Kontrolle von Seenotrettern: Beschränkte Befugnis

Der Europäische Gerichtshof hat am Montag die Rechte ziviler Seenotrettungsorganisationen gestärkt.

Bild: Chris Grodotzki/Sea-Watch.org

Immer massiver werden derzeit Vorwürfe, wonach die EU-Grenzschutzagentur Frontex daran beteiligt gewesen sein soll, geltendes Recht zu brechen. Auf 129 Seiten hat die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf laut dem deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ die Verwicklung von Frontex in illegale Zurückweisungen von Asylsuchenden (sogenannte „pushbacks“) durch die griechische Küstenwache und andere illegale Aktivitäten dokumentiert. Teilweise wurden die Flüchtenden Berichten zufolge einfach wieder in aufblasbaren Rettungsinseln auf See ausgesetzt.

Angesichts solch mutmaßlich massiver Rechtsbrüche lieferte ein Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am vergangenen Montag einen deutlichen Kontrast, was die Willkür im Umgang mit Flüchtlingen und ihren Helfer*innen auf EU-Territorium betrifft. Demnach dürfen Schiffe ziviler Seenotrettung, die einen Hafen in einem EU-Mitgliedsstaat anlaufen, von den dortigen Behörden nur dann kontrolliert werden, wenn diese zuvor „konkret und detailliert“ nachweisen konnten, „dass belastbare Anhaltspunkte für eine Gefahr für die Gesundheit, die Sicherheit, die Arbeitsbedingungen an Bord oder die Umwelt vorliegen“. Das Urteil geht auf eine Klage zurück, die von „Sea-Watch“ eingereicht worden war. Schiffe der zivilen Seenotrettungsorganisation, die italienische Häfen anliefen, waren in der Vergangenheit immer wieder von den dortigen Behörden festgesetzt worden, etwa mit der Begründung, sie seien als Frachttransporter für die Seenotrettung nicht zertifiziert und transportierten überdies eine höhere Anzahl an Personen als zulässig.

Hier lässt es das Urteil nicht an Deutlichkeit missen: All diese Aspekte hätten angesichts des internationalen Seerechts außer Betracht zu bleiben, wenn sich Menschen in Not befinden. Auch die „Anzahl der Personen an Bord, selbst wenn sie weit über der zulässigen Anzahl liegt, kann daher für sich genommen keinen Grund darstellen, der eine Kontrolle rechtfertigt“, heißt es in einer Presseerklärung des EuGH zu dem Gerichtsentscheid. Auch nach erfolgter Ausschiffung der Geretteten im betreffenden Hafen müssten „belastbare Anhaltspunkte für eine Gefahr“ gegeben sein, um eine Kontrolle des Schiffs zu legitimieren.

Unterdessen forderten die Hilfsorganisationen „SOS Mediterranée“, „Ärzte ohne Grenzen“ und „Sea-Watch“ die EU-Mitgliedsstaaten am Mittwoch auf, ein staatliches Such- und Rettungsprogramm im zentralen Mittelmeer zu starten, um weitere Todesfälle zu verhindern. Eine Sprecherin der EU-Kommission hatte eine in diese Richtung gehende Frage eines Journalisten schon am vergangenen Montag lapidar beantwortet: Man gehe diesbezüglich bereits in koordinierter Weise vor, die Verantwortung für die Seenotrettung selbst obliege aber den einzelnen Mitgliedsstaaten.

Wie die Realität aussieht, zeigt sich im Mittelmeer tagein, tagaus erneut: So mussten binnen nur fünf Tagen in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste 444 Menschen von Schiffen der drei genannten NGOs aus Seenot gerettet werden (unser Artikel zur EU-Flüchtlingspolitik in Libyen in woxx 1685).


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