenüber dem Rest des Finanzplatzes, wird er bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der Regierung ins Rampenlicht gestellt. Man sei sich der Verantwortung nicht nur bewusst, sondern auch Vorreiter in Sachen grüne Finanzwirtschaft, so das Mantra, das Pierre Gramegna (DP) und Carole Dieschbourg (Déi Greng) vortragen – auch letzte Woche bei der Vorstellung der Luxembourg Sustainable Finance Strategy (LSFS).
Die virtuelle Pressekonferenz, bei der ziemlich offensichtlich nur Alibi fragen zugelassen wurden, ist bereits ausgiebig kritisiert worden. Sie passte jedoch sehr gut zur vorgestellten Strategie: ein Hochglanzprodukt, das in vielen Punkten erstaunlich wenig Substanz hat. Ausgearbeitet wurde sie von der Luxembourg Sustainable Finance Initiative (LSFI), einem Verein, der im Januar 2020 von der Regierung, der öffentlich-privaten Partnerschaft Luxembourg for Finance und dem Nachhaltigkeitsrat gegründet wurde.
Luxembourg for Green Finance
An der Ausarbeitung waren verschiedene Interessensvertreter*innen beteiligt, darunter auch NGOs aus den Bereichen Umwelt und alternative Finanzen. Soweit die woxx es nachvollziehen konnte, wurden ihre Vorschläge und Anmerkungen jedoch kaum berücksichtigt. Eine solche Pseudo-Einbindung verstärkt den Eindruck, dass mit der Strategie ein grünes Feigenblatt für den Finanzplatz geschaffen werden sollte.
Die Strategie fasst den Status quo der nachhaltigen Finanzindustrie in Luxemburg sowie den europäischen Regulationsrahmen zusammen und gibt Ausblick auf die Schwerpunkte, die die LSFI künftig setzen will: Werbung, Hilfestellung und Monitoring der Fortschritte. Besonders die ersten Seiten sind eine einzige Lobeshymne auf die Regierung und ihre vorgeblich nachhaltige Finanzpolitik. Es finden sich darin viele Verweise auf Regierungsdokumente wie die Strategie zur nachhaltigen Entwicklung von 2019, den Nationalen Energie- und Klimaplan von 2020 – der sich teilweise wie eine Werbebroschüre für die Finanzindustrie las – und das Klimagesetz, das im vergangenen Dezember vom Parlament angenommen wurde.
Der Eindruck, dass mit der LSFS vor allem geworben werden soll, verstärkt sich mit der Lektüre der konkreten Aktionsfelder der Initiative. An erster Stelle sollen nachhaltige Finanzprodukte beworben werden, sowohl innerhalb der Finanzindustrie als auch bei möglichen Kund*innen. Neben Informationsaufbereitung und Trainings soll auch eine jährliche internationale Konferenz organisiert werden. Die LSFI wird dabei wohl zu einer Art „Luxembourg for Green Finance“: Nation Branding ist eins der Langzeitziele der Strategie.
Platzt die klimapolitische Bombe?
Das zweite Aktionsfeld der LSFI ist es, das „Potenzial zu entfesseln“. Die Initiative will den Luxemburger Finanzplatz durch eine Plattform für Wissens- und Erfahrungsaustausch unterstützen, die einen konstruktiven Dialog zwischen Finanzakteuren und allen anderen Betroffenen – hauptsächlich Regierung und NGOs – ermöglicht. Auch hier werden Weiterbildungsmöglichkeiten und die Bereitstellung von Informationen, etwa zur nationalen und europäischen Gesetzeslage, als mögliche Tätigkeitsfelder beschrieben. Das dritte Feld, das die LSFI beackern will, ist das interessanteste und könnte jede Menge Sprengstoff beinhalten: Die Finanzindustrie soll bei der Datenmessung und der Überwachung ihrer Fortschritte unterstützt werden. Für 2021 ist eine sektorweite Klimaanalyse geplant. Damit könnte erstmals der Einfluss des Luxemburger Finanzplatzes auf das Klima gemessen werden.
Auf die Frage der woxx, ob eine solche Analyse nicht traditionellerweise vor der Erstellung einer Strategie kommt, antwortete Maria Tapia von der LSFI: „Das Erstellen der LSFS war eine der ersten Empfehlungen der Luxembourg Sustainable Finance Roadmap, die 2018 gemeinsam mit der UN Environment Programme Finance Initiative erstellt wurde. Darin wurde auch die Schaffung der LSFI empfohlen. Die Strategie enthält den Aktionsplan für die LSFI, und die Klimaszenarioanalyse ist eine der ersten Aktionen.”
Diese Analyse soll gemeinsam mit der 2 Degrees Investing Initiative (2DII) durchgeführt werden. Diese NGO, die in Umweltschutzkreisen einen guten Ruf hat, hat ein Open-Source-Tool namens Paris Agreement Capital Transition (Pacta) entwickelt und ist auf entsprechende Auswertungen spezialisiert. In der LSFS ist allerdings auch davon die Rede, dass man eine eigene Methodologie entwickeln wolle, weil bisher keine existiere, die so richtig passe. „In den nächsten Monaten wird die LSFI gemeinsam mit 2DII eine Klimaszenarienanalyse mit der Pacta-Methodologie koordinieren“, lautete die Antwort auf die Frage der woxx, was denn nun stimme.
VW-Aktien für’s Klima
Auch wenn die LSFI bisher eher wie eine Marketingagentur für den Finanzplatz wirkt: Es besteht die Chance, dass am Ende dieser Analyse eine Zahl herauskommt, die für Luxemburg und seine Regierung eher peinlich ist. In Luxemburg werden 4.700 Milliarden Euro in Fonds verwaltet und viel von diesem Geld ist vermutlich in Firmen investiert, die die Klimakrise durch die Förderung, den Verkauf oder den Verbrauch fossiler Energieträger antreiben.
Sollte tatsächlich eine mittlere bis große klimapolitische Bombe platzen, lassen sich die Reaktionen der Politik bereits voraussagen: Luxemburg ist Vorreiter bei grünen Finanzen, die Hälfte der grünen Bonds werden in Luxemburg verwaltet, genauso wie ein Fünftel des Kapitals, das in vorgeblich nachhaltige Fonds investiert ist. Auch die unabhängige Zertifizierungsstelle Luxflag wird wohl erwähnt werden. Doch der Verein, der stets als Flaggschiff des grünen Finanzplatzes dargestellt wird, vergibt Labels an Fonds, in denen Aktien von großen Chemiekonzernen, IT-Giganten, Bergbaugesellschaften und sogar Automobilkonzernen vorkommen. Besonders häufig findet man solche Firmen in den Portfolios von Fonds, die ein „ESG“-Label haben. ESG steht für „Environmental, Social, and Corporate Governance“, also Umwelt, Soziales und Betriebsführung. Eigentlich sollte man meinen, mit dem Label würden Fonds ausgezeichnet, die besonders nachhaltig sind.
„Wir unterscheiden grob zwei Arten von Fonds: Impact-Fonds und Transition-Fonds. Impact-Fonds dürfen nur in bestimmten Sektoren investieren, zum Beispiel bei Klima-Fonds in die Erzeugung erneuerbarer Energie. Transition-Fonds, die unter dem ESG-Label zertifiziert werden, funktionieren anders. Sie müssen nicht in einen bestimmten Sektor investieren, es gibt jedoch Ausschlusskriterien. Jede Aktie, die in ein Portfolio aufgenommen wird, wird vorab gescreent, und es wird beurteilt, ob sich die Firma auf dem Weg zur Transition befindet. Bei Autofirmen kann das beispielsweise die Umstellung auf Elektromobilität sein. Das Screening kann vom Fondsmanager selbst oder von einer externen Firma gemacht werden“, erklärte Sachin Vankalas, der Generaldirektor von Luxflag, der woxx in einem Telefonat.
Zuckerbrot statt Peitsche
Eine Praxis, auf die Fonds- manager*innen gerne zurückgreifen, ist das sogenannte „Best in Class“-Prinzip. Aktien von Firmen, die sich innerhalb ihres Sektors besonders hervortun, können in Fonds aufgenommen werden, um ihnen einen Ansporn zu geben, noch nachhaltiger zu werden. Luxflag wird zwar stets von Regierungsmitgliedern gelobt, genießt jedoch keinen besonders guten Ruf. In einer Analyse des Magazins Ökotest schnitten die Labels eher mittelmäßig ab. „Die Latte ist so niedrig, dass jeder drüberkommt“, sagte Ekkehart Schmidt von Etika der woxx über die Labels von Luxflag. Der Verein Etika ist ein Pionier in Sachen nachhaltige Finanzen – gemeinsam mit der Spuerkeess wurde 1997 das alternative Sparkonto geschaffen.
Bei Etika ist man eher skeptisch in Bezug auf die LSFS, wie die Mitarbeiter des Vereins der woxx erklärten: „Wir begrüßen den Start der Luxembourg Sustainable Finance Initiative, insbesondere dass es in naher Zukunft eine Bilanzierung der klimatischen Auswirkungen des Luxemburger Finanzplatzes geben soll. Wir bedauern jedoch, dass die Initiative insgesamt gegenüber den gigantischen Herausforderungen durch die Klima-, Ungleichheits- und Biodiversitätskrise zurückbleibt. Außer der Klimabilanz der hiesigen Fonds finden sich leider keine weiteren konkreten Maßnahmen zur Umleitung der enormen Finanzmittel in klima- und sozialverträgliche Wirtschaftszweige. Die LSFI gibt den Tenor der Luxemburger Verfechter für Sustainable Finance wieder, verschweigt aber, dass seit der Unterschrift des Pariser Abkommens in puncto Umleitung der Finanzflüsse hin zu klimaverträglichem Wirtschaften verhältnismäßig wenig passiert ist. Dem vermag die Strategie mit Sensibilisierung und Weiterbildung kurzfristig kaum zu begegnen.“
Die Regierung ist zwar im Vorstand der LSFI vertreten, die Strategie erweckt jedoch den Eindruck, dass sie sich vornehm zurückhält und dem Sektor die Regulierung in Sachen grüne Finanzprodukte selbst überlassen wird. Eine steuerliche Maßnahme wurde – allerdings ohne viel Beachtung in der Öffentlichkeit zu finden – gesetzt. Im Budget für 2021 wurde die Abonnementsteuer für nachhaltige Fonds von 0,05 auf 0,01 Prozent gedrückt. Dafür muss lediglich die Hälfte der Investitionen in einem Fonds der Taxonomie der EU für nachhaltige Finanzprodukte entsprechen. Die wurde jedoch von Umwelt-NGOs kritisiert, weil sie zumindest in manchen Kategorien zu schwammig war. In Luxemburg hat man demnach lediglich das Zuckerbrot eingesetzt und die sprichwörtliche Peitsche, mit der der Finanzplatz zu mehr ökologischer Vernunft trainiert werden könnte, ausgelassen. Dabei spült die Abonnementsteuer für Fonds jedes Jahr über eine Milliarde Euro in die Staatskassen.
Es gibt durchaus „echte“ grüne Finanzprodukte am Luxemburger Finanzplatz, die muss man jedoch mühsam suchen, da die entsprechenden Labels keine große Hilfe sind. Die LSFS mag ein Schritt in die richtige Richtung sein, erweckt aber den Eindruck, dass es vor allem um Nation Branding geht. Der Finanzplatz und das Land mögen das in Zeiten von OpenLux und der Analyse von Greenpeace Luxemburg zu den klimaschädlichen Fonds bitter nötig haben – der Klimakrise ist mit viel warmer Luft allerdings wenig geholfen.
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