Handyverbot an Schulen: Schlechte Symbolpolitik

Seit vergangenem Dienstag gilt in Grundschulen und „Maison relais“ ein Handyverbot. Das hat mit umfassender Medienerziehung jedoch nichts zu tun und ist vor allem Symbolpolitik, die keine Probleme bekämpft.

Ein Handyverbot an Schulen ist Symbolpolitik, die wenig Erfolge bringen wird. (Foto: Vitaliy Zalishchyker/Unsplash)

Es scheint eine Konstante der Menschheit zu sein: Jedes neue Medium führt zu einem Generationenkonflikt. Zwischen der Jugend, die zu viele Romane liest, zu viele Filme sieht, zu viel Walkman hört oder wie heutzutage eben zu oft auf ihr Handy schaut – und einer älteren Generation, die darin den Ursprung allen Übels sieht. Sämtliche Probleme im Bildungsumfeld werden so auf ein Medium geschoben. In den 1990ern waren es Zeichentrickserien, in den 2000ern sogenannte „Killerspiele“, nun sind es Smartphones. Das ist ein guter politischer Trick: Man kann ein solch gebrandmarktes Medium verbieten oder seine Nutzung zumindest einschränken. Da die „Opfer“ des Verbotes minderjährig sind, verliert man als Politiker*in bei der nächsten Wahl nicht einmal Stimmen.

Es ist schon ironisch, dass ausgerechnet jener Claude Meisch (DP), der sich vor ein paar Jahren noch damit brüstete, auf seinem Iphone ein Buch geschrieben zu haben, nun für etwas ins Feld zieht, was er „Screen-Life-Balance“ nennt. In den Grundschulen wurde das Handyverbot am vergangenen Dienstag eingeführt, in der Sekundarstufe wird es nach den Pfingstferien gelten. Zusätzlich soll bald auch eine weitere Stunde Schulsport zum Anti-Bildschirm-Programm hinzugefügt werden. Auf den Tablets, die in den Schulen weiterhin zu pädagogischen Zwecken eingesetzt werden, soll zumindest der Zugang zu sozialen Netzwerken eingeschränkt werden.

Das alles löst jedoch keine Probleme, sondern verschiebt sie nur. Kinder werden kreative Lösungen finden, um in den Pausen trotzdem Zugriff auf ein Smartphone zu haben, zumal ein Verbot bekanntlich auch einen gewissen Reiz ausübt. Bereits lange vor dem „offiziellen“ Verbot war es für das Lehrpersonal möglich, Objekte in Gewahrsam zu nehmen, die den Ablauf des Unterrichts stören. Somit dürfte sich im Schulalltag wenig ändern – allerhöchstens, dass es in den Toilettenräumen der Schulen im Großherzogtum bald nicht nur nach (verbotenem) Zigarettenrauch riecht, sondern auch (verbotene) Tiktok-Videos über die Bildschirme flimmern. Cyber-Bullying wird zumindest während der Schulzeit wieder „analog“ ausgeführt und in die Sport- umkleide verlagert – da stimmt dann auch die Screen-Life-Balance wieder!

Wie sollen junge Menschen zu einem guten Umgang mit ihren Geräten finden, wenn ihnen kein Raum geboten wird, in dem sie ihn erproben können?

(Foto: Mirko Sajkov/Pixabay)

An Zynismus mangelt es der Debatte nicht: Das ist es nämlich, wenn man Kindern und Jugendlichen pauschal unterstellt, ohne ein Verbot nicht auf ihr Handy verzichten zu können. Wie sollen junge Menschen selbstständig zu einem guten Umgang mit ihren Geräten finden, wenn ihnen überhaupt kein Raum geboten wird, in dem sie ihn erproben können? Wir wissen doch längst aus anderen Risikofeldern wie Sexualität und Rausch, dass Menschen nicht durch Verbote, sondern durch Information und geschützten Raum zum Experimentieren mündig werden – warum sollte das ausgerechnet bei Handys anders sein?

Meisch widerspricht sich zusätzlich selbst. Im Interview mit RTL sagte der Minister am vergangenen Dienstag, man wolle trotz Handyverbot weiterhin Medienerziehung betreiben. In einer Welt, in der Kinder – so scheint ja die Idealvorstellung im Bildungsministerium zu sein – bis zu einem gewissen Alter überhaupt keinen Zugang auf soziale Netzwerke haben, wird das jedoch äußerst schwierig werden. Wie sollen Kinder dazu ermutigt werden, über verstörende Inhalte zu reden, wenn schon der Zugang zum Gerät verboten ist? Sinnvoller als stumpfe Verbote wäre es, darüber aufzuklären, wie die Netzwerke und ihre Algorithmen funktionieren, warum Apps gezielt so konzipiert sind, um uns quasi „süchtig“ nach ihnen zu machen und wie man diesen Herausforderungen einer modernen Welt begegnen kann.

Verfolge man diesen Ansatz nachhaltig, so müsse man die Digitalkonzerne wie Meta, Google und Bytedance zur Transparenz und Rechenschaft über die Funktionsweise ihrer Produkte zwingen. Das würde nebenbei auch den vielen Erwachsenen helfen, deren Bildschirmzeit nicht nur während der Arbeit, sondern auch in der Freizeit sehr hoch ist. Dazu müsste allerdings eine europäische Lösung verhandelt und sich gegen gigantische Tech-Firmen und ihre finanziellen Interessen durchgesetzt werden – ein Handyverbot in Schulen ist da definitiv leichter umgesetzt.


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