Es gibt Bücher, die lassen einen kalt. Und dann gibt es solche, die eine Kühle ausstrahlen, der man sich als LeserIn kaum entziehen kann. „Planet Magnon“, der neueste Roman des jungen deutschen Autors Leif Randt, ist eines von dieser Art. Es ist keine Science-Fiction, auch wenn der Autor hier und da entsprechende Elemente einstreut. Aber um dem Genre ganz gerecht zu werden, hätte er einen möglichen Entwicklungsgang unserer Welt entwerfen müssen. Stattdessen konstruiert er eine Situation, in der die Menschheit zwar existiert, aber ein ganz anderes Sonnensystem bewohnt und dort die Mehrheit der Planeten bevölkert. Diese Menschheit „bis“ lebt in einer postkapitalistischen Gesellschaft, die sich in Kollektiven organisiert, keinen Besitz und keine Armut mehr kennt und gerne mit Drogen experimentiert. Vorreiter ist dabei das Kollektiv der „Dolfins“, zu deren Vorzeigefigur der Hauptprotagonist gerade ernannt worden ist. Er muss nun interplanetare Werbereisen unternehmen, um mit seiner Partnerin neue Mitglieder für sein Kollektiv anzuwerben. Dumm nur, dass sich gerade ein neues Kollektiv gebildet hat, die „Hanks“ – wohl frei nach Charles Bukowskis Schreibnamen „Hank Chinaski“ -, das sich das „Kollektiv der gebrochenen Herzen“ nennt und gegen die allgemeine Selbstzufriedenheit ankämpft. Da sich das, das gesamte Leben regulierende Computersystem „Actual Sanity“ nicht gegen die „Hanks“ zur Wehr setzt, versuchen die „Dolfins“ nun selbst, herauszufinden, was diese so attraktiv macht. „Planet Magnon“ dröselt auf sehr originelle, gar entrückte Art urmenschliche und zwischenmenschliche Probleme auf und setzt sie so in Szene, dass man trotz des ungewöhnlichen Settings auf Dinge aufmerksam wird, die einem ohne dies vielleicht gar nicht aufgefallen wären. Der Konflikt zwischen „Hanks“ und „Dolfins“ ist auch ein Konflikt zwischen unserer Sehnsucht, das Emotionale in uns zu kontrollieren, und dem Drang, der Macht der Gefühle die Überhand zu geben. Als Überbau fungiert „Actual Sanity“, das zwar keine künstliche Intelligenz im eigentlichen Sinn ist, aber, im Rahmen einer interplanetaren Vereinbarung, Entscheidungen auf der Basis von Statistiken trifft. Es übertrifft das menschliche Fassungsvermögen zuweilen und versetzt es zugleich in Erstaunen. Und ist damit so nah an der heutigen Politikauffassung, die mehr verwaltet als gestaltet, dass es einem kalt – oder eben kühl – den Rücken herunterläuft. „Planet Magnon“ ist ein absolut lesenswertes Werk, das mit viel Wortwitz und Fantasie dem Leser das allzu Menschliche vorführt.
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