Kollektivvertrag im Reinigungssektor: Kein solidarischer Applaus am Verhandlungstisch

Die Fédération des entreprises de nettoyage zögert die Verhandlungen zur Überarbeitung des Kollektivvertrags im Reinigungssektor hinaus. Das Bündnis schiebt die sanitäre Krise vor.

„Die Versammlung war eine Scheinversammlung”, sagt Jessica Lopes, beigeordnete Zentralsekretärin des „syndicat nettoyage“ des OGBL, der woxx. Sie bezieht sich auf die zweite Verhandlungsrunde zur Überarbeitung des Kollektivvertrags im Reinigungssektor vor einer Woche. Die Fédération des entreprises de nettoyage gebe keine konkreten Antworten auf die Forderungen der Gewerkschaft. Das führt zur Verzögerung der Verhandlungen. Die Föderation gab zu verstehen, eine sanitäre Krise sei nicht der Moment, um die entsprechenden Entscheidungen zu treffen.

Im November 2019 legte die Gewerkschaft siebzehn Forderungen zur Verbesserung der Arbeitskonditionen im Reinigungssektor vor. Anfang März 2020 fand in dem Zusammenhang die Konferenz „Propreté à quel prix ? Le nettoyage : un métier non-valorisé“ statt. Nicht alle Forderungen des OGBL sind mit einem großen administrativen Aufwand verbunden, wie beispielsweise die „mise à disposition gratuite de la fiche de salaire en papier si exigée par le salarié“. Kurios, aber wahr: Angestellte großer Reinigungsfirmen müssen für den Ausdruck persönlicher Dokumente durch die Arbeitgeber*innen fünf Euro zahlen. Die digitale Version ist kostenfrei verfügbar, aber nicht allen zugänglich. Sei es aus technischen, sei es aus intellektuellen Gründen. Im Gesetz ist nur die digitale Verfügbarkeit der Dokumente festgehalten.

Eine weitere Forderung des OGBL ist die „comptabilisation des déplacements faits dans le cadre du travail en tant que temps de travail“. Reinigungskräften werden berufsbedingte Transportwege nicht pauschal als Arbeitszeit angerechnet, obwohl sie am gleichen Tag an unterschiedlichen Arbeitsorten eingesetzt werden. Viele von ihnen sind inklusive Fahrtwegen vierzig Stunden die Woche für die Firma im Einsatz, werden aber nur für die Hälfte der Zeit bezahlt. Der OGBL fordert in dem Kontext auch, dass eine maximale Distanz zwischen den einzelnen Arbeitsorten vereinbart wird. Momentan werde die vorausgesetzte Flexibilität der Angestellten oft als Bestrafung missbraucht. Angestellte, die negativ auffallen, würden ungefragt an für sie schwer erreichbare Einsatzorte verlegt. Generell wird im Sektor gerne mithilfe von zeitlich begrenzten Vertragserweiterungen Schmu betrieben, um Festanstellungen oder dauerhafte Vollzeitbeschäftigungen zu umgehen. Der OGBL verlangt deshalb eine Obergrenze, was diese Erweiterungen angeht.

Unsaubere Föderation

Jedoch sorgt sich die Föderation während der sanitären Krise mehr um den Rückgang der regelmäßigen Einnahmen, bedingt durch die Erhöhung der Heimarbeit. „Der Ausbruch der sanitären Krise hat den Reinigungssektor zweifelsfrei verändert. Die Nachfrage nach der Desinfizierung von Räumlichkeiten steigt jedoch, das hält sich also die Waage“, betont Lopes vom OGBL. „Die sanitäre Krise darf nicht als Argument gegen die Kollektivvertragsverhandlungen vorgeschoben werden.“ Besonders nicht angesichts der bestehenden Hygienevorschriften, für deren Einhaltung das Reinigungspersonal in geteilten Räumlichkeiten und an öffentlichen Aufenthaltsorten unabdingbar ist. Es ist mehr denn je der Moment, den Berufsstand mit fairen und menschlichen Arbeitskonditionen zu würdigen und seinen Einsatz wertzuschätzen.

Die Verhandlungen gehen am 18. September in die nächste Runde. Der OGBL erwartet zähe Gespräche. Die Gewerkschaft bedauert, dass eine wichtige Stimme am Verhandlungstisch fehlt: nämlich die der Kundschaft. Der größte Kunde – der Staat – ist aus rechtlichen Gründen von den Verhandlungen ausgeschlossen.

Das Syndikat macht derzeit mit einer Facebook– und einer Instagram-Kampagne auf die Verhandlungen aufmerksam. Die Kampagne enthält unter anderem Erfahrungsberichte von Betroffenen, die die systematische Ausbeutung von Reinigungskräften offenbaren.


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