Luxleaks: Tax rulings weiter untersucht

Nach innerparlamentarischen Scharmützeln haben sich die Fraktionschefs im Europaparlament darauf geeinigt, die Arbeit des Sonderausschusses zur Aufklärung von Luxleaks fortzusetzen. Mit welchem Mandat, wird allerdings noch zu klären sein.

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„Anstatt von Luxleaks, sollte man lieber von EUleaks reden“, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im September den Mitgliedern des Sonderausschusses zu tax rulings im Europarlament. (Foto: European Parliament News)

Es ist nicht das erste Mal, dass Grüne und die Vereinigte Linke Martin Schulz eine übertriebene Nähe zu Jean-Claude Juncker vorwerfen. Der Machtmissbrauch des EU-Parlamentspräsidenten habe inzwischen Tradition, sagte am Mittwoch Grünenchef Philippe Lamberts in einer Pressekonferenz in Strasbourg. Martin Schulz bezeichnete der Belgier als „Minister für Außenbeziehungen mit der EU-Kommission“. Er handele vor allem im Interesse des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.

Juncker spielt bei der Arbeit des parlamentarischen Spezial-Ausschusses über Steuervorbescheide (auch TAXE genannt), keine unwesentliche Rolle. Der aktuelle Ärger der Grünen gilt den Diskussionen um eine Verlängerung des Mandates dieses Ausschusses. Im Anschluss an die Veröffentlichungen im Rahmen des Luxleaks-Skandals Anfang des Jahres ins Leben gerufen, wurde dessen Abschlussbericht am Donnerstag mit großer Mehrheit im Parlament angenommen. Am Montag vergangener Woche hatten sich die Koordinatoren des Ausschusses dann einstimmig darauf geeinigt, das Mandat des Untersuchungsgremiums zu verlängern.

Chaos um Mandats-Verlängerung

Was folgte, lässt sich im Detail nicht nachvollziehen, denn es spielte sich größtenteils hinter verschlossenen Türen ab. Die endgültige Entscheidung über eine Mandats-Verlängerung liegt bei den Fraktionschefs, die jedoch am Montag in ihrer „Conférence des Présidents“ keinen entsprechenden Beschluss gefasst hatten. Gianni Pittella, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion habe dort „in letzter Minute und hinter dem Rücken der eigenen Leute“ die Absprachen aller Fraktionen über den Haufen geworfen“, da er eine Verlängerung abgelehnt habe, schrieb nach der Sitzung der grüne Abgeordnete Sven Giegold in einer Pressemitteilung. Organisiert habe das Ganze Martin Schulz, behauptet Philippe Lamberts, denn Schulz wolle „Jean-Claude Juncker gefallen“.

„Wir werden am Donnerstag die Verlängerung des Mandats beschließen“, kündigte der Italiener Pittella dann jedoch am Dienstagmorgen auf Nachfrage eines Journalisten in einer Pressekonferenz an. Am Tag darauf erklärte seine Parteikollegin Elisa Ferreira wiederum, eine Verlängerung sei aus juristischen Gründen gar nicht möglich, deshalb werde nun ein neuer Ausschuss gegründet.

Eine Argumentation, die in den Augen der Grünen ein Vorwand ist. Man wolle einen zweiten Ausschuss, der, mit einem schwächeren Mandat ausgestattet, keine ernsthafte Aufklärungsarbeit betreiben kann, vermutet Sven Giegold. In einem im kleinen Kreis von Sozialdemokraten, Liberalen und Christdemokraten ausgearbeiteten Entwurf ginge es nur noch um „Informationsarbeit“, die beiden Begriffe „Untersuchung und Analyse“ kämen darin nicht mehr vor. Das neue Mandat diene dazu, ein „Schutzschild zu bauen für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem“, so Giegold.

Benelux blockierte

Seit Februar untersuchen EU-Abgeordnete die Steuerpraxis der Mitgliedstaaten und hatten es nicht immer leicht, diese Aufgabe zu erfüllen. Einer ersten Einladung, den Parlamentariern Rede und Antwort zu stehen, waren nur vier von 18 Unternehmen gefolgt. Als dann am Montag vor einer Woche sowohl Google, Facebook wie auch Coca Cola und McDonalds Vertreter ins Brüsseler Hearing schickten, speisten diese die Abgeordneten mit Allgemeinplätzen ab. Auf wenig Begeisterung war auch Jean-Claude Junckers Anhörung gestoßen, in der er jede Verantwortung gegenüber der Luxemburger Steuerpraxis abstritt.

Nicht viel besser erging es den Ausschussmitgliedern mit den EU-Ländern. Nachdem ihnen der Zugang zu wichtigen Dokumenten versperrt blieb, versprach EU-Kommissar Pierre Moscivici seine Unterstützung. Dennoch verweigerten weiterhin 14 Länder, darunter auch Luxemburg, den Abgeordneten ihre Protokolle der so genannten Code of Conduct-Gruppe herauszugeben. In dieser Arbeitsgruppe treffen sich regelmäßig Vertreter der 28 EU-Nationen, um sich über potenziell schädliche Steuergesetze auszutauschen.

Wie der „Spiegel“ vergangene Woche berichtete, sind diese Protokolle durchaus aufschlussreich. Unter anderem kann man ihnen entnehmen, dass die Benelux-Staaten wiederholt Entscheidungen blockierten, die bestimmte Gesetze als schädlich für die jeweilige nationale Finanzwirtschaft einstuften. Es sei mittlerweile klar, dass sowohl der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, als auch der niederländische Präsident der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, „keine ehrlichen Makler“ seien, sondern „Paten des Steuerkartells“, kommentierte Fabio DeMasi, Abgeordneter der Vereinigten Linken den Artikel. „Sie haben auf politischer Ebene gegen eine Einschränkung missbräuchlicher Steuergestaltung interveniert, während sie trotz der Flüchtlingskrise und chronischer Depression in Europa Kürzungsdiktate verordnen“, so DeMasi.

Zweite Einladung für Jean-Claude Juncker

Im vom Parlament verantworteten Abschlussbericht des Ausschusses machen die Abgeordneten über 80 Empfehlungen und appellieren an die EU-Staaten und die Kommission, entsprechende Maßnahmen gegen Steuerflucht zu ergreifen. Um die Umsetzung dieser Maßnahmen solle es auch im neuen Ausschuss gehen, stellte Elisa Ferreira klar. Man müsse jedoch auch weiterhin noch viele Nachforschungen über die Vergangenheit betreiben.

Sowohl Grüne und Linke als auch Liberale und Christdemokraten fordern indessen weiterhin, Einsicht in die Protokolle der Arbeitsgruppe zu bekommen. „Jeroen Dijsselbloem und Pierre Gramegna sind auf der Liste der Finanzminister, die sich geweigert haben, dem Parlament diese Dokumente zur Verfügung zu stellen“, so Burkhard Balz, CDU-Europa-Abgeordneter. Man habe deshalb das Gefühl, dass die Arbeitsgruppe, die eigentlich Steuerflucht entgegenwirken sollte, nur ein Feigenblatt sei, um fehlende politische Aktionen zu verdecken, so Balz.

Wie genau die Aufgabe des neuen TAXE-Ausschusses lauten wird, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass es keine Mandatsverlängerung geben wird. In einer zweiten Sitzung diese Woche haben sich die Fraktionschefs darauf geeinigt, dass die Koordinatoren des bestehenden Ausschusses einen Vorschlag zu den Kompetenzen des nachfolgenden Gremiums erarbeiten. „Wir werden eine Schwächung des Mandats nicht akzeptieren“, sagen sowohl Sven Giegold als auch der Liberale Michael Theurer. Beide hatten sich bereits in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, Jean-Claude Juncker ein zweites Mal in den Ausschuss einzuladen.


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