Green Finance: Zu spät und zu wenig

Ein neuer Bericht des EU-Rechnungs
hofes zeigt, dass in Sachen Green Finance noch viele Fortschritte vonnöten sind – und die EU sich schwertut, ihre eigenen Regeln ernstzunehmen.

Viele Finanzprodukte werden als „grün“ oder „nachhaltig“ gelabelt, sind es jedoch nicht. Die EU-Taxonomie, die für einheitliche Regeln sorgen soll, ist immer noch nicht fertig. (Foto: pxfuel.com)

Um die Klimakrise zu bekämpfen, sind massive Investitionen nötig: in erneuerbare Energien, öffentliche Transportmittel, den Umbau von Industriebetrieben und die Ökologisierung der Landwirtschaft. Ein Vehikel, um diese zu finanzieren, kann die sogenannte Green Finance sein: Fonds oder Obligationen, die in nachhaltige Geschäftsfelder investieren. Doch nicht alles, was sich grün oder nachhaltig nennt, ist es auch.

Dieses Greenwashing-Problem sollte eigentlich die vieldiskutierte Nomenklatur der EU für nachhaltige Finanzprodukte lösen. Eine endgültige Fassung fehlt jedoch immer noch, obwohl bereits im Mai 2018 ein Vorschlag der Kommission vorlag. Insgesamt tut die EU nicht genug, um nachhaltige Investitionen zu stimulieren – das ist die Schlussfolgerung eines Berichtes des Europäischen Rechnungshofes, der am vergangenen Montag veröffentlicht wurde.

In dem Bericht ist viel Kritik zu lesen: Nicht an dem Prinzip der nachhaltigen Investitionen, sondern an deren mangelhaften Umsetzung. Bereits 2018 veröffentlichte die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Viele Maßnahmen seien nur verzögert umgesetzt worden, so der Rechnungshof.

Sieben der zehn Punkte im Aktionsplan zielten darauf ab, für mehr Transparenz bei nachhaltigen Finanzprodukten zu sorgen. Über die Probleme von grünen Finanzprodukten hat die woxx bereits öfters berichtet, zum Beispiel als im Februar die Luxembourg Sustainable Finance Strategy vorgestellt wurde, die viel heiße Luft und wenig Konkretes enthielt (woxx 1620). Der luxemburgische Finanzplatz lobt sich selbst zwar gerne als besonders nachhaltig, viele der hier angebotenen Produkte sind jedoch eher Greenwashing, insbesondere in der Fondsindustrie. So werden beispielsweise Eukalyptus-Monokulturen als nachhaltig angepriesen (woxx 1633).

Warten auf die Taxonomie

Der Rechnungshof streicht hervor, dass die Kompatibilität einiger Tätigkeiten und Technologien mit nachhaltiger Entwicklung noch geklärt werden muss, bevor sie in die Taxonomie aufgenommen werden können. Beispiele sind Landwirtschaft, Erdgas und Atomenergie. Die Schlussfolgerung ist deutlich: Es besteht das Risiko, dass die Taxonomie nicht wirksam genug ist, um die Verpflichtung des Pariser Klimaabkommens, bis 2050 CO2-neutral zu werden, einzuhalten. Der Rechnungshof schlägt auch vor, künftig eine „braune Taxonomie“ mit umweltschädlichen Investitionen als Negativliste sowie eine soziale Taxonomie einzuführen.

Ein weiterer Punkt, den der Rechnungshof scharf kritisiert: Nicht einmal die EU selbst hält sich an ihre Taxonomie. Zwar würden die Europäische Investitionsbank und insbesondere das Investitionsprogramm InvestEU die Kriterien anwenden, bei der Beschließung des EU-Gesamtbudgets spielten sie jedoch keine Rolle. Insbesondere bei der Gemeinsamen Agrarpolitik sei der Grundsatz, erhebliche Beeinträchtigungen der Umwelt zu vermeiden, nicht in die Rechtsvorschriften aufgenommen worden.

Der Rechnungshof empfiehlt der Kommission, diesen Grundsatz auf den gesamten EU-Haushalt anzuwenden. Da beim EU-Budget eine andere Methodologie angewendet werde, bestehe die Gefahr, dass die positiven Auswirkungen auf das Klima überschätzt würden. In weiterer Folge könnte das heißen, dass die eigenen Anleihen nicht den Kriterien der EU-Taxonomie entsprächen und die Bereitschaft, der EU Geld zu leihen, sinken würde.

Nachhaltige Projekte fehlen

Insgesamt gibt es zu wenig nachhaltige Projekte, was sich auch im Gesamtvolumen grüner Anleihen niederschlägt: Lediglich zwei Prozent aller Anleihen, die von EU-Mitgliedsstaaten ausgegeben wurden, sind nachhaltig. Der Rechnungshof empfiehlt deswegen, ausgehend von den nationalen Energie- und Klimaplänen eine „Pipeline“ mit nachhaltigen Projekten zu schaffen.

Eine wichtige Frage bleibt weiterhin offen: Wie sollen die Behörden von EU-Mitgliedsstaaten die Informationen zur Nachhaltigkeit, die von Akteur*innen des Finanzmarktes veröffentlicht werden, bewerten? Hier müsse die Kommission nachbessern und klare Regeln veröffentlichen, findet der Rechnungshof. Es fehle außerdem weiterhin an Maßnahmen, die langfristigere Investitionen, wie sie für den Klimaschutz oft nötig sind, begünstigten.

Im Bericht des Rechnungshofes wurden nationale Behörden und die Europäische Zentralbank (EZB) nicht berücksichtigt, da aufgrund der Pandemie keine Vor-Ort-Besuche möglich gewesen seien. Dabei gibt es gerade bei den Zentralbanken viel Nachholbedarf: Ende August veröffentlichte die NGO Oil Change International in Zusammenarbeit mit einem großen Netzwerk von Klimaaktivist*innen einen Bericht über die Rolle der Zentralbanken bei der Klimafinanz. Sie stellten dabei fest, dass von den zwölf untersuchten Zentralbanken keine einzige eine ausreichende Klimastrategie hatte. Auch die EZB würde trotz anderslautender Rhetorik und Klimaaktionsplan immer noch zu viel Geld in fossile Energien investieren. 62 Prozent der Anleihen, die die EZB hält, könnten CO2-intensiven Sektoren zugeordnet werden.


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