Medienpolitik: Presse in der Defensive

Es kommt nicht alle Tage vor, dass Presserat und Journalist*innengewerkschaft ALJP gemeinsam auftreten. Manchmal ist es aber wohl notwendig.

(©SIP)

„Wir stellen vor allem fest, dass die Arbeit des Presserats und der ALJP eine Konstante zeigt: Der größte Teil unserer Arbeit bestand darin, journalistische Standards zu verteidigen, statt sie zu verbessern – sodass wir uns fast die gesamte Zeit über in der Defensive befanden.“ Diese Aussage des Vorsitzenden der (wiedervereinigten) Journalist*innengewerkschaft anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Presserat am Dienstag trifft die augenblickliche Situation der Medienlandschaft wie die Faust auf’s Auge: Es tut weh und es stellt sich die Frage, wieso eine ganze Berufssparte so etwas über sich ergehen lässt.

Die Bilanz, die der Presserat und die Gewerkschaft von der blau-rot-grünen Koalition ziehen, fällt „gemischt“ aus. Einigen kleinen Fortschritten, insbesondere am Ende der fünfjährigen Legislaturperiode, stehen nicht wenige schwer verdauliche Defizite gegenüber. Eigentlich enttäuschend, verdankt doch die Dreierkoalition ihre Existenz nicht zuletzt auch einer zwar nicht üblichen, aber dennoch konsequenten Aufarbeitungsarbeit der Presse.

Was mit einer verkorksten „circulaire Bettel“ begann, endete mit einem leicht nachgebesserten Transparenzgesetz. Doch eine langjährige Grundforderung nach Verankerung eines Auskunftsrechts und eines Zuganges zu öffentlichen Informationen für Journalist*innen im Pressegesetz ist nach 18 Jahren Juncker und fünf Jahren Bettel immer noch nicht in Sicht. Die nach der Luxleaks-Affäre versprochene Verbesserung des Whistleblower-Schutzes ist immer noch nicht spruchreif und in Sachen Terrorbekämpfung mussten erst die Menschenrechts- und Datenschutzkommission intervenieren, um eine Einschränkung der Pressefreiheit zu verhindern.

Andererseits drohen im Ansatz richtige, aber schlecht umgesetzte Regelungen wie das Datenschutzgesetz, das Leben der Journalist*innen zu erschweren. Wer Informationen sammelt, um damit investigativ einen Beitrag zur Wahrung der demokratischen Gesellschaft zu leisten, kann nicht auf einer Stufe stehen mit einer Online-Kommerzklitsche, die uns am Morgen genau das verkaufen will, was wir am Vorabend als „placed product“ in unserer Lieblingskrimiserie vorgeführt bekamen. Dem sei nicht so, wird zwar beteuert, doch ganz eindeutig sind die unlesbaren Gesetzestexte hierzu nicht.

Einen Lichtblick gibt es in Sachen Medienerziehung, wobei es vor allem die Parteiprogramme sind, die auf eine größere Beachtung dieses bislang stiefmütterlich behandelten Themas hoffen lassen. Wie viel – oder eher wie wenig – davon in das Regierungsprogramm einfließen wird, werden die nächsten Monate zeigen.

Eigentlich enttäuschend, verdankt doch die Dreierkoalition ihre Existenz nicht zuletzt auch der Presse.

Vergleichen wir die Medienlandschaft aus dem Jahre 2013 mit der von heute, so dürfte klar sein, dass sich insbesondere ihre wirtschaftliche Situation dramatisch verschlechtert hat. Das ist zwar nicht unbedingt die Schuld der aktuellen Koalition, aber sie muss sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen, den Medienpluralismus nicht proaktiv geschützt zu haben.

(©woxx)

Am Ende haben zwar ein paar altbekannte Online-Medien und, in weit geringerem Umfang, ein seit einem Vierteljahrhundert an Unterfinanzierung leidendes Community Radio und vielleicht sogar eine traditionsreiche Monatszeitung Eingang ins Budget des Medienministers gefunden. Der große Wurf einer Reform der Finanzierung der Medienlandschaft ist das aber nicht – im Gegenteil.

Es bleibt die Hoffnung, dass eine wiedervereinte und damit wiedererstarkte Journalist*innengewerkschaft sich endlich Gehör verschaffen kann und bei den jetzt immer dringender werdenden Verhandlungen der ausgebliebenen Reform nicht länger am Katzentisch Platz nehmen muss. Über 500 anerkannte Journalist*innen wünschen sich eine berufliche Perspektive, die nicht ständig von Existenzängsten geprägt ist. Ihr Job ist auch so aufreibend genug.


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