IT-Infrastruktur: Digitale Abhängigkeiten

Die großen Technologiekonzerne in den USA biedern sich der Trump-Regierung an. Europa ist zwar abhängig von US-Software, aber wenig auf diese Situation vorbereitet. Während andere EU-Staaten in ihre technologische Souveränität investierten, mangelt es in Luxemburg schon am Problembewusstsein.

Die Cloud ist auch nur ein Computer, der jemand anderem gehört – und sieht ungefähr so aus. Doch wie leicht ist es, auf US-amerikanische Technologiekonzerne zu verzichten? (Foto: Massimo Botturi/Unsplash)

Schon vor dem Amtsantritt von Donald Trump im Januar dieses Jahres wurde klar, auf wessen Seite sich die Technologiegiganten und die Milliardäre an ihrer Spitze stellen würden. Nicht alle unter ihnen verehren den Präsidenten derart öffentlich wie Elon Musk, aber alle „küssten den Ring“, wie es das US-Technologiemagazin „The Verge“ ausdrückte: „Meta“-Chef Mark Zuckerberg, „Amazon“-Chef Jeff Bezos, Sam Altman von „OpenAI“, „Apple“-CEO Tim Cook und auch „Microsoft“-Chef Satya Nadella suchten Trumps Nähe, einige spendeten für die Zeremonie seiner Amtseinführung. Zwar gab es ähnliche Spenden auch schon vor acht Jahren, wenn auch mit niedrigeren Summen, dennoch scheint es so, als gäbe es dieses Mal auch eine bislang unbekannte politische Nähe zwischen den Technologiefirmen und Trump.

Das weckt Ängste in Europa. Die Trump-Regierung könnte nicht nur die militärische Zusammenarbeit infrage stellen, sondern auch im IT-Bereich mit Schnellschüssen eines unberechenbaren Präsidenten für Chaos sorgen. Zum Beispiel, wenn Trump sich beleidigt fühlt und versucht ist, Europas Zugang zu Programmen von US-Firmen zu kappen? Neben einem solchen Eskalationsszenario stellen sich zudem Fragen zur Ethik und der Datensicherheit. Mit dem „Cloud Act“ besteht seit 2018 in den USA ein Regelwerk, mit dem Firmen dazu verpflichtet werden können, Daten an den Staat auszuliefern, selbst wenn diese auf Servern außerhalb der Vereinigten Staaten liegen.

Der staatliche Informatikdienst CTIE macht sich diesbezüglich keine Sorgen. „Die ganz große Mehrheit der Software ist on-perm, also in den Datenzentren des CTIE, installiert und kann nicht von einem Moment auf den anderen ‚abgeschaltet‘ werden“, so eine Pressesprecherin gegenüber der woxx. Es könnten auch keine Daten in die USA abfließen. Während man die Office-Produkte von Microsoft auf eigenen Servern anbiete, so müsste man für die Kommunikationsplattform „Teams“ des gleichen Herstellers auf dessen Cloud zurückgreifen: „Der CTIE hat sich bewusst dafür entschieden, Teams für den Staat anzubieten, weil Skype nicht mehr angeboten wird und Teams den Beamten die Möglichkeit gibt, auf eine moderne Art und Weise zu kommunizieren. Das sowohl untereinander, als auch mit den Firmen, für die die Office-Produkte und Teams zu den Standards gehören.“ 16.000 Beamt*innen nutzen Stand heute die „Teams“-Plattform des CTIE.

Google-Cloud fast ohne Google

Am 23. Januar unterzeichnete das CTIE einen Vertrag mit der Firma Clarence, ein Joint-Venture von Proximus und Luxconnect. Laut Pressesprecherin des CTIE biete diese „souveräne, Luxemburger Cloud“ einen „Zugang zu neuester Google-Technologie“, sei aber „in Luxemburg gehostet, nicht mit dem Internet verbunden und von Mitarbeitern von Proximus Luxembourg gewartet“. Obwohl keine Daten nach Mountain View, Googles Hauptsitz im Silicon Valley, fließen, ist man dennoch nicht unabhängig von dem US-Konzern, der für seine „neuste Technologie“ natürlich in Rechnung stellt. Clarence selbst hat, eher unsouverän, einen Großteil seiner „FAQs“ von Googles Dokumentation kopiert.

Es gebe nur „punktuelle Fälle von nicht-kritischer Software“, bei der die Software in regelmäßigen Abständen durch die Verbindung mit einem speziellen Server überprüft, ob eine gültige Lizenz vorliegt. Angst, dass ihre Programme durch den aktuellen Bewohner des Weißen Hauses gefährdet sein könnte, habe man beim CTIE nicht: „Würde die Lizenz vorzeitig gekündigt, wäre dies eine Vertragsverletzung.“ Gegenüber der woxx betonte die Pressesprecherin des CTIE, man greife nur vereinzelt auf kritische Software zurück. Etwa wenn Cloud-Dienste billiger seien oder bessere Funktionen hätten als Lösungen, die man selbst betreiben könne. Man lege Wert darauf, dass diese soweit wie möglich in der EU gehostet würden.

22,5 Millionen Euro für US-Firmen

Das CTIE betonte gegenüber der woxx auch, es könne nur über jene Services sprechen, die es selbst betreibe „und nicht für andere Dienste, die die Ministerien und Verwaltungen selbst kaufen“. Diese sind im Gesamtbudget des Informatikdienstes, das sich 2024 auf 165 Millionen Euro belief, nicht enthalten. Die Ausgaben allein für Lizenzkosten betrugen letztes Jahr 37,5 Millionen, davon etwas mehr als 60 Prozent für US-Lizenzen. Demnach landeten also etwa 22,5 Millionen Euro Steuergelder letzten Endes in den Taschen von Trumps Geldgeber*innen.

Es stellt sich die Frage, wie beständig der Zugang zu Hard- und Software ist, in Zeiten in denen ein US-Präsident die Weltwirtschaft nach Gutdünken Achterbahn fahren lässt. Wird man sich darauf verlassen können, die gleiche Technik zu annähernd gleichen Konditionen verwenden zu können? An dieser Stelle könnte die Schaffung eines sogenannten „euro stack“ mehr Sicherheit schaffen, wie es eine von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene Studie vorschlägt. „Stack“ (Stapel) bezeichnet in der Informatik die Gesamtheit aller Hard- und Software, die aufeinander aufbaut und gemeinsam eine Aufgabe erfüllt.

(Bild: US Department of Energy)

Die Studie untersucht, welche Technologieunternehmen und -lösungen es in Europa bereits gibt und enthält darüber hinaus sehr viele Vorschläge, wie europäische Firmen im Bereich der Digitalisierung stärker gefördert werden könnten. Es ist davon auszugehen, dass die Bertelsmann-Stiftung durchaus ihre eigenen Interessen damit verfolgt – und sei es nur, dass mehr staatliche Förderungen für europäische Initiativen, wie die Stiftung selbst ausgeschüttet würden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen konzentrieren sich auch stark auf sogenannte künstliche Intelligenz – wohl auch, um die Angst von Politiker*innen, in diesem Bereich ins Hintertreffen zu geraten, zu bedienen. Wie sinnvoll es ist, weiterhin Milliarden in große Sprachmodelle, deren Entwicklung seit Jahren stagniert, zu stecken, ist fraglich. In die gleiche Kerbe schlug ein am 17. März veröffentlichter offener Brief mehrerer europäischer Firmen, neben Cloud-Anbietern auch Rüstungskonzerne wie Airbus und Dassault, an die EU-Kommission. Die Forderung, die darin enthalten ist: ein Bekenntnis dazu, „europäisch“ einzukaufen.

Es ist nicht unbedingt viel gewonnen, wenn die Digitalisierungslösungen zwar von europäischen Firmen stammen, jedoch die gleichen Probleme bezüglich Datenschutz, Ressourcenverbrauch und Demokratie mit sich bringen wie ihre US-amerikanischen Pendants. Ein „europäisches Google“ könnte die gesammelten Daten ihrer Nutzer*innen genauso verkaufen wie das kalifornische „Original“ und wäre damit nicht wesentlich besser. Ob eine europäische „künstliche Intelligenz“ angesichts des hohen Ressourcenverbrauchs und der offensichtlichen Sackgasse, in der sich diese Technologie befindet, sinnvoll ist, ist ebenfalls zweifelhaft. Nicht zu unterschätzen ist auch der nationalistische Beigeschmack, den Parolen wie „Buy European“ haben – immerhin ist es genau solches Gedankengut, das zu autoritären Regimes führt, denen ja eigentlich der Geldhahn zugedreht werden soll.

Eine Möglichkeit, solche Probleme zu umgehen, ist der konsequente Einsatz von quelloffener, auch Open Source genannter, Software. Dadurch, dass der Quellcode für alle einsehbar ist, lassen sich die Programme auf eigenen Servern installieren und Funktionen anpassen. Wird die Entwicklung eingestellt, können Freiwillige sich dazu entschließen, sie weiterzuführen.

Die Nachbarländer werden souverän

Am 18. März nahm das niederländische Parlament mehrere Anträge der Partei „Volt“ an, die die Regierung dazu aufforderten, eine Cloudplattform unter niederländischer Kontrolle aufzubauen, um die Abhängigkeit zu US-Firmen zu verringern. Auch in Luxemburgs Nachbarländern Frankreich und Deutschland sind bereits konkrete Schritte eingeleitet worden. Schleswig-Holstein hat beispielsweise vor einem Jahr begonnen, 30.000 Rechner von Beamt*innen von „Microsoft Office“ auf das quelloffene „LibreOffice“ umzustellen. Begründet wurde dieser Schritt mit niedrigen Kosten – und vor allem dem Argument, dass man nicht von einem nicht-europäischen Monopolisten abhängig sein wolle.

Seit Dezember 2022 gibt es in Deutschland das „Zentrum für digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung“, das vor allem quelloffene Software für die Verwaltung der Bundesrepublik entwickelt oder bereitstellt. Allerdings nicht ganz problemfrei, denn in vergangenen Jahren wurde das Budget gekürzt. Als „Flagschiff-Produkt“ bezeichnet das Zentrum das Softwarepaket „Opendesk“, das verschiedenste Werkzeuge beinhaltet, die alle für die Arbeit in der Verwaltung optimiert wurden. Gemeinsam mit der französischen „Direction interministérielle du numérique“ hat das deutsche Zentrum „Docs“ entwickelt: eine Software, die es ermöglicht, über das Web gemeinsam an Texten zu schreiben, wie bei dem gleichnamigen Google-Produkt. Auch die Niederlande beteilige sich demnächst an dem Projekt, heißt es auf der Website, die den Quellcode des Projektes veröffentlicht. Symbolisch dargestellt werden die Länder durch ein Baguette, einen Käse und eine Brezel, mit großen Kulleraugen im Anime-Stil. Ob sich bald ein Gromperekichelchen dazugesellt?

Das ist schwer vorherzusehen. Obwohl Luxemburg auch zum Teil quelloffene Software benutzt, gibt es bisher keine Strategie, um deren Entwicklung und Weiterverbreitung zu fördern. Ein Beispiel ist der Messenger „Luxchat“, der auf dem Open Source-Protokoll „Matrix“ beruht. Manche staatliche oder para-staatliche Organisationen stellen ihre Entwicklungen durchaus unter Open Source-Lizenzen, wie zum Beispiel das Open Data-Portal der Regierung. Während Deutschland mit dem Zentrum für digitale Souveränität und der „Sovereign Tech Agency“ gezielt Projekte aus der Open Source-Community fördert, überwiegen hierzulande eher Zweifel an dem Konzept.

Luxemburg hat mit dem „Govtech Lab“ zwar auch ein Programm, mit dem neue Tech-Lösungen ausgeschrieben und gefördert werden, doch die Veröffentlichung des Quellcodes ist kein nötiges Kriterium. [Anmerkung: Am 31. März veröffentlichte
der „Service information et presse“ eine Ausschreibung auf GovTechLab, in der explizit Open Source Software verlangt wird. Dies geschah nach der Antwort des Digitalisierungsministeriums an die woxx.] Man schließe solche Lösungen nicht aus, die Sprecherin des CTIE betonte gegenüber der woxx jedoch die Wichtigkeit des geistigen Eigentums für IT-Firmen und Startups. Bei Ausschreibungen des Govtech Labs könne das CTIE „das Produkt innerhalb des Staates nutzen und die Kandidaten es außerhalb des Staates kommerzialisieren. In diesem Sinn hat der Bürger indirekt auch etwas davon“. Und zwar die Möglichkeit, ein mit Steuergeldern finanziertes Produkt noch einmal kostenpflichtig zu erwerben. Als Argument gegen quelloffene Sofware behauptete die Sprecherin des CTIE, quelloffene Software könne unsicherer sein, weil mit dem Code auch die Schwachstellen offenlägen. Allerdings gilt Open Source-Software generell als sicherer, gerade weil Schwachstellen im Code so schneller erkannt werden.

Weder die Luxemburger Regierung noch der Großteil ihres Verwaltungsapparats setzt derzeit auf konkrete Schritte, um sich der Abhängigkeit gegenüber US-Technologiekonzernen zu entziehen. Zumindest die Tatsache, dass die Software zum Großteil lokal betrieben wird, heißt, dass wir weniger Angst haben müssen, dass Donald Trump uns von einem Tag auf den anderen „den Stecker zieht“. Eine solide Basis für digitale Souveränität müsste jedoch grundlegend anders aussehen.

Souveräne Technologie zu Hause? Es ist gar nicht so einfach, sich den großen IT-Konzernen aus den USA, zu entziehen. Allerdings gibt es einige Initiativen und Websites, die dabei helfen wollen. Ob „entgoogeln“, „europäische Alternativen“ oder „sich den Milliardären entziehen“ – im Grunde ist das Ziel immer das gleiche: Alternativen zu US-Firmen aufzeigen. Wer umsteigen will, sollte mit kleinen Schritten anfangen. Die Websites european-alternatives.eu und degooglisons-internet.org bieten Listen mit alternativen Anbietern, meist aus Europa.


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged , , , , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Die Kommentare sind geschlossen.