Um den Klimawandel zu verhindern, muss anders investiert werden. Den Anreiz dafür können nicht nur Gewinnaussichten bieten.
„Greenpeace ist überzeugt, dass der luxemburgische Finanzsektor eine führende Rolle beim globalen Klimaschutz spielen kann.“ Das Communiqué der NGO klingt fast wie eine der vielen offiziellen Presseerklärungen von Finanz- und Umweltministerien in den vergangenen Jahren. Drei Monate lang wird Greenpeace auf der Place du Funiculaire versuchen, mit den zahlreichen Pendler*innen der Kirchberger Finanzunternehmen ins Gespräch zu kommen.
Für Aufmerksamkeit soll dabei die 15 Meter hohe Nachbildung des Eiffelturms sorgen, als Symbol für das Pariser Klimaabkommen von 2015. Für Greenpeace ist klar: „Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen Milliarden an Geldern aus dem privaten Sektor mobilisiert werden.“ Es gebe keinen Ersatzplaneten – „No Planet B“ –, mit dieser Feststellung will die NGO den Finanzsektor davon überzeugen, dass „Gelder, die derzeit in fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas investiert werden, in erneuerbare Energien und nachhaltige Infrastrukturprojekte umgeleitet werden [müssen].“
Grüner Finanzkapitalismus, ist das die Antwort auf die Erderwärmung? Déi Gréng sind längst, wie große Teile der politischen Kräfte, auf diesen Zug aufgesprungen und glauben fest daran, dass mit Klimarettung viel Geld zu verdienen ist. Doch die Zivilgesellschaft bleibt skeptisch. Kann man ein System, das auf den Prinzipien Expansion und Konkurrenz gründet, in den Dienst eines Projekts stellen, das Grenzen des Wachstums anerkennt und bei dem es um Gemeinschaftsinteressen geht? Manche, wie Jean Ziegler, beantworten die Frage mit einem klaren Nein. „Dieses System lässt sich nicht humanisieren, verbessern, reformieren. Man muss es zu Fall bringen“, so der Globalisierungskritiker in einem Libération-Interview kurz nach dem Rücktritt von Nicolas Hulot.
Natürlich wäre es schön, wenn das Win-win-Szenario funktionieren würde: Statt eines Diesels fährt man ein Elektroauto, statt Big Macs isst man Bio-Burger, statt in Raffinerien investiert man in Windräder … Zwar würde die Lösung nationaler und internationaler Ungerechtigkeiten auf später vertagt, doch die Welt wäre gerettet. Das Problem: Vieles, was gegen den Klimawandel und seine Folgen getan werden muss, kostet Geld, ohne dass man etwas damit verdienen könnte. Setzt die Menschheit auf Win-win, so merkt sie wahrscheinlich um das Jahr 2040, dass die Substitutionen und Optimisierungen nicht gereicht haben. Dann aber ist es längst zu spät – und es gibt keinen Ersatzplaneten, auf dem man es ein zweites Mal, unter Verzicht auf den Kapitalismus, versuchen könnte.
Wenn die Finanz einfach weitermacht, droht ein Lose-lose-Szenario.
Ganz klar: Auch die Kirchberg-Kampagne von Greenpeace argumentiert damit, die grünen Investitionen seien „eine Chance für die luxemburgische Finanzindustrie“. Doch die NGO stellt nicht nur Gewinne in Aussicht. Sie warnt auch davor, dass durch den Ausstieg aus fossilen Energien „viele Investitionen in kohlenstoffreiche Vermögenswerte zu ‚verlorenen Vermögenswerten‘ (stranded assets) werden“. Dieser finanztechnische Ausstieg müsse kontrolliert ablaufen, denn er stelle ein „systemisches makroökonomisches Risiko für Luxemburg“ dar. Mit anderen Worten: Wenn die Finanz einfach weitermacht und dann verspätet zum Handeln gezwungen wird, droht ein Lose-lose-Szenario.
Greenpeace will sich, wie große Teile der Klimabewegung, nicht auf Kapitalismus oder Antikapitalismus festlegen lassen. Die Botschaft an die Finanz muss aber deutlich ausfallen: Ihr verliert, wenn der Klimawandel verhindert wird, aber je später das passiert, umso mehr verliert ihr. Auch bei den Grundeinstellungen des Wirtschaftssystems sind drastische Veränderungen nötig – ganz gleich, ob man das als revolutionäre Reformen oder reformistische Revolution bezeichnen möchte. Diese systemische Perspektive sollte eine „No Planet B“-Kampagne nicht ausblenden.
Online-woxx-Artikel zur Greenpeace-Kampagne: La finance victime du climat ?